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Dein Geschichtspodcast mit Daniel und Solveig

FG002 - Hexen | Hexenwahn

02.02.2022 62 min

Zusammenfassung & Show Notes

Nachdem Solveig im ersten Teil der Hexenfolge Daniel vom Wandel der Hexenvorstellungen in Literatur, Kunst und Filmen berichtet hat und Hexen dabei immer weiser und hübscher wurden, verrät sie jetzt endlich, wer und wo die wirklichen Hexen sind!
Sie sind: potenziell alle Frauen, aber besonders jene um den Genfer See! Jedenfalls wenn es nach dem höchst zweifelhaften Handbuch des Dominikanermönches Heinrich Kramer geht. Denn obwohl die Kirche über Jahrhunderte den Hexenglauben als Aberglauben und Häresie verurteilt, gelingt es Kramer seinen Vorstellungen Autorität zu verleihen. Da reicht es schon seinen Namen lateinisch zu schreiben und sich ein Gutachten vom Papst zu erschleichen. Und schon kann die Verleumdung unliebsamer Nachbarinnen losgehen.
Und während sich Kramer auch noch männliche Hexerei vorstellen kann (wenn auch als sehr unwahrscheinlich) verdächtigt Ulrich Melitor ausschließlich Frauen. Schließlich sind Frauen grundsätzlich weniger glaubensstark, haben Sex mit dem Teufel und töten als Hebammen Kinder, bevor diese getauft werden können!
Vielleicht ist Kramer und seinen Jüngern auch einfach das kalte Wetter aufs Gemüt geschlagen?

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Die Hintergrundmusik zum Hexenhammer ist:
 Gregorian Chant Kevin MacLeod (incompetech.com)
 Licensed under Creative Commons: By Attribution 3.0 License
 
http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
Music promoted by
https://www.chosic.com/free-music/all/
#Mittelalter #Schweiz #Deutschland #Hexen #Hexenverfolgung #Hexenhammer #Genf #Kirche #Kirchengeschichte #Religionsgeschichte

Transkript

SOLVEIG
00:00:00
Wir gehen einfach zu den historischen Hexen.
DANIEL
00:00:02
Du hast eine gefunden.
SOLVEIG
00:00:03
Ich hab eine gefunden. Nein, natürlich nicht. Aber ich würde mir...
DANIEL
00:00:07
Also die gab's wirklich?
SOLVEIG
00:00:08
Ja, den Glauben gab's! Ne, also wir haben uns jetzt einmal angeguckt, wo diese Ideen so herkommen, warum wir uns Hexen so vorstellen, wie sie uns vorstellen. Also wir haben zwei, zwei, zwei Fliege. Also den Bruder Grimm hatten wir. Ja, den Bruder Grimm.
DANIEL
00:00:51
Dann einen spanischen Aktmaler. Und Ziegen spielten eine Rolle. Und dann moderne Fantasy und Esoterik und Bewegung.
SOLVEIG
00:01:01
Feminismus.
DANIEL
00:01:02
Feminismus. Genau.
SOLVEIG
00:01:03
Und das sind eben so zwei Linien, die so ein bisschen parallel verlaufen. Also auf einmal dieses alte, hässliche Weib, das böse ist und im Waldhaus und Kinder frisst. Und auf der anderen Seite dieses, ja, vom Alte her nicht unbedingt bestimmte Frau, die eben über magische Fähigkeiten verfügt und eventuell in einer germanischen Vorzeit tatsächlich als weise Frau gelebt hat und heidnisches Wissen in sich getragen hat.
DANIEL
00:01:34
Und jetzt komm bitte nicht und sag die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
SOLVEIG
00:01:37
Ja, liegt irgendwo dazwischen, nein. Es ist ein bisschen schwierig, da ich persönlich weder in dem Gebrüder Grimm-Bild noch in dem moderneren feministischen Bild die historischen Hexen finde. Denn das ist dann doch ein bisschen komplizierter und man kann es so nicht sagen. Wenn wir in die Geschichte gehen, man muss vielleicht zunächst erst mal sagen, der Hexenglaube ist nicht im Mittelalter entstanden, sondern den finden wir auch schon in der Antike. Bei Odysseus haben wir eine Hexe.
DANIEL
00:02:18
Klar, wenn es sie gegeben hat, dann hat sie immer eine Hexe.
SOLVEIG
00:02:22
Genau, und wir finden eben bei Odysseus die Kirke, die ihn und all seine Männer in Schweine verwandelt. Oder wir finden bei dem Autor Lucius Apuleus die sehr schöne Geschichte der Goldene Esel. Und Apuleus erzählt die Geschichte von einem Lucius, der von einer Zauberin in einen Esel verwandelt wird und dann eben als Esel viele Abenteuer erlebt. Süß.
DANIEL
00:02:51
Ich mag Esel, hast du mich jetzt getriggert.
SOLVEIG
00:02:53
Das ist eine sehr schöne Geschichte tatsächlich. Und bei Apuleus ist es so, dass es gute Hexen oder Zauberinnen gibt und böse Zauberinnen. Und wir haben auch noch den Autor Lucan, der von einer ganz bösen Hexe, nämlich Erichto, erzählt, die auf Schlachtfeldern umher wandelt und durch Zauber mit toten Soldaten. Und deren Resten die Zukunft vorhersagen kann. Das ist ein definitiv sehr negatives Bild. Erichto wird dann auch als sehr böse und dunkel und Schreckensgestalt beschrieben. Und wir finden eben diesen Hexenglauben schon in der römischen Kaiserzeit auch. Und da wird auch massiv gegen vorgegangen. Also es werden Bücher verbrannt öffentlich, wo es um Wahrsagerei beispielsweise geht. Und auch später die römische Kirche setzt sich auch stark gegen den Hexenglauben ein. Also das ist ja auch immer dieses typische Stereotyp, die die katholische Kirche hat Hexen verfolgt. Und da muss man eben sagen, ja, nur teils und auch nicht unter päpstlicher Autorität. Da eben gerade der Papst von die päpstliche Kirche gesagt hat, es gibt keine Zauberer, das ist heidnischer Aberglaube.
DANIEL
00:04:16
Hätte ich jetzt auch vermutet.
SOLVEIG
00:04:19
Beziehungsweise Dämonen Anbetung. Und die gehen da eben auch vor.
DANIEL
00:04:25
Aber macht doch dann Sinn, wenn es da Frauen gibt, die mit Dämonen, die auch immer geartete Verhältnisse haben, dass man sich deren entledigt.
SOLVEIG
00:04:35
Ja, wobei das mit den Dämonen, muss man da so ein bisschen sagen, dass die in der frühen Kirche also entweder die Ideen vertreten, dass die heidnischen Götter Dämonen sind, die eben die Menschen verführt haben und dazu geführt haben, dass die Menschen sie anbeten. Oder dass sie eben sagen, die heidnischen Götter haben gar keine Macht. Und in diesem Zusammenhang muss man das dann sehen. Also es gibt dann eben Stimmen, die sagen, der Glaube an Schadenszauber, an Hexen ist eben Aberglaube und da steht nichts dahinter. Oder es wird dann eben gesagt, ja die Heiden sind halt immer noch an ihren Dämonen und Vorstellungen hängen die dran. Also es wird eben ganz klar gesagt, es gibt keinen Schadenszauber. Menschen können nicht andere Menschen verfluchen. Und dafür setzt sich die katholische Kirche auch noch im Hochmittelalter ein, wenn die Inquisition ins Leben kommt. Die beginnt ja Mitte des 13. Und die Inquisition ist zu dem Zeitpunkt noch nicht so systematisch strukturell da wie zu späteren Zeiten. Und die sind eben unterwegs und der Ablauf ist noch nicht so klar, was sie jetzt zuständig sind und für was nicht. Und sie schreiben dann eben an den Papst immer so Fragebögen oder Fragenkataloge, was sollen wir tun, wenn und was sollen wir tun, wenn das und das ist. Und das ist ganz interessant. Man merkt eben so, die haben Probleme in ihrem Arbeitsalltag und schreiben dann dem Papst so, was ist eigentlich, wenn das und das passiert, sind wir dann zuständig? Und eine dieser Fragen ist dann tatsächlich von den Inquisitoren, ich glaube aus Umbrien, ist auch egal, die dann schreiben, sind wir eigentlich zuständig, wenn es um Wahrsagerei geht? Und der Papst antwortet, nein, seid ihr nicht.
DANIEL
00:06:23
Aber da haben sie sich jetzt dann eher gefreut oder?
SOLVEIG
00:06:26
Ich weiß jetzt nicht, die Antwort ist nicht erhalten, es ist nur, dass die Antwort vom Papst da, dass er sagt, nein, dafür seid ihr nicht zuständig, das geht an die weltlichen Gerichte, also an die Gerichte von Fürsten und von Städten und nicht eben die geistlichen Gerichte. Und auch da wird wieder klar, diese Wahrsagerei, die glauben nicht daran, dass es wirklich Wahrsagerei geht, sondern es geht eher darum, Betrüger und Scharlatane zu verhaften, weil sie eben Menschen Quatsch erzählen und verführen. Und das ändert sich um 1400 interessanterweise. Da um den Genfer See geht das los. Ich weiß auch nicht warum, was da los ist. So irgendwie in Savoyen, Piemont, Bern und im Wallis. Tatsächlich ist dieses Gebiet auch für die, für Häresien und Ketzereien sehr anfällig. Gerade so das Wallis. Irgendwie werden da immer Inquisitoren hingeschickt und finden scheinbar auch Ketzer. Und so um 1400 finden da die ersten Hexenprozesse statt. Also dass wirklich gesagt wird, es gibt tatsächlich Hexen und die können tatsächlich Schadenzauber ausüben und wir müssen dagegen was tun. Und in den 1430ern erscheinen da auch die ersten Bücher, also Hexentraktate heißt das dann, die sich damit beschäftigen. Ja, man muss da so ein bisschen noch mal unterscheiden. Also in dieser Gegend werden die Hexen noch nicht als das beschrieben, was sie später sind, sondern sie werden so als als ketzerische Sekte beschrieben. Und da ist die Inquisition zuständig. Und wir können eben sehen, dass eben tatsächlich diese Hexenglaube schon so aus gewissen Ideen hervorgeht, die gewisse Ketzergruppen mit sich tragen, beziehungsweise die Vorstellungen, die man von diesen Hexengruppen oder Ketzern hat, werden auf Hexen übertragen, beispielsweise auch der Besen oder der Flug auf den Besen. Werden der Besenflug oder der Hexenflug, wie er genannt wird. Das ist ganz interessant, da ist eben in diesen Hexentraktaten beziehungsweise auch Traktaten zu Ketzereien, finden wir nämlich sehr bekannte Darstellungen von Hexen. Die werden auch immer gezeigt, wenn es um Hexen geht. Das sind so kleine Buchmalereien. Das sind so zwei Frauen, die eben auf einem Besen sitzen. Da steht aber nicht neben, das sind Hexen, sondern da steht neben, das sind Waldenserinnen. Die Waldenser waren eben eine häretische Bewegung, eine Ketzerbewegung aus Südfrankreich, aus dem späten 12. Jahrhundert. Diese Ideen werden jetzt eben auf diese Hexenglauben übertragen. Das entwickelt sich dann weiter und verbreitet sich dann in ganz Europa. Nein, diese Hexenglauben. Die Waldenser sind im 13. und 14. Jahrhunderten. Die sind noch gekillt. Ja, nicht gekillt. Die Waldenser gibt es tatsächlich heute noch. Ach. Ja, die sind als...
DANIEL
00:09:49
Am Genfer See.
SOLVEIG
00:09:51
Nein, tatsächlich ist es den Waldensern gelungen, die Inquisition zu überleben und dann als Teil der lutherischen Reformation, ja, aufgenommen zu werden, an Anführungszeichen, also dann tatsächlich weiter zu existieren. Und die sind jetzt heutzutage als Teil der eben als evangelische Religionsströmung gibt es die immer noch. Aber sie galten eben im 13. Jahrhundert als häretisch.
DANIEL
00:10:20
Und Hexen waren ja sozusagen die weiblichen Waldenser.
SOLVEIG
00:10:23
Nee, die sind doch mal... Also ja, es sind dann eben so... Nee, Hexen sind tatsächlich Hexen, die Schadenszauber schaffen, aber da werden einfach so Ideen miteinander verknüpft. Und der am einflussreichsten, zumindest für Deutschland oder für das Reich, wie wir es zu der Zeit nennen, das Heilige Römische Reich.
DANIEL
00:10:46
Was natürlich nicht identisch ist mit dem Deutschland heute.
SOLVEIG
00:10:48
Genau, mit dem Deutschland heute. Deswegen sagen wir eben immer das Reich. Das ist ein anderes Werk, nicht die Hexentraktate aus Savoyen, sondern der Hexenhammer oder in seiner lateinischen Ursprungsfassung der Maleus Maleficarum.
DANIEL
00:11:03
Ich wollte es sogar sagen. Die paar Brocken Latein... jetzt hast du es schon gesagt. Maleus Maleficarum.
SOLVEIG
00:11:13
Und du hast aber auch noch mal den Autor nennen.
DANIEL
00:11:16
Da muss ich auf das Buch schlinzen, das hier vor dir liegt. Und dann muss ich auf dem Kopf lesen, das geht gar nicht. Heinrich Kramer, Institoris. Was ist Institoris? Wieso Institoris? Ist das ein Künstlername oder was?
SOLVEIG
00:11:27
Das ist die latinisierte Version seines Nachnamens. Und er hat ja in Latein geschrieben. Deswegen hat er seinen Namen auch latinisiert. Und das schreibt er. Im Text steht dann eben Henricus Institoris. Und man hat es dann eben ins Deutsche übersetzt.
DANIEL
00:11:45
Das wäre überhaupt mal eine Idee, ob ich meinen Nachnamen nicht auch mal latinisieren könnte.
SOLVEIG
00:11:51
Und über Heinrich Kramer weißt du was über den?
DANIEL
00:11:56
Ehrlich gesagt absolut gar nichts.
SOLVEIG
00:11:58
Ja, so geht es den meisten. Es ist wirklich nicht so viel von ihm bekannt.
DANIEL
00:12:01
Also ich meine, ich hätte ja jetzt noch nicht mal aus seinem Namen spontan gewusst.
SOLVEIG
00:12:05
Und Heinrich Kramer war wahrscheinlich aus dem Elsass. Nicht so weit vom Genfer See. Aus Schlettstadt, das ist in der Nähe von Straßburg. Und er war Dominikanermönch und auch Inquisitor. Und es sind, wie gesagt, nicht so viele Sachen, Daten über ihn bekannt. Ich muss einmal auf meinen Zettel spicken, denn was von ihm bekannt ist dann doch ziemlich aussagekräftig, meiner Meinung nach. Denn er saß 1473 eine kurze Zeit im Gefängnis. Weil er Kaiser Friedrich III öffentlich angegriffen hat.
DANIEL
00:12:56
Du meinst mit Worten oder jetzt quasi Attentat?
SOLVEIG
00:12:59
Muss ich gestehen, ich weiß es nicht. Er hat ihn angegriffen, vielleicht hat er gegen ihn gepredigt, wahrscheinlich als Dominikaner, dass er keine Steine geworfen hat, wenn er nicht angegangen ist.
DANIEL
00:13:11
Gut, die haben Leute verbrannt, also warum die auch Steine werfen.
SOLVEIG
00:13:15
Und der Orden, also das Generalkapitel des Dominikanerordens hat das dann 1474 aufgehoben, sodass er dann aus dem Gefängnis entlassen wurde. Er wurde dann allerdings noch einmal, zwar 1482, angeklagt, weil er Ablassgelder unterschlagen haben soll. Und Anfang der 1470er gab es auch nochmal Vorwürfe von seinen Mitbrüdern, dass er sie bestohlen hätte, wogegen er dann allerdings Verleumdungsklagen erhoben hat. Das ist dann noch nicht so richtig geklärt worden. Aber das, was wir über ihn wissen, macht ihn auf jeden Fall sehr charmant und vertrauenswürdig.
DANIEL
00:13:56
Aber kann man sich auch vorstellen, dass der ein spannendes Buch dann schreibt?
SOLVEIG
00:14:00
Ja, aber ob er jetzt so unbedingt die größte Ahnung hat und die moralischsten Ansichten, weiß ich nicht.
DANIEL
00:14:09
Weißt du, wer dir den Kaiser verleugnet hat? Wie kann so jemand das wahren?
SOLVEIG
00:14:12
Ablassgelder unterschlagen.
DANIEL
00:14:14
Ja, das ist schon schlimmer. So viel Seelenheil.
SOLVEIG
00:14:17
Du bist Dominikaner. Wenn man denen schon nicht vertrauen würde. Er hat dann dieses Buch geschrieben, 1887, als ist das erste Mal den Speyer gedruckt worden, in lateinischer Sprache. Bis 1669 ist dieses Buch dann tatsächlich auch in 30 Auflagen erschienen. Das ist schon viel.
DANIEL
00:14:42
Wie viele Bücher hat man gedruckt damals vor Auflage?
SOLVEIG
00:14:48
Ich weiß nicht, aber es ist schon viel, weil bekannt ist, dass eigentlich in allen Städten, in denen es Hexenprozesse gab, dieses Buch stand. Das war wirklich dann das Standardwerk. Wenn Hexenprozesse stattfinden, liest man in dem Buch nach, wie es geht. Da es eben auch noch sehr viele Ausgaben gibt, muss man da schon sagen, das haben viele gelesen. Es hat sich sehr weit verbreitet. Da kommen wir dann schon dazu. Der Hexenhammer besteht eigentlich aus drei Teilen. Der erste Teil schildert überhaupt erst mal, dass es Hexen gibt. Weil, wie gesagt, die Perspektive der katholischen Theologie besagt, es gibt keine Hexen und Schadenszauber sind nicht möglich. Deshalb muss er erst mal ausführlich erzählen, dass das doch alles stimmt und alles möglich ist.
DANIEL
00:15:37
Aber da ist ja jetzt der erste, der nachweislich gesagt hat, es gibt das jetzt doch, oder?
SOLVEIG
00:15:42
Ja, wie gesagt, es gibt ja die, beziehungsweise am Genfer See ist das schon. Und er trägt diese Ideen eben noch mal weiter. Und er wird dann ja später auch noch mal weitergetragen. Also es gibt dann noch mehr Hexentheoretiker, wie die dann genannt werden, die eben auch auf seine Ideen aufbauen und das noch weiter ausspinnen.
DANIEL
00:16:01
Aber weißt du, wieso es dann keinen Widerspruch gibt? Also wieso gibt es da nicht irgendwie?
SOLVEIG
00:16:04
Es gibt Widerspruch.
DANIEL
00:16:05
Bischofskonferenz Italien sagt, was verbreitest du dafür Mist?
SOLVEIG
00:16:09
Genau, da komme ich nämlich zu. Aber ich wollte erst kurz noch über den Aufbau reden. Also es gibt Hexen? Der erste Teil ist, es gibt Hexen. Und dann wird erzählt, wer Hexen ist. Überraschung, das sind die Frauen. Und der zweite Teil ist dann, was können Hexen tun? Und der dritte Teil bzw. der zweite, was können Hexen tun? Wie kann ich mich davor schützen? Und der dritte Teil ist dann eben, wie führe ich einen richtigen Hexenprozess? Also wer ist zuständig? Wer wird als Zeuge zugelassen? Wie läuft das Verhör? Wann setze ich die Folter ein? Immer. Und wie wird dann das Urteil gesprochen etc. Und deswegen ist dieses Buch auch so stark verbreitet worden, weil er eben nicht diesen Glauben schafft, dass es Hexen gibt. Aber er ist der Erste, der so eine Anleitung bringt, wie führe ich einen richtigen Hexenprozess. Und genau, das ist so das, was ihn so auszeichnet. Und jetzt habe ich vergessen, worauf du eben hinaus wolltest. Das war der Punkt.
DANIEL
00:17:16
Du hattest keinen Widerspruch. Das kannst du eigentlich keine Menschen schar-zauber machen, hast du gesagt.
SOLVEIG
00:17:25
Genau, das ist so der Punkt. Ich bleibe noch beim Aufbau, denn Johannes Kramer hat zwei Texte seinem Hexen vorgeschaltet. Das ist zum einen die Papst Bulle, Moment, jetzt muss ich Summidesiderantes affectibus.
DANIEL
00:17:41
Ui, kann man mir da jetzt gar nicht mehr nachgucken.
SOLVEIG
00:17:45
Und zum anderen eine Approbation oder ein Gutachten der theologischen Fakultät der Kölner Universität. Und die sollen eben dann dem Publikum klar machen, der Papst hat das gelesen und gesagt, es ist richtig gut, das müssen alle lesen, das finde ich toll. Ja, das ist nämlich der Punkt. Es hat Untersuchungen gegeben und es wurde herausgestellt, dass dieses Gutachten der Kölner theologischen Fakultät eine Fälschung ist.
DANIEL
00:18:21
Der Heinrich Kramer hat das Ding jetzt selber gefälscht?
SOLVEIG
00:18:25
Ja, wie gesagt, das ist ein sehr vertrauenswürdiger Mensch. Er hat dieses Gutachten scheinbar wirklich gefälscht. Da haben dann auch schon die Personen, die in diesem Gutachten genannt werden, Widerspruch gelegt. Scheinbar hat er dieses Buch tatsächlich der Fakultät vorgelegt. Und die haben sich das angeguckt und gemeint, ja, also was da drin steht, ist christlich nicht falsch. Aber das Publikum sollte schon wirklich Ahnung von Theologie haben, um das zu lesen. Und in diesem Gutachten steht irgendwie drin, das ist ganz toll.
DANIEL
00:19:01
Aber das hieß ja, dass sie jetzt nicht grundsätzlich gesagt haben, was schreibst du hier für eine Scheiße, Hexen gibt es nicht.
SOLVEIG
00:19:06
Das stimmt, weil wie gesagt, das, was er da schreibt, wenn man das wirklich liest, ist halt grundsätzlich nicht falsch, nur eben die Schlussfolgerungen, die er draus zieht. Es ist sehr kompliziert mit diesen theologischen Traktaten. Aber was er getan hat, war, dass er dieses Schreiben, dieses Gutachten vorschaltet und sagt, die haben alle zugestimmt und die fanden meine Texte ganz toll. Und die Fakultät sagt, ja, wir haben es gelesen, aber mehr haben wir auch nicht getan. Und Unterschriften wurden tatsächlich gefälscht. Es haben dann Personen, die da geführt werden, die da unterschrieben haben sollen, haben gesagt, sorry, aber in dem Tag war ich gar nicht da. Wie kann ich da unterschrieben haben? Also es ist halt wirklich gefälscht. Und auch diese Bulle von Papst Innozenz VIII. Die ist echt. Aber auch da ist es so ein bisschen komplizierter. Da müssen wir jetzt sehr stark in die Kanzleiarbeit der päpstlichen Kurie einsteigen, um das aufzudröseln. Das lassen wir jetzt mal. Aber ganz einfach zusammengefasst ist, die Urkunde ist echt, aber was drin steht, ist nicht echt. Beziehungsweise, dass man konnte, wenn man sich an die Kurie gewandt hat...
DANIEL
00:20:18
Also, wenn ich jetzt nachgucke, dann existiert diese Bulle, aber es hat einen anderen Text, als der Kramer reingeguckt hat.
SOLVEIG
00:20:23
Also, das ist ja, wie gesagt, man konnte Texte vorschreiben. Und die päpstliche Kanzlei hat das dann als Bulle ausgestellt. Also, gesagt nach dem Motto, ich hätte gerne eine päpstliche Bulle da rüber. Und das haben die dann gemacht. Und das war dann immer so auf dem Gedanken hin, wenn du diese Bulle haben möchtest und beauftragst, musst du auch dafür sicherstellen, dass das, was drin steht, stimmt. Und sobald jemand sagen kann, dass das nicht stimmt, ist die Bulle nicht mehr gültig. Beziehungsweise das Papstschreiben nicht mehr gültig. Und das, was drin steht, ist halt nicht passiert. Es steht eben drin, dass der Papst die Innozenz erachtet, dass eben auch gewollt habe und das unterstützt habe, dass dieses Buch entstanden ist. Und das hat Heinrich Kramer eben einfach vorgeschrieben.
DANIEL
00:21:10
So lange ich das Heinrich Kramer nicht nachweisen kann, der Papst hat das nie gesagt.
SOLVEIG
00:21:21
Ist schon genial, das muss man sagen. Das sind eben diese zwei Gutachten, die quasi bestätigen, dass er da was Großartiges geschaffen hat, die hat er quasi eben selber geschaffen, bzw. unter vortäuschend falscher Tatsachen sich erschwindelt. Und da kommt das eben schon dann dazu. Es gibt dann eben, wie gesagt, auch später diese Hexentheoretiker, die sagen, das ist alles richtig und das ist alles toll. Und es gibt aber auch dann eben Leute, die sich dann dagegen wenden und sagen, das ist Quatsch. Es ist im Grunde so ein wissenschaftlicher Diskurs. Auf der einen Seite gibt es die Personen, die sagen, das ist richtig, diese These. Und auf der anderen Seite gibt es die Leute, die sagen, die These ist falsch. Und dieser eigentlich wissenschaftliche Diskurs geht dann aber eben in die Bevölkerung rein und befeuert dann diesen Aberglauben, der dann eben ab dem späten 15. Jahrhundert passiert. Und das ist eben genau das, wovor die Kölner Theologen gewarnt haben. Wenn dieses Buch eben in Hände gerät, die nicht so fest in diesem Diskurs sind, dann kommen die auf falsche Ideen. Genau, dass es passiert. Dass man eben tatsächlich Hexenprozesse geführt hat. Ja, aber da muss man eben sagen, auch Heinrich Kramer, oder Kramer, Entschuldigung, ich nenne ihn immer Kramer, obwohl er Kramer heißt. Im Prinzip ist es ja der selbe Name. Sagt selbst, dass die Inquisition nicht zuständig ist. Das ist auch irgendwie interessant. Er schafft quasi ein neues Arbeitsgebiet, aber sagt dann selbst, aber ich bin dafür nicht zuständig. Das ist nicht mein Bereich. Also es sind eben die weltlichen Gerichte, die da zuständig sind für die Hexenprozesse. Und jetzt sind wir schon sehr weit im Thema Hexenhammer und Hexenprozesse. Ich würde gerne darüber reden. Da wollte ich jetzt kommen. Wie wird jemand eigentlich?
DANIEL
00:23:23
Ist sie diesmal jung und schön oder wie sieht sie aus?
SOLVEIG
00:23:26
Und Heinrich Kramer selbst sagt, im Grunde kann jeder eine Hexe werden. Denn zur Hexe wird man indem man... Jeder oder jede? Ja, jeder mit Sternchen drin. Also jede und jeder. Denn vielleicht kommst du drauf, was müssen die machen, um Hexen zu werden?
DANIEL
00:23:50
Das hat was mit Dämonen zu tun, würde ich sagen. Also offenbar, die Dämonen haben ja diese Kraft, dich dann da zu verführen und zu verleiten. Und dann brauchen wir zauberhaften Hexen. Nein, die sind ja dann... Also hier sind sie nicht zauberhaft. Ich würde sagen, irgendeine Form von Nähe.
SOLVEIG
00:24:11
Ja, Heinrich Kramer führt das noch nicht so aus. Also er sagt eben, der Dämon kommt und der Dämon verführt. Aber andere Hexentheoretiker, die dann ihm auch nachfolgen, wie beispielsweise Ulrich Melitor, macht schon deutlich, welche Nähe gemeint ist. Der Beischlaf, der Geschlechtsverkehr, oder wie auch immer man das ausdrücken möchte. Und es muss gebumst werden.
DANIEL
00:24:46
Konntest du dir nicht bitte irgendeinen mittelalterlichen Begriff überlegen dafür?
SOLVEIG
00:24:50
Na gut, die Teufels-Buhlschaft.
DANIEL
00:24:52
Das klingt doch schon... Die Teufels-Buhlschaft. Also letzten Endes ist der Hexenhammer auch ein erotisches Werk. So wie der spanische Maler.
SOLVEIG
00:25:01
Ja, der Hexenhammer ja eben nicht. Also die Nachfolgen, wir bauen das mehr auf. Der Hexenhammer ist da tatsächlich sehr vage.
DANIEL
00:25:08
Hab ich doch das falsche Buch gekauft.
SOLVEIG
00:25:10
Das ist Ulrich Melitor von Unholden und Zauberern oder so. Der hat auch in Deutsch geschrieben. Das macht es leben einfacher. Der hat auch Bilder drin.
DANIEL
00:25:24
Wir verlinken das dann, wenn es das gibt.
SOLVEIG
00:25:26
Tatsächlich sagt er, und da kommen wir dann eben dazu, warum Hexen dann doch für uns eigentlich immer Frauen sind, dass natürlich die Frau viel empfänglicher für die Einflüsterung des Dämons ist. Und da habe ich ein paar Quellen mitgebracht. Da können wir nämlich mal reingucken. Und Heinrich Kramer schreibt...
DANIEL
00:25:55
Es gibt auch andere, die Gründe angeben, weshalb mehr Frauen als Männer für abergläubisch befunden werden. Der erste, weil sie leichtgläubig sind. Und weil der Dämon hauptsächlich den Glauben zu verderben sucht, tritt er auch eher an diese heran. Der zweite Grund ist, weil sie von Natur aus wegen der Unstetheit der körperlichen Verfassung zur Aufnahme von Eingebungen durch das Eindringen von Separatsubstanzen leichter zu beeinflussen sind. Der dritte Grund ist der, weil sie eine schlüpfrige Zunge haben und sie das, was sie durch schlechte Kunst wissen, ihren Genossinnen kaum verheimlichen können und sich heimlich, da sie schwach sind, leicht durch Schadenszauber zu rechen suchen. Ihr von Natur aus geringer Glauben wird schon bei der ersten Frau offenbar, da sie der Schlange auf ihre Frage, warum sie nicht von jedem Baum des Paradieses essen würden, sagte, von jedem essen wir, nur nicht, damit wir nicht etwas sterben. Wobei sie zeigt, dass sie zweifle und an die Worte Gottes nicht glaube, was alles auch durch die Etymologie des Namens demonstriert. Es heißt nämlich Femina, Frau, von Fee und Minusse, weil sie immer geringeren Glauben hat und ward, und zwar von Natur aus. Schlecht also ist die Frau von Natur aus, da sie schneller am Glauben zweifelt und schneller den Glauben ableugnet. Das ist die Grundlage für die Hexen. Dabei sind das doch immer die älteren Damen, die die Kirche am Laufen halten.
SOLVEIG
00:27:38
Ja, aber sie sind minus im Fehl.
DANIEL
00:27:41
Aber schön, man schiebt doch die Frau, der Dämon.
SOLVEIG
00:27:44
Genau. Und das wird dann eben noch durch die Teufels-Buhlschaft dann sexualisiert und dann sind wir da, dass die Hexen immer Frauen sind.
DANIEL
00:27:55
Du hast aber gesagt, im Hexenhammer ist es auch jede*r - mit Sternchen.
SOLVEIG
00:28:00
Das stimmt, aber also in der Theorie schon, aber wir haben ja jetzt gerade gehört, warum es eigentlich mehr Frauen sind. Es gibt natürlich auch vielleicht mal einzelne Männer, die nicht so stark im Glauben sind. Da kommt der Dämon vielleicht auch mal und klopft. Aber bei der Frau hat er natürlich leichtere Züge.
DANIEL
00:28:17
Da ist die Tür immer offen. Was machen denn diese Hexen da mit mir?
SOLVEIG
00:28:26
Was sie machen, das ist eben ganz interessant zu sehen. Die machen verschiedene Dinge. Wir waren ja schon beim Hexenglauben, was wir von Hexenvorstellungen haben. Woran denkst du denn, was machen Hexen so?
DANIEL
00:28:41
Kinder essen.
SOLVEIG
00:28:42
Und noch? Wo essen sie diese Kinder?
DANIEL
00:28:46
Wo essen sie die, das wäre mir persönlich jetzt wurscht. Die Tatsache finde ich schon ausreichend. Ich weiß nicht, die bei Grimm wollte ich dir ja beraten.
SOLVEIG
00:28:57
Das war jetzt vielleicht von mir ein bisschen blöd gefragt. Mir geht es eher darum, die treffen sich ja hin und wieder. Vielleicht hast du davon schon gehört, dass...
DANIEL
00:29:05
Die Hexen.
SOLVEIG
00:29:06
Die Hexen. So, auf dem Blocksberg und so. Nee, ich hab Blocksberg, das ist Bibi Blocksberg. Am Brocken, genau.
DANIEL
00:29:12
Aber ich hatte der erste, ich musste auch kurz umlenken im Kopf.
SOLVEIG
00:29:19
Aber vielleicht ist noch Bibi Blocksberg da.
DANIEL
00:29:21
Wie womöglich. Ja, da treffen die sich. Wieso ist das schlimm?
SOLVEIG
00:29:24
Die tanzen ja.
DANIEL
00:29:26
Und Frauen dürfen nicht tanzen.
SOLVEIG
00:29:31
Nein, die treffen sich zum Hexensabbat.
DANIEL
00:29:33
Ja, Sabbat klingt jetzt schon mal wieder antisemitisch.
SOLVEIG
00:29:36
Genau, ich hatte es ja schon angesprochen vorhin, dass eben diese Grimmschen-Ideen, beziehungsweise die Hexenvorstellungen des 19. Jahrhunderts, so gewisse antisemitische Züge haben. Und das tun sie auch gerade in der frühen Neuzeit. Also da finden wir eben die Begriffe, wie Sabbat, das Hexen, einen Sabbat zusammen begehen, dass sie sich in Synagogen treffen. Also dieses Antikirchliche, was man ihnen vorwirft, der wird eben sofort mit jüdischen Begriffen belegt. Dann eben auch wieder diese Idee, dass sie Kinder töten, die dann auch sehr schnell hochkommt. Und was sie auch noch so machen, ist, dass sie Hostienschändungen betreiben. Beziehungsweise wird ihnen vorgeworfen. Und diese Hostienschändung meint eben, dass sie zwar in die Kirche gehen und am Abend mal teilnehmen und dann auch die Hostie empfangen.
DANIEL
00:30:30
Aber dann mitnehmen und damit was anderes machen.
SOLVEIG
00:30:32
Genau, dann entweder ausspucken oder in die Toilette schmeißen oder in den Fluch sich denken, während sie die Hostie essen. Und das sind eben alles Sachen, die in der Zeit und auch vorher schon bedingt durch die Ritualmordlegende, die im 1300 so fassbar wird in den Quellen, auch Juden vorgeworfen wird und ja Pogrome an Juden legitimiert. Also das sind genau diese die gleichen Dinge, die hier zum Vorwurf gemacht werden. Also da eben auch schon ganz klar werden antisemitische Ideen auch schon in diesem mittelalterlichen, frühneuzeitlichen Hexenglauben verarbeitet. Was machen die Hexen noch, wenn sie nicht tanzen und den Teufel anbeten und Kinder essen? Sie verüben Schadenszauber und diese Schadenszauber kann man in zwei Kategorien einteilen. Das ist ja wie Fluch jetzt allgemein. Schadenszauber können entweder Wetterzauber sein oder Fruchtbarkeitszauber, beziehungsweise eigentlich eher Unfruchtbarkeitszauber. Und Wetterzauber sind, Hexen können Hagel beschwören, sie können dafür sorgen, dass das Korn in der Ehre verfault, sie können Regenstürme beschwören, sie können dafür sorgen, dass Kälte einbricht, dass es ganz kalt wird. Und auf der anderen Seite können sie eben dafür sorgen, dass Männer impotent werden, Penisse verschwinden. Sie können dafür sorgen, dass Frauen entweder unfruchtbar sind oder Fehlgeburten erleiden. Das können sie nicht nur bei Menschen machen, das können sie auch bei Kühen, nur bei Kühen übrigens.
DANIEL
00:32:18
Bei Menschen und Kühen?
SOLVEIG
00:32:19
Bei Menschen und Kühen. Dass sie zum Beispiel dafür sorgen, dass Kühe keine Milch mehr geben. Dafür kriegen sie auch hin. Und dann natürlich sind sie dann verantwortlich, wenn Säuglinge sterben. Das tun sie auch. Sie töten gerne vor allem ungetaufte Babys.
DANIEL
00:32:38
Es gibt mehrere Gründe, die loszuwerden.
SOLVEIG
00:32:40
Ja, weil sie sind für all diese schlimmen Dinge. Zuständig. Und da kommen wir dann nämlich dann auch dazu, warum gerade dieser Hexenglaube in der Art und Weise, wie wir sie im Hexenhammer finden, gerade um um 1400 auftritt und vorher nicht, weil um 1400 die kleine Eiszeit beginnt. Das klingt so süß. Die kleine Eiszeit ist nicht so schlimm wie die große Eiszeit. Sie war aber schon sehr schlimm. Sie reicht dann auch vom 15. Jahrhundert teilweise bis ins 18. und frühe 19. Jahrhundert hinein. Diese kleine Eiszeit sorgt für massive Wetterveränderungen und für das Auftreten von all den Wetterphänomenen, die wir jetzt gerade beschrieben haben. Plötzlich Hagelstürme, lange Winter, kalte, nasse Sommer, wo es dann zu Missernten kommt. Das führt zu richtigen Hungersnöten, aber auch dazu, dass die Menschen nicht so viel Nahrung bekommen. Und wenn Menschen eben nicht so viel Nahrung bekommen, steigt das Risiko von Krankheiten, die Fruchtbarkeit sinkt, das Risiko einer Fehlgeburt zu erleiden als Frau steigt und die Kindersterblichkeit steigt dadurch auch. Und so dass man eben sehen kann, dass dieses Wetterphänomen, also diese Unberechenbarkeit des Wetters, dadurch, dass sich das Klima verändert, dann gibt es eben verschiedene Gründe, warum und auch Thesen. Man kann das nicht so richtig erklären, warum sich das Klima in der Zeit verändert. Es gibt eben die These der Vulkanausbrüche, dass es vermehrte Vulkanausbrüche gegeben hat, wodurch sich die Atmosphäre durch diese Sedimente in der Luft abgekühlt hat. Dass die Sonne nicht so aktiv war in der Zeit. Das sind so unterschiedliche Theorien. Das wird eben jetzt nicht naturwissenschaftlich erklärt, wie wir das heute tun, sondern eben im Aberglauben. Man findet sich eben ganz klar in einer Krisensituation. Es ist nicht nur das Klima. Wir haben die Glaubensspaltung. Katholiken, Protestanten, die gegeneinander Krieg führen. Wir haben die Türkengefahr. Dann im 17. Jahrhundert den Dreißigjährigen Krieg, der noch mal massiv Not und Elend mit sich bringt. Und in dieser Zeit haben wir dann eben diesen Hexenglauben, der jetzt hier Fahrt aufnimmt. Und das darf man, glaube ich, wirklich nicht unterschätzen, wie verzweifelt die Menschen in der Zeit waren. Die waren fest überzeugt, dass die Welt jetzt untergeht. Also die haben damit gerechnet, wenn wir uns auch Bilder, also in der Kunst, angucken. Hier Ronny Mos Bosch ist da sehr bekannt für seine Apokalypsendarstellung. Das kommt in der Kunst auch jetzt vermehrt auf, weil die Leute denken, ja, es ist jetzt soweit. Jesus hat gesagt, er kommt ein zweites Mal. Das ist jetzt so. Die Dämonen kommen in unsere Welt und die Hexen...
DANIEL
00:35:42
Der Antichrist essen.
SOLVEIG
00:35:43
Der Antichrist und die Hexen, diese Verräterinnen, schließen sich den Dämonen an, um gegen uns zu arbeiten. Und jetzt hatte ich schon gesagt, wir hatten eben darüber gesprochen, nicht alle Menschen glauben das, natürlich. Es gibt auch eben viele, die sagen, nee, das ist einfach Aberglaube.
DANIEL
00:36:02
Du hast jetzt gesagt, es gibt Hexen, wie man die erkennt. Haben wir das schon gesagt? Ich hatte gefragt, ob die jungen und schön sind oder alt und hässlich. Ich weiß nicht mehr, was du meinst.
SOLVEIG
00:36:14
Ich habe gesagt, es kann alles Mögliche sein, weil sie eben von Dämonen angesprochen werden.
DANIEL
00:36:18
Das Wichtige ist, sie schlafen mit dem Dämon. Und das, wie die aussehen, ist jetzt erstmal egal. Aber woran erkenne ich die dann, dass die jetzt zaubern kann und der eine Hagel gemacht hat und die andere nicht?
SOLVEIG
00:36:29
Ja, das ist immer so das Thema. Es gibt dann später auch diesen Glauben des Hexenmahls, dass Hexen nach Hexen nach Muttermalen untersucht werden, weil man eben meint, der Teufel im Kontakt mit der Hexe hinterlässt Muttermale an ihrem Körper. Und daran kann man erkennen, dass sie eben mit ihm verkehrt hat, oder Umgang hatte zumindest. Es wird aber auch häufig einfach Zeugenaussagen genommen. Also wenn wir dann in die Hexenprozesse hineingehen, die werden verhört, beziehungsweise es kommt die Anschuldigung, das ist eine Hexe, dann wird die zum Verhör gebracht. Und das Verhör beinhaltet immer die Folter, das gilt nicht ohne Folter. Wenn eine Hexe nicht gefoltert oder in der Hexerei angeklagt, die nicht gefoltert wurde, dann muss der Prozess noch mal neu gestartet werden, weil das sonst ungültig ist. Und wie wir auch heutzutage wissen, unter der Folter irgendwann gesteht wahrscheinlich jeder alles, was die Leute von einem hören wollen. Und die gestehen dann eben, ja, ich habe mich getroffen mit dem Teufel und dann haben wir getanzt und ich habe meinen Namen in sein Buch geschrieben und habe das Kind von der Nachbarin verzaubert und dann habe ich noch die Ernte verdorben. Und die müssen immer einen Namen nennen. Die müssen immer sagen, mit wem sie das gemacht haben. Und dann fallen natürlich Namen und dann sind die dran.
DANIEL
00:38:01
Also das heißt, die eine potentielle Hexe muss sagen, mit wem sie es noch gemacht hat.
SOLVEIG
00:38:07
Ja, also es wird halt immer gefragt, war noch wer dabei? Und da fallen meistens eben andere Namen. Ja, ich weiß nicht mal, ob das dann aus Bosheit passiert oder ich meine, irgendwie wenn du da mit den Daumenschrauben sitzt oder den Weinschrauben, und die fragen dich zehnmal, wer war noch dabei?
DANIEL
00:38:26
War es die Müllerin?
SOLVEIG
00:38:27
War es die Müllerin? Sag, es war die Müllerin. Ja, es war die Müllerin. Deswegen, es wird eben nach Namen gefragt. Man kann dann eben auch sehen, es werden im Gerichtsprotokolle geführt, es werden Verhörprotokolle geführt, dass sie dann manchmal auch im Nachhinein Namen streichen lassen. Aber so rollt die Maschine quasi weiter. Also das ist eben so der Punkt. Ich würde sagen, es haben nicht alle dran geglaubt. Es gibt auch am Anfang noch sehr viele, die sagen, das ist alles Quatsch, das ist Aberglaube, hört da nicht zu oder wir verfolgen das nicht. Aber in dem Moment, wo ich dann wirklich Menschen habe, die angeklagt sind und die dann im Verhör gestehen, dass sie es tun, ist es ja nicht mehr in dem Sinne juristischen Aberglaube, sondern ist ja eine Realität. Es ist passiert. Ich habe jemanden, der gesteht, dass er wirklich auf einem Besen geflogen ist. Und mir erzählt, das hat sie noch mit drei anderen gemacht. Und dann holt man die zum Verhör. Und dann sagen die auch, dass sie das gemacht haben.
DANIEL
00:39:32
Das haben wir schon von mehreren Seiten bestätigt.
SOLVEIG
00:39:35
Und somit also diese Hexenprozesse schaffen damit quasi aus sich selbst heraus Tatsachen.
DANIEL
00:39:40
Ist das jetzt schon, du meintest, er hat auch noch einen Kapitel oder Teil geschrieben, wie ich mich davor schütze. Ist jetzt der Prozess der Schutz vor der Hexe, nachdem was passiert ist? Oder gibt es christliche Zauber, mit denen ich den Hagel abwehren kann, bevor er kommt?
SOLVEIG
00:39:54
Ja, also er führt das aus. Aber das ist auch immer so ein bisschen eigentlich nee, also eigentlich müssen die Hexen vernichtet werden. Also alles andere. Man kann natürlich beten und hoffen, aber das wirksamste Mittel ist natürlich, die Hexen loszuwerden und dafür zu sorgen, dass die auch nicht wiederkommen und auch ihr Wissen nicht weitergeben. Ja, aber das eben auch diese, also es ist ja auch immer dieses Thema bei diesen Hexenprozessen, so nach dem Motto ganz Europa hat seinen Verstand verloren und die drehen durch und das muss man eben glaube ich wirklich so zusammensehen. Man ist in einer absoluten Notsituation oder in einer absoluten Krisensituation und dann haben wir eben tatsächlich noch diese selbst erfüllende Prophezeiung. In dem Moment, wo ich nach Hexen suche, finde ich auf einmal Hexen und ich muss was tun. Und das stoppt dann die Menschen aber nicht. Also es gibt weiterhin Kritiker, aber was passiert mit denen? Die werden dann selbst Hexen. So, wie kann es sein, dass du...
DANIEL
00:40:53
Du kannst aber eine Hexe verteidigen.
SOLVEIG
00:40:53
Ja, oder wie kannst du dich dafür einsetzen, dass es Hexe nicht gibt? Die haben doch alle gestanden.
DANIEL
00:40:58
Was ist da mit den kirchlichen Kritikern? Also ist das so stark, dass jetzt alle plötzlich so Heinrich Kramer-gläubig werden oder?
SOLVEIG
00:41:07
Ja, also das passiert ja nicht in ganz...
DANIEL
00:41:09
Kommen die da doch nochmal aus Köln und sagen, Entschuldige, aber das ist doch alles Mist, was da hier geht.
SOLVEIG
00:41:14
Ja, also das passiert ja nicht zur gleichen Zeit in ganz Europa simultan, sondern das sind immer so Hotspots. Ja, um den Genfer See. In Bamberg, in Lemgo, in Freiburg. Und das passiert immer so, wenn man wirklich sieht, okay, die haben mehrere Jahre Missernte, die hatten einen langen Winter. Auf einmal fangen die da an, diese Prozesse stattfinden zu haben. Und dann hört es auch nach einer Weile wieder auf, aber dann flammt es eben anderswo auf. Und wenn man da guckt, ja auch wieder Probleme. Und also das passiert nicht immer zur gleichen Zeit, sondern immer an verschiedenen Orten. Und da hat man dann eben sehr viel an einem Ort gehäuft. Und es gibt dann eben auch Menschen vor Ort, die sich dann dagegen sperren und sagen, das dürfen wir nicht, das sind dann Bürgermeister oder irgendwelche Ratsmitglieder, Kirchenmänner. Und die werden dann eben auch, ja, wie kann es sein, dass du die verteidigst? Ja, dann musst du ja selber auch einer sein. Du verteidigst deine eigenen Leute. Und da kommen wir auch so ein bisschen dazu. Wir hatten jetzt gesagt, es sind vor allem Frauen, die als Hexen beurteilt werden. Und das ist auch so. Und man hat auch die Gerichtsakten, zumindest die, die noch vorliegen. Das sind natürlich nicht alle erhalten. Ausgewertet, man geht so von der Zahl, so 86 Prozent war der Opfer der Hexenbefolgung waren Frauen. Das ist natürlich schon die Mehrheit. Aber das heißt, 14 Prozent waren Männer.
DANIEL
00:42:49
Da waren mehr Männer dabei, als du bis jetzt erwähnt hast.
SOLVEIG
00:42:53
Und das sind dann eben auch nicht nur irgendwie Männer aus Randgruppen. Es wird dann immer erklärt, das waren dann homosexuelle Männer, die dann verfolgen wurden.
DANIEL
00:43:01
Oder war das jetzt auch der Bürgermeister, der gesagt hat, wir machen das nicht?
SOLVEIG
00:43:05
Ja, und ich habe nämlich so einen Bürgermeister mitgebracht. Zumindest eine Quelle von ihm. Denn beispielsweise in Bamberg, während der Hexenverfolgung, die dort in den 1620ern stattgefunden hat, ist der Bürgermeister von Bamberg, Johannes Junius, tatsächlich auch als Hexer verbrannt worden. Also hingerichtet worden durch das Verbrennen. Und interessant bei Johannes Junius ist eben, dass wir ein Selbstzeugnis von ihm überliefert haben. Er hat nämlich kurz vor seinem Tod, so ungefähr zwei Wochen vorher, seiner Tochter einen Brief geschrieben. Und was er da drin schreibt, finde ich, sagt eben sehr viel aus über die Hexenprozesse in dieser Zeit. Und er schreibt, unschuldig bin ich in das Gefängnis gekommen, unschuldig bin ich gefoltert worden, unschuldig muss ich sterben. Denn wer in das Haus kommt, der muss ein Drutner, das ist deren Bezeichnung für Hexer, werden oder wird so lange gefoltert, bis er sich etwas ausdenkt und dann Gott erbarme sich gesteht. Ich sterbe also unschuldig und wie ein Märtyrer. Du darfst offen für mich schwören, dass ich kein Drutner bin, sondern ein Märtyrer und damit sterbe. Zu tausend guter Nacht, denn dein Vater Johannes Junius sieht dich nimmer mehr. 24. Juli 1628. Und am 6. August 1628 ist er dann tatsächlich auf dem Scheiterhaufen.
DANIEL
00:44:34
1628? Das ist jetzt irgendwie so 100 Jahre, nachdem ich mir die Hexenprozesse vorgestellt hatte.
SOLVEIG
00:44:42
Ja, also es ist schon in der Endphase, also so in den 1650ern hört es im Reich auf. In England, in den USA geht das noch länger, bis so in die 1710er, 20er, aber eben im Reich Mitte, Spätes, 17. Jahrhundert ist es vorbei. Und vielleicht ist dir auch am 1628 aufgefallen, was in der Zeit so los war im Reich. Ja, es ist die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Bamberg ist kurz darauf von den Schweden erobert worden. Und mit der Eroberung durch die Schweden hört das dann auch auf. Das heißt, die Schweden waren schlauer? Ja, ich weiß es nicht. Die Skandinavier hatten einen anderen Hexenglauben. Aber jetzt hatte ich vorhin gesagt, dass die katholische Kirche, die diese Verfolgung nicht gemacht hat und dass der Papst eben gesagt hat, es gibt keine Hexen und sich da auch immer gegengestellt hat. Und das stimmt auch. Aber trotzdem haben einzelne Kirchenmänner da mitgemacht. Wie im Bamberg hat nämlich der Fürstbischof diese Hexenprozesse führen lassen.
DANIEL
00:46:09
Stimmt, die sind ja auch weltliche Gewalt.
SOLVEIG
00:46:11
Genau. Und da muss man dann eben im Don doch differenzieren. Die katholische Kirche, wenn wir jetzt von der päpstlichen Kirche sprechen, sagt nein, lasst es sein. Aber es gibt durchaus eben einzelne Personen, die dann ihre Gerichtsbarkeit nutzen, ihre Fürstbischöflichkeit.
DANIEL
00:46:34
Klingt schon wie der Papst. Da sagst du, die Kirche ist nicht schuldig, aber natürlich gibt es die Sünder in der Kirche.
SOLVEIG
00:46:41
Ja, so ist es auch ein bisschen. Tatsächlich hat dieser Fürstbischof auch mehrere Todesurteile eben verhängt und vollstreckt. Und da gab es dann tatsächlich auch Intervention vom Papst, der dann hinschrieb, lasst es sein, tu es nicht, hör jetzt auf. Das hat er in einem bestimmten Fall getan und da war die Frau aber dann leider schon tot. Sorry, habe ich nicht mitgekriegt. Also da muss man dann eben doch noch mal sagen, man kann eben nicht die katholische Kirche so komplett absolvieren. Einzelne Personen haben da schon mitgemacht.
DANIEL
00:47:22
Auch schon wichtige Personen.
SOLVEIG
00:47:24
Auch schon wichtige Personen. Fürstbischof von Bamberg war da überzeugt. Aber eben von der obersten Autorität war immer gesagt, nein, das unterstützen wir nicht. Genau.
DANIEL
00:47:38
Und es waren auch Protestanten.
SOLVEIG
00:47:40
Ja, genau. Ja, ganz genau. Auch ein Martin Luther hat den Hexenglauben stark gefördert. Also es waren eben nicht nur die böse katholische Kirche.
DANIEL
00:47:54
Das hat vielleicht auch was mit seinem Antisemitismus zu tun.
SOLVEIG
00:47:55
Wahrscheinlich. Und deswegen, es waren auch die böse protestantische Kirche, die da mitgemischt hat. Es waren eigentlich alle böse. Außer der Papst.
DANIEL
00:48:04
Der?
SOLVEIG
00:48:10
Also zumindest in Bamberg zu der Zeit war es Urban VIII., der gesagt hat, nein, lass es sein. Genau, also es hängt eben nicht von der Konfession ab. Beide Konfessionen konnten da mitmischen, wenn sie wollten. Und sie wollten teilweise eben.
DANIEL
00:48:30
Wieso haben sie dann nicht bis, du hast ja gesagt, kleine Eiszeit ging bis 1900 fast. Oder 1800.
SOLVEIG
00:48:39
Was meint das?
DANIEL
00:48:40
Schon so frühe Industrialisierung.
SOLVEIG
00:48:43
Ja, es geht glaube ich schon in die 1820er noch mit rein.
DANIEL
00:48:47
Und warum haben sie nicht bis dahin durchgemacht? Weil dann kam die Aufklärung.
SOLVEIG
00:48:51
Ja natürlich. Und die Aufklärung hat das... Nein, es war vorher schon so. Also die Aufklärung schreibt sich das immer so gerne auf die Fahne. Wir haben den Hexenglauben besiegt. Das haben sie vorher auch schon gemacht. Also tatsächlich eben so ab der Mitte des 17. Jahrhunderts, ein bisschen früher, gibt es eben dann doch mehr und mehr, die eben sagen, das mit der Folter könnt ihr einfach nicht machen. Also es wird eben gerade das Einsetzen der Folter in den Verhören kritisiert. Wie ja auch Johannes Junius das schon selbst sagt. Ich habe gestanden, weil die mich gefoltert haben. Das sagen dann eben auch andere Autoritäten und sagen, die Folter bedingt diese Aussagen. Und wenn ihr aufhört, die Menschen zu foltern, werden die auch nichts mehr gestehen. Und dadurch findet dann auch so ein bisschen so ein Wandel statt, dass die Menschen dann eben sagen, okay, vielleicht doch nicht. Muss aber dann auch dazu sagen, dass das Klima sich so ein bisschen beruhigt und auch diese anderen Krisensituationen nachlassen. Der Dreißigjährige Krieg hört auf. Sobald der aufhört, nehmen auch die Verfolgungen ab. Die Türken kommen nicht wieder. Das Osmanische Reich. Genau, also Türkenkriege ist eben so der Quellenbegriff. Deswegen rutscht mir das immer aus. Ja, das ist das Schlagwort der Zeit. Aber es ist natürlich das Osmanische Reich, das eben expandiert. Und auch da hört die Expansion eben auf. Und das heißt, diese Dinge, die einwirken auf diese Massenpanik, die nehmen ab und auf einmal findet das nicht mehr statt.
DANIEL
00:50:30
Ich bin so, wo sind sie denn?
SOLVEIG
00:50:32
Wo sind sie denn? Und dann kommt die Aufklärung, dann ist alles so gut.
DANIEL
00:50:35
Dann geht die Sonne auf.
SOLVEIG
00:50:36
Dann geht die Sonne auf. Jetzt ist natürlich die Frage, wie kommt denn eigentlich ein Jakob Grimm dann, wir haben uns das jetzt auch für dich angeguckt, auf die Idee, dass all diese Frauen, die da zwischen 1550 und 1650 im Reich verbrannt wurden und auch die Männer, eigentlich Anhänger einer germanischen Urreligion waren und irgendwelches heidnisches Wissen bewahrt haben über 1200 Jahre hindurch. Und ich glaube, dass ich das erklären kann darin, dass vor allem Hebammen Opfer der Hexenverfolgung waren, zumindest im Reich. Ja, lass mich ausführen. Gerade auch Heinrich Kramer hat tatsächlich ein ganzes Kapitel oder beziehungsweise mehrere Kapitel, wo er schreibt, dass gerade die Hebammen die bösen sind und die schlimmsten Hexen sind, die es gibt und die sind auch die, die die Kinder umbringen.
DANIEL
00:51:48
In der Diözese Basen, in der Stadt Dahn, hatte eine Eingeäscherte gestanden, mehr als 40 Kinder der Gestalt getötet zu haben, dass sie ihnen, sobald sie aus dem Mutterleib hervorkamen, eine Nadel in die Köpfe, durch den Scheitel bis ins Gehirn, stach. Aus welchem Grund aber tun die Hebammen so etwas? Man muss jedenfalls annehmen, dass sie durch das Drängen böser Geister gezwungen werden, solches zu tun, bisweilen auch gegen ihren Willen. Denn der Teufel weiß, dass solche Kinder wegen der Strafe für den Verlust der Taufe bzw. der Erbsünde vom Eintritt in das himmlische Königreich ausgeschlossen werden. Wenn nämlich ein Kind geboren ist, trägt es die Hebamme, falls die Wöchnerin nicht schon selber eine Hexe ist, als wollte sie eine Verrichtung zur Erwärmung des Kindes vollbringen, aus der Kammer heraus und hebt es in die Höhe dem Fürsten der Dämonen, d.h. Luzifer und allen Dämonen entgegen. Sie, die Hexen, opfern es, und zwar an einer Kochstelle über dem Feuer.
SOLVEIG
00:53:19
Das heißt, wir haben eben diese Frauen, die doch schon geschult sind in einem gewissen Bereich in medizinischem Wissen. Und warum gerade Kramer die Hebammen eben so schlecht macht, hat glaube ich eben damit zu tun, dass hier der plötzliche Kindstod auch wieder in eine Erklärungsbedürfnis gebracht wird oder erklärt wird, weil natürlich auch dieses Kindersterben ein großes Problem ist, agrarische Gesellschaften, wie wir das eben in der frühen Neuzeit haben, die sind sehr darauf angewiesen, dass man Kinder hat. Und ich glaube auch, dass die traurig waren, wenn ihre Babys sterben. Wahrscheinlich. Und man sich dann eben irgendwie ein Erklärungsmuster gesucht hat, wie es jetzt passieren kann, dass dieses Baby, das doch eben noch so gesund war und so munter, jetzt auf einmal tot ist. Und das sucht man dann meistens natürlich bei Menschen, die vielleicht nicht unbedingt aus der eigenen Familie stammen, aber sehr viel mit dem Kind zu tun hatten. Und das sind dann die Hebammen. Und diese Hebammen, da kommt dann eben Grimm und auch diese anderen Menschen, die diesen Ideen anhängen, dass diese Hebammen eben Kräuterwissen hatten und deswegen verfolgt wurden, weil man eben ihre Selbstständigkeit beenden wollte. Sondern eben diese weibliche Medizin sollte da dem ein Ende gesetzt werden. Und nur noch die gute, nachvollziehbare, männlich studierten Mediziner sollten sich dann da durchsetzen. Auch das ist eben schon ganz klar geprägt von diesen Ideen, die da mitschwingen. Ganz interessant, wie gesagt, wir haben immer dieses Kräuterwissen, das so mitschwingt. Hexen, die können Kräuter und können sich damit aus. Und deswegen werden sie verfolgt. Das war auch so, das ist so eine grimmsche Idee. Heinrich Kramer meint das anders. Das finde ich nämlich so spannend, dass wir das immer mit den Kräutern... Die Hebammen haben Wissen über Kräuter. Und dieses Kräuterwissen, das möchten die eben... Die treiben ab, die verhüten. Und das sind eben so Dinge, die in der Gesellschaft nicht angesehen waren. Und deswegen werden die Hebammen eben ausgegrenzt. Und Heinrich Kramer schreibt...
DANIEL
00:55:48
Über die ersten beiden Arten besteht kein Zweifel, da ein Mensch durch natürliche Mittel ohne Hilfe der Dämonen, wie durch Kräuter und andere Mittel bewirken kann, dass eine Frau nicht gebären oder empfangen kann, wie oben angeführt worden ist.
SOLVEIG
00:56:09
Also wir sehen hier, dass Heinrich Kramer Wissen um Kräuter nicht mit Dämonen verbindet, sondern sagt, ja, es gibt auch Kräuter. Aber ja, beziehungsweise die Kräuter können das auch, aber die Dämonen sind auch noch viel besser. Und das ist auch immer so diese Vorstellung mit diesem Kräuterwissen, wo ich immer so denke, was denkt ihr denn, was die da im Mittelalter für medizinische Kenntnisse hatten? Also das Kräuterwissen wird immer so als das spezielle verborgene Wissen der Frau im Wald.
DANIEL
00:56:42
Ja, das kannst du auch alles nachlesen, welche Kräuter für was sind.
SOLVEIG
00:56:45
Genau, das ist so der Punkt. Die Mönche schreiben das auch.
DANIEL
00:56:49
Muss man halt rechtzeitig ins Kloster gehen, damit die nicht als Hexe verbrannt werden. Nein!
SOLVEIG
00:56:53
So was soll denn... Das medizinische Wissen des Mittelalters basiert auf Kräutern. Also auch die Ärzte, die da in der Sorbonne studieren, lesen vielleicht noch Galän, aber kommen dann auch mit, trinken Kräutersaft. Das ist das normale medizinische Wissen der Zeit, mit Kräutern zu arbeiten. Das ist nichts Spezielles oder Besonderes, weil das ist eben normal. Deswegen muss man sich das auch nochmal klar machen. Das Kräuterwissen ist jetzt nicht ausgestoßen. Kein Hexenwerk. Deswegen finde ich eben ganz interessant, dass Kramer das selber schon sagt, es gibt die Kräuter, aber die Dämonen gibt es auch. Und das hat nichts miteinander zu tun. Und ich gehe mal davon aus, dass eben durch diese, dass diesen Hebammen eben so Wissen zugesprochen wurde im 19. Jahrhundert, dass das dann eben erklärt, das waren eigentlich weise Frauen, die besonderes Wissen hatten, vielleicht heidnisches Wissen hatten und deswegen verfolgt worden sind. Wo ich aber eben glaube, nee, die wurden wahrscheinlich verfolgt, weil Menschen sie dafür verantwortlich gemacht haben, dass ihre Babys gestorben sind und genau und damit sind wir zumindest am Ende, was ich vorbereitet habe.
DANIEL
00:58:11
Ich fand eine ganze Menge, ich finde das sehr spannend. Ich frage mich jetzt die ganze Zeit, keine Ahnung, ob wir jemandem zu nahe treten, der sich, der an Hexen glaubt.
SOLVEIG
00:58:21
Genau, also ich möchte niemandem das irgendwie schlecht machen oder ihn irgendwie lächerlich machen oder bloßstellen. Jeder, der daran glaubt.
DANIEL
00:58:30
Es geht nur um die Hexenideen, die es in der Geschichte gab und woher die womöglich kommen.
SOLVEIG
00:58:34
Also wenn sich da jemand eben spiritualistisch und esoterisch ausrichtet oder ausgerichtet hat und sich da wohlfühlt, das möchte ich bloß niemandem absprechen, auf gar keinen Fall. Ich möchte nur eben...
DANIEL
00:58:49
Solange die Dämonen da nicht mit ansehen.
SOLVEIG
00:58:51
Ja, ich möchte eben nur darauf hinweisen, dass das eben nichts mit den Hexenprozessen der frühen Neuzeit zu tun hat. Und man sah, sich eben nicht darauf beziehen sollte, weil diese Menschen eben aus anderen Gründen gefoltert worden sind und getötet worden sind, als das, was man eben heutzutage daraus gemacht hat. Und darum ging es mir, das so ein bisschen aufzudröseln, so unsere verschiedenen Vorstellungen von Hexen, woher die kommen, wie die entstanden sind.
DANIEL
00:59:27
Und was wäre jetzt aktuell dein Lieblings-Hexen-Serie/-Film, der ein Bild vermittelt, das du mitträgst?
SOLVEIG
00:59:40
Wir hatten ja eben schon darüber gesprochen. Ich habe ja jetzt tatsächlich den Film Nebel von Avalon am Wochenende nochmal geguckt in Vorbereitung für heute. Und ich muss sagen, ich fand den super. Historisch gesehen ist da nichts korrekt. Leider. Ich war auch sehr enttäuscht. Aber ansonsten ist das ein super Film. Ich hatte Freude. Ich hatte Spaß.
DANIEL
01:00:01
Ich muss den nochmal raussuchen.
SOLVEIG
01:00:05
Ich glaube, der war eine Zeit lang bei Netflix. Ich weiß nicht, ob er jetzt noch bei Netflix ist. Vielleicht ist er bei Amazon. Ach du hast ihn auf DVD. Von damals noch. Also wie gesagt, ich hatte Spaß. Und noch einmal, es soll niemandem zu nahe getreten sein, wenn er sich in diesen Vorstellungen wohlfühlt. Aber historisch.
DANIEL
01:00:30
Auf jeden Fall wollten wir einem zu nahe treten und das ist Heinrich Kramer.
SOLVEIG
01:00:34
Ja, der.
DANIEL
01:00:35
Oder wie er heißt? Institoris. Kann man sich noch so lateinisch nennen, hilft auch nicht. Die Arschloch bleibt Arschloch. Ja, das war das Schlusswort, denke ich. Kraftvoll, wie Stolberg es manchmal zustande bringt. Und ich hoffe, ihr hattet Vergnügen dabei, durch diese Geschichte der Hexerei oder der Hexen-Bilder eher mit uns durchzugehen. Ich auf jeden Fall habe jetzt einiges Neues gelernt und habe auch Lust, im Hexenhammer zu lesen. Oder bestimmte Filme noch mal anzuschauen. Wenn ihr auch schon gespannt seid, was als Nächstes kommt, dann abonniert doch gleich unseren Kanal. Und natürlich dürft ihr uns auch bewerten, wenn euer Podcastanbieter das zulässt.
SOLVEIG
01:01:20
Oh, bitte nicht.
DANIEL
01:01:23
Oh doch, wer ist auch kritikfähig? Nehmen wir auch an. Selbstverständlich. Ihr dürft uns auch direkt schreiben. Insbesondere wenn ihr Fragen habt, dann schreibt ihr an: kontakt@flurfunk-geschichte.de und Zusatzinformationen, Links und was wir sonst versprochen haben, stellen wir dann demnächst auf unserer Seite online. Und das ist dann natürlich www.flurfunk-geschichte.de. Und ihr hört uns demnächst wieder. Macht's gut.
SOLVEIG
01:01:52
Bis dann.
DANIEL
01:01:52
Bis dann.