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Dein Geschichtspodcast mit Daniel und Solveig

FG023 - Non habemus Papissam

13.06.2023 39 min

Zusammenfassung & Show Notes

Gab es eine Päpstin als Nachfolgerin des Apostelfürsten Petrus im Vatikan? Hat eine Geschichtsfälschung Päpstin Johanna aus den Annalen des 9. Jahrhunderts verschwinden lassen?
Der populäre Roman der amerikanischen Autorin Donna Woolfolk Cross erschien 1996 und dürfte in manchen Regalen zusammen mit Romanen über starke Hexen zu finden sein. In Deutschland wurde die Geschichte spätestens durch die Verfilmung bekannt. Dabei wird die Geschichte der Päpstin Johanna als feministische Geschichte gelesen. Die eigentliche Geschichte ist weder wahr, noch ein feministisches Vorbild.
Für die populären Vorstellungen einer Päpstin Johanna ist hauptsächlich der Dominikaner Martin von Troppau verantwortlich. Dieser Verfasste eine einflussreiche Chronik von Päpsten und Kaisern und löste mit einem Halbsatz die langlebige Verschwörungstheorie aus. Ausgeschmückt wurde das Ganze dann in der Schedelschen Weltchronik im 15. Jahrhundert. Demnach gebar Johanna auf dem Pilgerweg nach San Giovanni in Laterano bei der Kirche San Clemente ein Kind und flog dadurch auf. Eine nicht mehr existierende Inschrift soll früher an der Kirche auf das Ereignis verwiesen haben. Tatsächlich hatte sie wohl mehr mit der weit in die Antike zurückreichenden Geschichte des Gotteshauses und dem dort einst praktizierten Mithraskult zu tun.
Die Geschichte gefiel vor allem jenen, die noch eine Rechnung mit dem Papsttum offen hatten. Fromme Kirchenmänner konnten damit auf die Verderbtheit der Frau im Allgemeinen und einer Zeit machtvoller Frauen im Besonderen verweisen. So ist das wahrscheinlich nicht der als "weibisch" beschriebene Papst Johannes VIII. das Vorbild für Johanna, sondern die machtvolle römische Senatrix Marozia. Sie galt als "die Böse Mutter aller Unzucht" und ihre Zeit der Herrschaft römischer Adelsfamilien als "Pornokratie".
Die Legende um Päpstin Johanna hat also wenig mit feministischer Emanzipation zu tun, sondern vielmehr mit Phantasien von Sex, Macht und Herrschaft.

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#Mittelalter #Antike #Italien #Papst #Kirchengeschichte #Mythen

Transkript

SOLVEIG
00:00:05
Singen wir jetzt immer am Anfang.
DANIEL
00:00:07
Was sagen wir denn? Habemus?
SOLVEIG
00:00:10
Papessa?
DANIEL
00:00:15
Irgendwas? Ich kann leider den Text nicht auswendig. Johanna Cardinal.
SOLVEIG
00:00:22
Johanna hieß sie. Implizier das nicht schon, als ob sie gegeben hätte.
DANIEL
00:00:56
Ja, es ist schön, dass wir zusammensitzen. Mal wieder. Eigentlich immer noch. Denn wir sind sitzen geblieben seit der letzten Folge, um noch eine Kurzgeschichte für euch aufzunehmen. Und es geht noch wieder um Frauen. Solvayk hat sich beruhigt seit der letzten Folge, ich hoffe. Aber sie hat damit gedroht, es könnte noch mal emotional ausatmen. Weil sie sehr berührt ist von Päpsten.
SOLVEIG
00:01:24
Das kann auch anders verstanden werden.
DANIEL
00:01:29
Nicht in den aktuellen Kontexten. Also irgendwann werdet ihr eine größere Publikation lesen können. Über Papsts Briefe. Also leg los, was ist denn da jetzt los mit den Päpsten?
SOLVEIG
00:01:58
Ja, nichts ist los mit den Päpsten. Ist eher die Frage, was ist los mit der Päpstin?
DANIEL
00:02:04
Ja, die hat sich da wahrscheinlich anders angezogen. So eine große Kurzarfrisur und so eine Kutte kann man viel verbergen. Aber das hat sie dann ihr Leben lang gemacht, weil sie muss ja erst mal Kardinal werden. Oder musste man das damals nicht?
SOLVEIG
00:02:20
Na gut, erst mal, dass die Frage, gab es die wirklich überhaupt? Weil es ist ja eine große Geschichte und ein großes Thema, das die Menschen ja immer beschäftigt. Denn tatsächlich, wenn man Leuten, die jetzt vielleicht auch nicht so Geschichte als Hobby haben, sondern immer mal wieder nur ein paar Dinge aufschnappen, man denen erzählt, ja, ich beschäftige mich mit dem Papstum und dem Mittelalter. Das ist das Erste, was dann kommt, weil das bei den Leuten so hängt.
DANIEL
00:02:46
Aber das liegt auch an einem Roman, oder?
SOLVEIG
00:02:49
Ja, namens die Päpstin.
DANIEL
00:02:51
Aber wer hat ihn geschrieben?
SOLVEIG
00:02:53
Das habe ich jetzt nicht vorbereitet. Weil ich mich ja grundsätzlich dagegen stellen möchte.
DANIEL
00:03:00
Du verratest doch nicht immer alles am Anfang. Doch, natürlich. Wann ist es denn eigentlich? Ist es Mittelalter, Neuzeit?
SOLVEIG
00:03:07
Nein, es ist tatsächlich Mittelalter. Es ist auch tatsächlich sehr frühes Mittelalter.
DANIEL
00:03:13
Ja, da haben die das doch öfter nicht mitgekriegt, wenn eine Frau sich männlich verkleidet hat. Oder war das bei Jean D'Arc nicht auch so? Ich ziehe mir eine Rüstung an, da sieht ja keiner, dass ich eine Frau bin.
SOLVEIG
00:03:21
Also erstens wussten alle bei Jean D'Arc, dass sie eine Frau ist.
DANIEL
00:03:23
Sofort?
SOLVEIG
00:03:24
Ja, das wussten alle von Anfang an.
DANIEL
00:03:26
Ich dachte, als sie sich dann rausgefunden haben, haben sie sie verbrannt.
SOLVEIG
00:03:28
Nein, nein, nein. Sie haben sie verbrannt, als der König bekommen hatte, was er wollte und sie nicht länger hilfreich war. Aber das wussten tatsächlich alle, dass sie eine Frau ist. Sie war nur Berufin von der heiligen Katharina und der heiligen Barbara, die Rüstung anzuziehen als Frau. Und genau, bei der Johanna war es eben anders. Der hat man anscheinend nicht angesehen, dass sie eine Frau gewesen ist. Wobei das auch... Da gibt es so einen schönen Mr. Bean-Sketch. Ich weiß nicht, ob du den kennst. Nein, aber über Frauen, die sich als Männer vergleiten. Da ist es dann auch eine Frau, die dann eine Polizistenuniform trägt. Und die Haare sind dann unter der Mütze. Und er kapiert es nicht. Das ist, glaube ich, nicht Mr. Bean, sondern... Wie heißt der richtig? Erwin Atkinson heißt er richtig. Das ist vielleicht so ein Sketch einfach mit ihm. Wo er einfach die Mütze vom Kopf unterreißt und meint, du bist eine Frau, das erkenne ich trotzdem.
DANIEL
00:04:34
Haben die Kardinale da offenbar nicht gemacht damals?
SOLVEIG
00:04:37
Es gibt ja das Gerücht, dass seitdem die Päpste sich vermeintlich auf diesen Stuhl setzen müssen, wo man ihnen dann unter das Kleid greift, um zu testen, dass sie wirklich Männer sind.
DANIEL
00:04:48
So, jetzt aber nochmal von vorne. Also es gibt diesen Roman über die Päpste hin. Ist unsere ganze Vorstellung darüber, dass es die gab und über den Stuhl und alles andere vor allem mit diesem Roman verbunden? Oder gibt es eben vorher schon Gerüchte?
SOLVEIG
00:05:03
Es gibt vorher schon. Also die Legende der Päpste besagt, dass es Ende des 9. Jahrhunderts, nicht 19, ich bin so gefroren, 19 zu sagen, Ende des 9. Jahrhunderts eine Päpste namens Johanna gegeben habe. Und da kommen wir jetzt einfach in mittelalterliche Überlieferung. Die Geschichte spielt im 9. Jahrhundert, taucht aber das erste Mal im 13. Jahrhundert auf. Also da sind schon ein paar Jahrhunderte zwischen. Und Martin von Troppau ist der Erste, der diese Geschichte verfasst. Das ist ein Dominikanermönch. Und der hat eine Papstliste verfasst in seiner Chronica Pontificium et Imperatorum, also die Chronik über die Päpste und Kaiser. Und da hat er 1277, hat er die verfasst. Ein Jahr darauf ist er gestorben, vielleicht. Und da steht eben Johanna drin, dass die da im 9. Jahrhundert gewählt wurde. Und diese Geschichte wurde danach von mehreren Autoren aufgegriffen. Und der bekannteste ist dann der Autor der Schedelschen Weltchronik, die 1493 geschrieben wurde. Und da habe ich dir jetzt einmal die Geschichte mitgebracht. Ich habe sie aber ins moderne Deutsch übertragen. Also in der Schedelschen Weltchronik steht sie im, ich glaube, das niederdeutscher Dialekt. Habe ich jetzt zur Einfachheit einfach mal ins Hochdeutsch gepackt. Und da steht dann. So erlangte sie mit Lesen und Schafen im Schein eines Mannes und der Verborgenheit ihrer Weiblichkeit in Rom solche Gutwilligkeit und Glaubwürdigkeit, dass sie nach dem Tod Papst Leos einstimmig zum Papst-Ekkoren wurde. Aber sie wurde kurz darauf von einem ihrer Diener geschwängert. Und als einige Zeit vor Bagei gegangen war und sie eines Tages nach St. Johannes im Lateran gehen wollte, dabei kam sie auf dem Weg zwischen der Engelsburg und St. Clemente wehen und gebar und starb an der gleichen Stelle. Das ist eine kurze Geschichte gemäß der Schedelschen Weltchronik. Und das ist dann auch die Geschichte, auf der dann dieser Roman aufbaut.
DANIEL
00:07:30
Aber das ist alles, das ist alles, was wir wissen sozusagen.
SOLVEIG
00:07:32
Ja, das ist alles, was wir wissen.
DANIEL
00:07:35
Und der Eintrag bei dem Dominikanermensch. Aber der hat doch nichts zu geschrieben, der hat nur die Namensliste gemacht, oder?
SOLVEIG
00:07:41
Das muss ich, ich gehe davon aus, vielleicht hat er da auch nochmal darauf verwiesen, dass es eben eine Frau war. Ähm, wenn ich das kurz sehe, genau, also das...
DANIEL
00:07:49
Achso, aber der Dominikanermensch hat auch einen weiblichen Namen eingesetzt.
SOLVEIG
00:07:53
Jaja, genau, da kommt es ja her. Also Martin von Troppau ist der Erste, der sagt, dass es diese Johanna gegeben hätte. Und das ist dann immer wieder aufgegriffen worden und dann eben so schön in der Schedelschen Weltchronik festgehalten worden. Und da ist natürlich so die Frage, wo kommt jetzt diese Geschichte her? Weil es geben auch eben heutzutage noch Anhänger, die meinen, dass das stimmt. Also dass das wirklich diese Päpstin gegeben habe und dass das vertuscht wurde von der Kirche. Und sie führen dann eben an, wie hier jetzt in der Schedelschen Weltchronik steht ja drin, dass sie auf dem Weg nach San Johannes im Lateran, also das ist der Lateranpalast in Rom, auf dem Weg von der Engelsburg dorthin bei San Clemente gestorben sei. Und da gibt es dann auch noch so andere Versionen, dass das bei einer Prozession passiert sei, dass das Publikum oder die Zuschauer hätten sie beobachtet, hätten das dann mitbekommen, dass sie dieses Kind geboren hat und hätten sie darauf hingehen dann gesteinigt. Also hier klingt es jetzt eher so, als ob sie dann bei der Geburt gestorben wäre. Und es gibt bei San Clemente so eine Inschrift, bzw. gab es die mal, die gibt es nicht mehr. Und das war eine Weihinschrift und das war PPPP. Und das wurde dann aufgelöst von Personen, die dieser Geschichte der Päpstin glauben. Hier ist, also aus dem Lateinischen, hier ist die Päpstin gestorben oder das Angesicht der Päpstin erkannt worden oder so. Und deswegen, also so wurde das aufgelöst. Es steht nur PPPP durch.
DANIEL
00:09:29
Ja, aber das macht man, damit man extra dann an die vertuschte Päpstin nochmal schön in lateinischen Lettern an der Kirche St. Clemente erinnert.
SOLVEIG
00:09:39
Und an der Stelle gab es oder die heißt dann irgendwie auch die Papessastraße oder so. Ja, irgendwie so in der Art. Das liegt aber eher daran, dass seine Familie gewohnt hat. Also es ist in Rom genau da, wo es St. Clemente sich befindet. Diese Kirche, die liegt eben im Südosten der Stadt auf dem Weg, eben auf der Prozessionsweg zum Lateran. Und da gab es Familien oder Geschlechter-Türme nennt sich das. Da haben eben diese Familien drin gewohnt und ihre Türme gebaut. Das haben die in ganz Italien gemacht. Siena hat die auch noch sehr schön. Da sind die noch erhalten. Ja genau, San Gimignano. Und da hat eine von diesen Familien hatte da scheinbar irgendwie ihr Haus. Und die hießen irgendwie ähnlich. Und deswegen ist das dann Papessa geworden. Und Papessa ist dann natürlich Pelbstin und passt das sehr schön. Und ein weiteres Argument ist, dass eben kurz darauf, wobei dann kurz darauf ist dann natürlich auch so die Frage, was meint ihr mit kurz darauf, sich der Prozessionsweg verändert hat. Dass die diese Straße nicht mehr verwenden, die da an St. Clemente vorbeiführt, bei Prozessionen durch Rom. Und dass das natürlich dann, das war um diese Schande zu vertuschen, weil man dort nicht mehr lang gehen wollte, weil das eben beschmutzt wurde von diesen Verbrechen. Das muss man aber auch sagen.
DANIEL
00:10:58
Also man hat Quellen darüber, wo im 10. Jahrhundert die Prozessionsweg von St. Peter zu Lateran ging?
SOLVEIG
00:11:06
Es gibt Beschreibungen, welche Kirchen besucht werden. Also wo die hingehen. Weil es gibt ja diese Prozession, wo alle sieben Kirchen besucht werden müssen.
DANIEL
00:11:15
Muss man doch schaffen, glaube ich, wenn man da den vollständigen Ablass haben möchte. Es gibt heute noch so einen Aushang. In St. Paul vor den Mauern habe ich mir durchgelesen, dass man das alles da schaffen muss. Ich weiß nicht, ob an einem Tag, aber ich glaube schon.
SOLVEIG
00:11:28
Ich weiß es gar nicht.
DANIEL
00:11:29
Man muss natürlich dann beichten und die Messe besuchen.
SOLVEIG
00:11:33
Ich glaube nicht an einem Tag, aber in der Zeit, wo du da bist. Wenn du in Rom bist, musst du das alles einmal machen. Ich glaube nicht an einem Tag.
DANIEL
00:11:42
Liefern wir nach.
SOLVEIG
00:11:44
Für die Reise. Eventuell, das muss ich gestehen, habe ich jetzt nicht so nachgeprüft in den Quellen. Kann es sein, dass da vielleicht Straßen genannt werden, wo man dann langgeht und das hat sich vielleicht verändert?
DANIEL
00:11:54
Aber St. Clemente ist keine von den Siegen Kirchen.
SOLVEIG
00:11:56
Nein, es ist eine Kardinalskirche tatsächlich. Es ist eine Titular-Kirche.
DANIEL
00:12:00
Ist das die, wo es mehrere Epochenstufen gibt? Wo dann unterirdisch noch eine ältere und dann noch mal eine heilige Kultstätte ist?
SOLVEIG
00:12:10
Da komme ich nämlich gleich zu mit dieser Inschrift, mit dem PPP, wo das wahrscheinlich eher herkommt. Ich wollte nur noch kurz mit dieser Straße. Wenn man da mal war, dann versteht man, wenn sie da was geändert haben. Warum? Weil das ist da super eng. Das ist eine wirklich enge Straße.
DANIEL
00:12:25
Ist da wirklich mal jemand bei einer Panik umgekommen?
SOLVEIG
00:12:28
Ist da irgendwie zu Tode gequetscht worden. Es ist eher wahrscheinlich, dass sie die Strecke geändert haben, weil es dort zu eng wurde und man sagte, wir gehen den anderen Weg, das ist hier Quatsch. Also das ist eher wahrscheinlich, als weil man dort irgendwie sich erinnert hat, dass da mal was Schlimmes passiert ist. Und genau, mit San Clemente ist das nämlich tatsächlich. Deswegen, ich erwähne es immer, wo es geht. Das ist meine Lieblingskirche.
DANIEL
00:12:52
Dann, Liebe Solveig, wir nehmen das ja hier immer im wunderbaren Berliner Ortsteil Wedding auf. Und im Wedding ist ja momentan der Ausweichsitz des katholischen Erzbischofs von Berlin, nämlich St. Joseph in der Müllerstraße. Das schaffen wir heute wahrscheinlich nicht mehr, wenn der Angelus wurde schon geläutet. Der abendliche. Aber nächstes Mal gehen wir zusammen zu St. Joseph, denn da gibt es, das ist natürlich 19. Jahrhundert, aber ein sehr schönes, nach vollständig nachgebildete Absismosaik der Kirche St. Clemente in Rom. Also wenn du ein bisschen Sehnsucht hast, musst du einfach in den Wedding kommen.
SOLVEIG
00:13:34
Aber tatsächlich ist es, warum ich es so toll finde, eher das, was du schon angesprochen hast, dass da nämlich mehrere Zeitschichten übereinander gebaut sind. Denn die haben dort irgendwann im 3. Jahrhundert, scheinen sie da eine erste Kirche gebaut zu haben, die wurde dann ausgebaut. Und dann im Anfang, nee, im 12. nein, Ende des 11. Jahrhunderts, Anfang des 12. Jahrhunderts, wurde die nochmal komplett neu aufgebaut. Das heißt, die haben dann das Gewölbe der alten Kirche abgerissen, haben das zugeschüttet mit Schutt und haben dann die neue, die jetzt eben auch da steht, aufgebaut und haben dann auch sehr, sehr viel noch, also von der Scola...
DANIEL
00:14:11
Jahrhundert ist ja auch schon verdammt alt. Wenn man dann da die Treppe runtergeht und hat wirklich das Gefühl, ich gehe jetzt in die Zeitschichten rein. Total krasser Ort.
SOLVEIG
00:14:20
Und die haben das dann eben, die Scola Cantorum haben sie dann hochgeholt, also da hat man schon sich Mühe gegeben.
DANIEL
00:14:26
Die was bitte?
SOLVEIG
00:14:26
Die Scola Cantorum, das sind diese Schranken, die immer, gerade in den römischen Kirchen, diese Kasten, die quasi...
DANIEL
00:14:35
Also diese, ich will jetzt sagen, Strasssteinchen.
SOLVEIG
00:14:39
Also diese Kästen, die in der Mitte des Raumes stehen und wo dann auch noch die Lesepulte drauf sind. Das ist so speziell für italienische Kirchen. Und da sind immer die Mönchereien. Also das ist kein Chorraum, wie wir das eben aus gotischen Kirchen kennen, sondern das ist so in der Mitte. Und ich weiß nicht, wann sie es gemacht haben. Ich glaube Ende des 19. Jahrhunderts, im 20. Jahrhundert haben sie dann das, was man eben im 12. Jahrhundert zugeschüttet hat, rausgeholt. Und jetzt kann man eben diese Kirche, die glaube ich im 7. Jahrhundert gebaut wurde, wir sich angucken. Jetzt das Gewölbe ist nicht mehr da, aber das geht trotzdem irgendwie 3 Meter hoch.
DANIEL
00:15:18
Krass, dass jetzt die andere Kirche da nicht reinfällt.
SOLVEIG
00:15:21
Also die haben das dann irgendwie mit Stahlträgern, glaube ich, abgesichert. Und dann haben sie gedacht, wenn wir das schon gucken können, haben sie weit drunter. Und sie haben tatsächlich auch noch Straßen aus dem Rom des 3. Jahrhunderts gefunden.
DANIEL
00:15:35
Dann ist das eine Mitraskultstätte.
SOLVEIG
00:15:38
Da haben sie eben noch eine komplett erhaltenen Mitraskult gefunden und noch so angrenzende, so ein Straßenzug, so ein halbes Gebäude, worauf eben diese Kirche gebaut wurde.
DANIEL
00:15:50
Und da schlägt man dann zur Erinnerung an die Päpstin, die man verleugnet, die 4 P's in die Fassade.
SOLVEIG
00:15:58
Vielleicht für die, die sich mit Mitras vielleicht von dem noch nie gehört haben. Das ist eine Gottheit, die kommt aus dem mittleren oder nahen Osten. Den haben die römischen Soldaten damals mitgebracht nach Rom. Und der war sehr, sehr beliebt bei Soldaten. Mitras ist auch so einer der Erlösungsgottheiten, die tatsächlich im 3. Jahrhundert dem Christentum Konkurrenz gemacht haben. Also der war sehr, sehr beliebt und hat sich halt nicht durchgesetzt, sondern noch das Christentum. Wurde auch zugeschüttet und deswegen kann er sich erhalten. Und diese PPPP-Inschrift hat eher was mit diesem Mitras-Kult zu tun. Ach so alt ist die? Ja, die ist so alt. Aber die ist draußen dran? Geht ja nicht. Sie ist ja auch nicht mehr da. Sie war irgendwie mal da, aber jetzt ist sie irgendwie weg.
DANIEL
00:16:45
Aber woher kommt denn das dann überhaupt?
SOLVEIG
00:16:47
Das ist aufgelöst. Gehen sie davon aus, dass das eine Weihe-Inschrift ist.
DANIEL
00:16:52
Ich meine überhaupt, da ist ja die Idee gekommen, dass diese Inschrift da war.
SOLVEIG
00:16:58
Aber die war halt da und man hat nach Möglichkeiten gesucht, das sich zu erklären. Vielleicht ist diese Inschrift aber auch weggestohlen worden in den letzten Jahren. Also irgendwie ist sie weg. Und dieses PPP wird eben einfach ausgelöst, dass das wahrscheinlich irgendein Priester des Mitras, der Petrus hieß oder so, hat hier was gestiftet. Deswegen fängt das alles mit P an. Also das ergibt eben mehr Sinn, was das mit dem Mitraskult zu tun hat als mit irgendeiner Päpstin, die man mit PPPP irgendwie an San Clemente in Erinnerung halten möchte. Und jetzt ist natürlich die Frage, wo kommt diese Geschichte denn dann überhaupt her? Also wenn diese ganzen vermeintlichen Beweise für die Existenz ja nicht greifen, wie kommt denn Martin von Troppau drauf? Und warum erzählt sich diese Geschichte so gut? Warum sich diese Geschichte so gut erzählt, ist glaube ich allen klar, weil das natürlich geht. Hier geht es um Sex und Kirche und Macht. Es erzählt sich ja heute noch gut. Das hat die damals begeistert. Es war damals eine gute Geschichte, ist heute eine gute Geschichte. Die waren damals genauso...
DANIEL
00:18:09
Wäre interessant zu wissen, wer sich darauf gekommen ist.
SOLVEIG
00:18:16
Ja, wahrscheinlich Martin von Troppau. Die Sache ist die...
DANIEL
00:18:23
Oder ohne Geschichte dazu.
SOLVEIG
00:18:25
Es gibt schon ein paar Erklärungen, wie sie auf diese Idee gekommen sind. Man muss im Kopf behalten, hier sind noch mal 300 Jahre zwischen. Die Leute schreiben über eine Zeit, die 300 Jahre her ist. Wo man auch tatsächlich nicht allzu viel weiß. Da haben sich vielleicht gewisse Ideen festgesetzt, die missverstanden wurden. Eine Erklärung ist, dass es eventuell Satire gab, die auf Papst Johannes den 8. verfasst wurden. Der war nämlich von 872 bis 882 Papst. Das ist auch der, den Martin von Troppau als Johanna beschreibt. Und Johannes der 8. ist jetzt auch nicht unbedingt der bekannteste oder männlichste Papst gewesen. Und auch schon die Zeitgenossen haben ihn wegen seines zögerlichen Wesens als weich und weiblich beschrieben. Kennen wir mittlerweile. Und eventuell haben das eben dann spätere Chornisten missverstanden und gedacht, das war wirklich eine Frau. Das könnte es sein, dass so Martin von Troppau drauf gekommen ist, dass er sich dachte, ach so, ja, da steht, dass das eine Weibisch war. Ja, dann war das eine Frau. Ja, und das haben dann andere mit. Und dann gibt es noch eine weitere Geschichte. Das ist tatsächlich in dieser Zeit von Papst Johannes dem 8. also nicht direkt ein bisschen später. Aber was machen jetzt 10, 20 Jahre in dieser Zeit, wenn man 300 Jahre später schreibt? Da gab es tatsächlich sehr einflussreiche Frauen, die auch sehr viel Einfluss auf das Papstum in dieser Zeit hatten. Und da haben wir zum Beispiel die Marozia, oder Marozia? Die ist geboren um 892. Also sie ist schon nach Johannes dem 8. geboren worden. Das heißt, sie hat auch deutlich später dann amtiert. Aber vielleicht ist das eben so zusammengegangen, wenn es so, wir haben hier einen Papst, der ist besonders weich und weiblich. Und dann haben wir eine Generation später eine Frau, die besonders mächtig war. Vielleicht ist das irgendwie zusammengeflossen in der Erinnerung. Und die hat in dem Zusammenhängen, also die hängt mit dem Crescenzia beziehungsweise dem Tusculaner-Papstum zu tun. Dass das ist, erkläre ich sofort. Sie hat zum Beispiel ab 927 den Titel Senatrix Romanorum inne. Also sie war schon eine sehr mächtige Frau in Rom einfach. Und das Tusculana beziehungsweise zunächst Crescenzia und Tusculana-Papsttum, das beschreibt eine Zeit des Papsttums im Ende des 8. Jahrhunderts, vor allem aber eben im 9. Jahrhundert. Das geht auch noch ein bisschen ins 11. Jahrhundert hinein. Das ist so ganz grob die Krisenzeit des Papsttums, was auch die Reform auslöst. Also wir haben ja eine Folge mal über die Kanossa gemacht, wo es um die Kirchenreform geht. Siebte. Der falsche Mönch Hildebrand. Und diese Zustände haben wirklich diese Reform ausgelöst. Und wenn man sich mal mit dem Tuskulaner-Papst beschäftigt, versteht man auch, warum es Gregor dem Siebten, warum der da so hinterher war, die Kirche aufzuräumen und auch diese kaiserlichen Einflüsse loszuwerden. Weil wenn man das mal mitgemacht hat, dann weiß man, okay, da müssen wir wirklich aufpassen. Also dieses Tusculaner, das sind, also Crescenzia und Tusculaner sind sehr, sehr mächtige römische Familien in der Zeit. Die gibt es später nicht mehr. Und denen gelingt es, so viel Einfluss in der Stadt zu bekommen, dass die den Papst stellen. Also die setzen dann einfach irgendeinen von sich ein, sagen, du bist jetzt Papst und dann du bist Papst.
DANIEL
00:22:24
Das haben wir aber wieder in der Lutherzeit, kurz davor, oder? Das sind dann doch auch immer so die gleichen Familien, die da die Päpste sind.
SOLVEIG
00:22:33
Ja, aber die hatten immerhin schon ihre Wahlen. Also da ist es in dem... Hier gibt es noch nicht mal eine Papstwahl. Das ist auch noch nicht geregelt. Genau, das ist Acclamatio. Und die stellen einfach ihre Leute hin.
DANIEL
00:22:46
Wer den meisten Applaus kriegt, ist einstimmig gewählt.
SOLVEIG
00:22:49
Und wenn du die Macht in der Stadt hast, ist klar, für wen sie klatschen.
DANIEL
00:22:52
Und die anderen nicht schnell genug widersprechen.
SOLVEIG
00:22:55
Und auch das, dieses Papstwahl-Dekret, kommt dann in dem Zusammenhang auf. Überhaupt auch die Diskussion über Simonie, über Nikolaitismus. Das sind alles Dinge, die hier eben missbraucht wurden. Es wurden die Ämter gekauft. Man hat einfach Kinder gezeugt, die man dann in diese Ämter reingebracht hat. Das sind alles...
DANIEL
00:23:13
Kinder gezeugt?
SOLVEIG
00:23:14
Also, geweihte Priester haben die das. Nee, deswegen, ja. Das wird alles eingeführt, um diese Zustellungen zu verhindern, dass das nicht noch mal passiert. Also der Zölibat kommt, und auch der Ämterkauf wird massiv eingeschaltet. Das ist das Wichtigste für sie. Mit dem Zölibat haben sie noch ein bisschen länger zu kämpfen. Und das alles eben Reaktion auf dieses Tusculaner- oder Crescenziapapsttum. Und in diesem Zusammenhang war sie eben sehr, sehr mächtig. Und wir haben einen Chronisten namens Lutpant. Und der beschreibt sie eben, dass sie mit, durch Luxus und ausschweifende Sexualität, diese Macht bekommen hat. Also deswegen hat sie die Kontrolle über die Päpste bekommen. Deshalb hat sie die Kontrolle über die Stadt bekommen. Weil sie eben diese Dinge, was übrigens auch in der Literatur des Mittelaltes auch typisch auch wieder weibliche Charakteristiken sind. Also Frauen haben Macht, weil sie oder überhaupt Frauen sind böse, weil sie eben im Luxus schwelgen wollen, weil sie schöne Dinge wollen, weil sie übermäßig konsumieren. Und weil sie eben auch eine übermäßige Sexualität haben. Ja doch, das haben wir ja besprochen, laut Thomas von der Queen.
DANIEL
00:24:37
Oder dann später nicht mehr, aber das schon.
SOLVEIG
00:24:38
Sind sie eben übermäßig sexuell, weil sie ja zu heiß und zu feucht sind. Daher kommt es alles. Und hier auch wieder diese typischen Punkte, die auch da dran vorkommen. Er war einfach habgierig und wollüstig und hat dadurch... Sie wird dann auch beschrieben als die Erzhure, die böse Mutter aller Unzucht. Das ist jetzt im 9. Jahrhundert, also beziehungsweise Anfang des 10. Jahrhunderts.
DANIEL
00:25:12
Ach so, und die schreiben jetzt über diese Frau, diese Politikerin?
SOLVEIG
00:25:15
Genau, die lebt, die ist ab 927 in Amt und Gürn, ist sie nicht so lang. Es gibt dann auch noch eine zweite Marozia. Das ist eben diese Familie, wo auch dann die Frauen Macht bekommen, zumindest in der Stadt Rom. Ich fand es auch sehr bezeichnend, es gibt dann auch von 2017 einen historisch-biografischen Roman zu ihr und der heißt Sex macht Herrschaft. Und ich fänd's dann auch wieder, wir hatten es ja schon mal zu den Protestanten.
DANIEL
00:25:53
Vielleicht so ein zweites, zweite Band ist der Lucrezia Borgia?
SOLVEIG
00:26:00
Und wir hatten ja schon mal eine Folge zum Thema Protestanten und ihr Mittelalterverständnis. Und sehr schön, im 18. Jahrhundert wird diese Epoche des Tusculaner-Papstums von ihnen als Pornokratie bezeichnet. Genau, dann im 16. Jahrhundert, das greift dann so ein bisschen auf. Jahrhundert kommt schon der Begriff des Seculum Obscurum auf. Also das ist so ein Begriff, der kommt, wie nennt man heute noch? Genau, das dunkle Zeitalter oder das Jahrhundert, um eben diese Zeit des späten Neunten und dann eben des zehnten Jahrhunderts. Weil tatsächlich auch nicht so viele Quellen vorhanden sind. Und diese Zustände eben nicht unbedingt die sind...
DANIEL
00:26:39
Da kann schon mal eine Päpstin durchrutschen.
SOLVEIG
00:26:43
Oder da kann dann auch einfach mal aus so einem Papst...
DANIEL
00:26:45
Vielleicht ist es in die gleiche Epoche, wo der Historiker, der schon lange vergessen ist und dessen Namen ich auch nicht mehr erinnere, sagt, die Zeit gab es gar nicht, weil er sich das später erfunden hat?
SOLVEIG
00:26:55
Das ist davor. Das war ja Karl der Große, den sie erfunden hätten. Das ist normal davor, aber das geht in die gleiche Richtung hinein, wo man eben sagt, wir haben einfach nicht so viele Quellen. Und der Punkt, wo er dann behauptet hatte, ich habe jetzt gerade seinen Namen auch vergessen. Ist auch zu Recht vergessen. Der war schon recht wichtig, der ist schon unser Name, aber ich habe ihn jetzt gerade aufgemacht.
DANIEL
00:27:22
Aber danach nicht mehr, oder?
SOLVEIG
00:27:23
Ich weiß es jetzt gerade gar nicht. Ich habe jetzt wirklich gerade einen Blackout. Der Gedanke, wo er das hätte, das war natürlich auch ein bisschen polemisch gemeint, weil wir aus der Zeit keine Urkunden haben, weil wir aus der Zeit eben sehr wenig Inschriften haben. Und alles, was wir haben, sind eben solche historischen Geschichtswerke, wie von Ludbrandt, wie von Martin von Troppau, die dann auch mit einiger Zeit drüber schreiben. Also Martin von Troppau ist natürlich ein großer Bruch, der 300 Jahre später schreibt, aber auch Ludbrandt, also wir haben nur Geschichtsschreiber, die uns erzählen, was passiert ist. Und wir können eben nicht durch Urkunden oder durch Briefe, wie wir das in anderen Zeiten können, das gegenhalten und schauen, was erzählen die uns da eigentlich. Ja, in dem Sinne zählen die schon zu den Primärquellen, aber die schreiben natürlich nicht ohne Grund. Die schreiben natürlich, weil sie irgendeine Botschaft vermitteln möchten. Und wir haben leider wenig Möglichkeiten, das gegenzuchecken und zu schauen, wo fälscht der gerade, wo lügt der gerade und warum macht er das. Und deswegen kam dann eben diese polemische Aussage, es ist alles erfunden, weil wir eben so wenig andere Quellen haben. Und das ist das Gleiche hier in dieser Zeit. Wir haben dann eben einen Lutbrand, der von der Erzhure schreibt, aber wir haben keine Quellen von ihr selbst, wo sie vielleicht auftritt oder irgendwie mal ein Tagebuch schreibt oder einen Brief schreibt an einen Freund und erklärt, wie sie sich so fühlt. Und das macht es natürlich ein bisschen schwierig. Und ich vermute aber eben, dass in diesem Zusammenhang, man erinnert sich, dass es dort diese sehr mächtigen Frauen gab, die da irgendwie Einfluss gehabt haben, den sie nicht haben sollten, dass sie da irgendwie Dinge getan haben, die sie nicht tun sollten. Nämlich Päpste bestimmen, das haben Frauen nicht zu tun. Und dann eben noch diese Geschichte, dass eben Johannes irgendwie der weibliche Papst war, dass das dann zusammengegangen ist und dann eben vielleicht auch einfach durch weitererzählen dann bei Martin von Troppau gelandet ist. Und der hat das dann aufgeschrieben. Und dann ist das natürlich aufgegriffen worden und dachte so, wow, ja. Und dann ist man natürlich sehr von Skandalen begeistert. Und man hat auch damals schon der Kirche unterstellt, die schlimmsten Dinge gerne unterstellt. Und höchstwahrscheinlich ist dadurch eben dann diese Geschichte gekommen und hat sich dann auch festgesetzt. Die ist dann auch während der Reformation noch mal gerne erzählt worden. Und dadurch ist die dann einfach so ein bisschen so als Fakt auch festgehalten worden, dass es die wirklich gegeben hat. Und dann natürlich durch solche Track ق دi, die dann eben auch verfilmt wurden.
DANIEL
00:29:57
Aber gibt es denn dazwischen noch mal, also wir haben jetzt den, der 300 Jahre später darüber schreibt und dann haben wir den Roman aus dem 20. Jahrhundert oder wann ist der? Dann würde ich noch die Päpstin lesen. Und was gibt es dazwischen?
SOLVEIG
00:30:21
Also dann gibt es den Luther oder die Reformierten, die das tauschen? Es gibt die Schedelsche Weltkrone, die war schon sehr beliebt. Also die ist wirklich durch die Decke gegangen. Dann gibt es die Reformation, das ist so ein kleines Ereignis, da kann man vielleicht mal von gehören. Und ich glaube, danach ist das auch erst wieder durch diesen Roman so bekannt geworden.
DANIEL
00:30:41
Sind die Aufklärer die Nächsten, oder wie?
SOLVEIG
00:30:43
Das weiß ich gar nicht. Ja, die haben sich eher an der Marozzi also festgehalten. Also ich glaube, ich würde jetzt auch behaupten, dass das eigentlich erst wieder durch diesen Roman hochgekommen ist. Also auch die Leute, die man so fragt, ich glaube nicht, dass die sich irgendwie, also die kommen nicht an mit, ich habe das mal in einer aufklärerischen Flugschrift gelesen. Ja gut, das ist schon klar.
DANIEL
00:31:05
Dass dich jemand da in der 80er-Jahre, oder wann auch immer, erinnert, es gibt da in der Schedelschen Weltchronik diesen einen Absatz und den hat Luther auch noch mal aufgegriffen. Und dann wird das los, dass das nicht schon längst zu vergessen ist.
SOLVEIG
00:31:19
Ja, also es gibt ja noch diese Geschichten mit dieser Inschrift und es gibt diese Geschichten mit dem Straßennamen. Also ich kann mir schon vorstellen, dass die das in Rom dann auch so als Urban Legend einfach weiter erzählt haben und als Fakt eben erzählt haben. Und irgendwie muss ja die Autorenperson drauf gekommen sein. Also irgendwie muss sie das ja gehört haben. Aber ich wüsste jetzt nicht, dass das noch mal groß rezipiert wurde als historisches Ding. Also ich glaube, dass ist immer noch mal so ein bisschen mitgelaufen worden. Ja, das gab es ja auch noch. Aber dann wirklich zu diesem großen Brenner ist das jetzt mit diesem Roman wieder geworden.
DANIEL
00:31:57
Gut, bei diesem Dominikaner-Pater, ich meine, der ist noch nicht der einzige, der jetzt eine Papstliste macht. Da sind ja nicht irgendwelche Kollegen gekommen und gesagt haben, da hast du dich verschrieben. Da stimmen die Jahresangaben nicht, weil du hast da noch eine extra Papst drin, die ich nicht habe.
SOLVEIG
00:32:10
Er hat ja den 8. ersetzt. Also er hat ja Johannes den 8. damit ersetzt. Deswegen heißt sie ja Johanna, weil Johannes...
DANIEL
00:32:18
Aber wie lang war der Johannes der 8.?
SOLVEIG
00:32:21
Zehn Jahre. Also die Geschichte geht ja...
DANIEL
00:32:23
Bei dir über die Schedelschen Weltchronik das Ganze schneller.
SOLVEIG
00:32:27
Na ja, der fasst ja ihr ganzes Leben hier zusammen. Also die Geschichte geht ja, dass sie als Johannes der 8. Papst wurde. Also so geht hier die Geschichte. Also dass Johannes der 8. war eben ein Paar, war eine Frau. Und das erzählt er eben. Also ich erinnere mich jetzt gerade wieder dran. Also die Stelle ist dann irgendwie auch nur, ja, und dann kam Johannes der 8. qui eis Femina oder so. Also das ist so, der eine Frau war. Und das war es dann. Also es ist irgendwie nur so ein Beisatz. Und daraus ist das dann eben entstanden, diese ganze Geschichte. Und wie gesagt, man vermutet, dass eben Martin von Troppau da irgendwas missverstanden hat.
DANIEL
00:33:07
Hm, ja, oder diese weibische Aspekt auf diese Weise da schnell dazu kommentiert hat.
SOLVEIG
00:33:18
Ja, und die Frage ist, warum sind dann die anderen nicht und haben ihm gesagt, dass er Unrecht hat? Naja, weil er hat ja die große Verschwörung aufgedeckt, wenn man nach diesen Argumenten geht. Er hat natürlich erkannt, was die anderen nicht erkennen wollten.
DANIEL
00:33:31
Dann hätte er aber bitte noch einen Satz dazuschreiben sollen, woher er die Info hat.
SOLVEIG
00:33:35
Ja, nie so funktioniert das dann nicht.
DANIEL
00:33:41
Wer sind denn diese Menschen, die das dann heute propagieren, dass es die Päpstin gab?
SOLVEIG
00:33:45
Das weiß ich gar nicht. Das sind jetzt Gesellschaftsbildner. Ich weiß nicht, dass es meistens irgendwelche Leute sind, die eben...
DANIEL
00:33:55
Aber es ist jetzt nicht wie der mit dem Erfundenen im Mittelalter. Es ist niemand, der Geschichte studiert hätte.
SOLVEIG
00:34:00
Naja, teilweise auch schon. Es sind dann halt verschiedene Leute und manche möchten dran glauben. Und die führen dann eben diese Punkte an als Beweise. Und andere sagen, naja, das überzeugt mich jetzt nicht. Und dann gehen sie meistens getrennter Weg. Es ist halt in der Geschichte immer so ein bisschen, man muss sich von den Argumenten überzeugen lassen. Weil wir wissen wirklich das wenigste sicher. Das sind eigentlich alles Vermutungen. Und entweder überzeugen einen die Hypothesen oder nicht. Und es gibt eben Leute, die sich dann sagen, ich lasse mich nicht davon überzeugen. Ich bin fest bei der Meinung, dass hier eine Verschwörung vorhanden ist. Und in dieser Verschwörung möchte ich festhalten. Aber so gehöre ich in ihm nicht, wenn das nicht deutlich geworden ist.
DANIEL
00:34:47
Wir wollen hier auch keine Verschwörungen verbreiten, sondern aufklärerisch sein.
SOLVEIG
00:34:54
Ich glaube, Johannes der 8. war ein Mann, der vielleicht unter dem Sexismus seiner Zeit zu leiden hatte. Der irgendwelchen Männlichkeitsvorstellungen seiner Zeit nicht entsprochen ist.
DANIEL
00:35:08
Das ist zu wenig kämpferisch. Ansonsten ist die katholische Kirche ein Raum, wo sich Männer zu Hause fühlen können, die gerne Kleider tragen.
SOLVEIG
00:35:16
Ja, das macht sie mir auch sympathisch.
DANIEL
00:35:19
Das macht sie sympathisch.
SOLVEIG
00:35:23
Wo Männer noch Kleider tragen.
DANIEL
00:35:25
Und dann gehen sie auch mal als Johanna durch.
SOLVEIG
00:35:29
Ich meine, unter so einer Kasel kann man tatsächlich auch so einen Bauch verstecken.
DANIEL
00:35:32
Dass ein Papst im Arm dicker wird, das kann man auch.
SOLVEIG
00:35:40
Vielleicht der Punkt, warum es mich immer noch so ärgert, wenn mir Leute mit dieser Geschichte kommen, ist, weil sie mir dann erzählen, das ist doch eine feministische Geschichte. Das ist doch die Geschichte der Frau, die sich in der Kirche durchsetzt und die zeigt, dass auch Frauen Priester im Teil nehmen dürfen. Das ist ja eben auch zur Zeit ein sehr aktuelles Thema, dass es eben gewisse Gruppen gibt, die das möchten. Und da möchte ich noch mal betonen... Genau, ich möchte noch mal betonen, dass die Geschichte der Päpstin keine feministische Geschichte ist. Gerade so, wie ich sie vorgelesen habe, ist, glaube ich, ziemlich deutlich geworden, dass es keine feministische Geschichte ist. Ja, aber du wirst dann sagen, die Frau hat doch bewiesen.
DANIEL
00:36:26
Sie hat es ja nur geschafft, weil sie sich unter der Kase versteckt hat.
SOLVEIG
00:36:30
Genau, sie hat vorgetäuscht, ein Mann zu sein. Sie hat ihren wahren Personen versteckt. Dann wird auch bei jeder Gelegenheit darauf hingewiesen, dass sie irgendwie unzüchtig gelebt hat. Sie hat einen Liebhaber, mit dem sie nach Athen geht. Dann wird sie später von einem Diener geschwängert. Das ist nicht die gleiche Person. Dann wird sie durch das Gebären erkannt, dass sie eben kein Mann ist. Sie ist so schlau und so gebildet, aber weil sie einfach eine Frau ist, ist sie eine Dienerin, eine Sklaven ihrer Natur, ihrer Sexualität. Deshalb fliegt das Ganze auf. Und deshalb ist es eben, Frauen dürfen kein Priesteramt haben. Hier wird genau dieses Narrativ bestätigt, warum Frauen eben nicht Priester, weil die sonst immer nur ihren Lüsten hinterherrennen. Selbst wenn sie so schlau sind und so gut diskutieren können, am Ende sind sie dann doch die Bumsen, weil sie sich nicht zügeln können, weil sie einfach zu heiß und zu feucht sind. Und die Erzwuren und die bösen Mütter aller Unzucht sind.
DANIEL
00:37:41
Also dann die kirchlichen Feministinnen seien doch wieder an die Klassiker verwiesen.
SOLVEIG
00:37:47
Bitte nicht, bitte eher dann Maria Magdalena.
DANIEL
00:37:53
Ich weiß, populär ist doch die Hildegard, die magst du nicht. Aber besser die als so was.
SOLVEIG
00:37:58
Aber bitte hört auf, die Päpstin Johanna als feministisches Idol zu verkaufen.
DANIEL
00:38:03
Sie mögen ja kein Priesteramt haben, aber Äbtissinnen haben auch einen Bischofsrang. Sie tragen Mitra und haben einen Bischofsstab. Und Herrschen.
SOLVEIG
00:38:13
Und sind real. Das ist gleich noch mal zum Abschluss. Also von daher, bitte, bitte hört auf, das für den Feminismus zu gebrauchen. Das ist nämlich kontraproduktiv.
DANIEL
00:38:24
Nimmt es einfach als cooles Tabi.
SOLVEIG
00:38:25
Ja, als so ein bisschen Skandal. Wie hieß es? Sex macht und Herrschaft.
DANIEL
00:38:34
Und David, danke fürs Zuhören.