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Dein Geschichtspodcast mit Daniel und Solveig

FG029 - Nibelungen | Treu in den Untergang

08.11.2023 86 min

Zusammenfassung & Show Notes

Im zweiten Teil blicken wir auf die historischen Hintergründe des Nibelungenliedes und die Bedeutung der Nibelungentreue für spätere Generationen.
Die meisten Menschen im Nibelungenlied sind eigentlich Burgunden und haben wahrscheinlich ihr Vorbild im spätantiken Burgund. Das ist nicht zwingend dieselbe Gegend wie die späteren Gebiete mit diesem Namen. König Gunther ist vielleicht nach dem Burgunder-König Gundahar gestaltet, der tatsächlich im 5. Jhd. in Worms herrschte. Der legte sich nämlich mit den Römern unter Flavius Aetius an und wurde von den Römern und ihren verbündeten Hunnen geschlagen.
Später kämpfte Aetius dann gegen den Hunnenführer Attila. Der verstarb sehr plötzlich - in der Nacht nach seiner Hochzeit mit der Prinzessin Ildico. Die könnte ein Vorbild für Kriemhild sein.
Ein Vorbild könnten auch die Auseinandersetzungen im Hause der Merowinger sein. Dort spielt nämlich eine gewisse Brunhild eine entscheidende Rolle. Ebenso die Ermordung ihres Mannes Sigibert. Das Theoderich der Große das Vorbild für Dietrich von Bern war, wird dagegen heute nicht mehr so oft erzählt.
Im Humanismus interessierte man sich wenig für das mittelalterliche Epos und noch weniger zur Zeit der Aufklärung. Daher bleibt auch die Wiederentdeckung zunächst ohne wenig Resonanz. Der Durchbruch kommt in den Befreiungskriegen gegen Napoleon. Als ureigenes deutsches Nationalepos macht das Lied Karriere und die deutschen malen repräsentative Gebäude mit Siegfried-Fresken aus.
Am bedeutsamsten wird allerdings die Vorstellung von der Nibelungentreue. Dieses Schlagwort verwendet zuerst Reichskanzler Bülow während der Bosnien-Krise, als er Österreich die deutsche Bündnistreue zusichert. Wann immer danach die Treue beschworen wird, schwingen die Nibelungen im Hintergrund mit. Sei es im Ersten Weltkrieg, bei der Dolchstoßlegende oder in Goebbels Sportpalastrede.

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#Deutschland #Österreich #Neuere_und_neueste_Geschichte #Rezeption #Nibelungenlied #Erster_Weltkrieg #Kaiserreich #Nationalismus

Transkript

DANIEL
00:00:00
So, ich konnte Solveig doch überzeugen, uns eine Kostprobe des mittelhochdeutschen Originals dazu bieten. Solveig, bitte das Nibelungenlied.
SOLVEIG
00:00:13
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von helden lobebæren, von grôzer arebeit, von fröuden hôchgezîten, von weinen und von klagen, von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen. Ich weiß nicht, ob das korrekt war.
DANIEL
00:00:55
Es ist schön, dass wir überraschend lange zusammensitzen, denn ihr habt es ja gehört, letzte Woche, dass die Nacherzählung des Nibelungenliedes doch eine Weile gedauert hat. Es ist ja auch ein dickes Buch, meistens, also schon dicker als andere.
SOLVEIG
00:01:11
Ja, ist auch eine lange Geschichte.
DANIEL
00:01:12
Ich glaube der Parsifal-Epos ist dicker, wenn ich das so richtig sehe. Ich hab die zweisprachige Ausgabe mit Mittelhoch. Egal, auf jeden Fall dauerte es eine Weile. Ich fand es aber sehr schön, ich hoffe, ihr auch, das nochmal zu hören und auch irgendwie so ein paar Figuren nochmal kennenzulernen, die einem nicht mehr so ganz klar sind. Und wir sitzen halt jetzt immer noch zusammen, um jetzt nochmal darüber zu sprechen, was eigentlich der Hauptteil sein sollte, was da später draus gemacht worden ist. Wo sind denn die Waren, die echten Nibelungen? Und wo ist der Siegfried begraben? Und ja, aber Solveig hat sich noch was anderes gewünscht, nämlich, dass wir zu Ehren des Burgunder-Landes doch nochmal eine Flasche Rotwein aufmachen. Es ist allerdings zugegebenermaßen, haben wir hier gar keinen Burgunder, sondern noch mal eine Erinnerung an die große sizilianische Trias. Ein Primitivo, die aus Apulien stammt. Und sollte ich dir jetzt nochmal aufschreien, das ist doch gar nicht Sizilien. Doch, es ist das Königreich Sizilien. Und passt deswegen zu unserem Podcast. Nächstes Mal dann der Burgunder in Erinnerung an die Trias mit Kriemhild. So, ich schiebe nochmal was rein. Das wird ja bestimmt auch eine längere Folge. Na ja, mal gucken, wie viel es da noch zu sagen gibt. Und für die Atmo. Herrlich, Prost. Aber der Burgunder heißt schon so, weil er aus Burgund kommt, oder?
SOLVEIG
00:02:45
Schätzungsweise.
DANIEL
00:02:46
Also aus Worms?
SOLVEIG
00:02:47
Ja, ich glaube schon.
DANIEL
00:02:49
Ich wollte damit eigentlich darauf hinaus, dass das, ich hoffe, wenn man jetzt auf den Karten guckt, nach, das ist ja auch so verwirrend, mit diesem Burgund.
SOLVEIG
00:02:56
Ja, aber über Burgund haben wir jetzt schon gesprochen.
DANIEL
00:02:58
Wo ist das eigentlich? Wir haben doch über Burgund eigentlich so noch gar nicht geredet. Wir haben immer von Nibelungen geredet.
SOLVEIG
00:03:04
Ja, also in einer anderen Folge.
DANIEL
00:03:05
Doch, ich habe gemerkt, in der ersten Folge, du hast, glaube ich, Burgunden gesagt. Die Burgunden?
SOLVEIG
00:03:11
Nee, da habe ich mich dann versprochen.
DANIEL
00:03:12
Ach so, ich dachte schon, vielleicht habe ich wieder irgendwie... Burgunder ist so der handelsübliche Ausspruch. Und die Mediävisten sagen Burgunden?
SOLVEIG
00:03:20
Nee, nee, ich glaube, das kommt hier aus dem Nibelungenlied, weil das im Reimschema dann die Burgunden passt. Also wir haben einmal vor langer Zeit, als es um das glückliche Österreich ging, haben wir über Marien von Burgund gesprochen.
DANIEL
00:03:36
Die hat geheiratet. Und dann haben die Österreicher da einen großen Karriere-Sprung gemacht, weil Burgunden, da waren irgendwie noch deutlich wichtiger als die Österreicher damals, oder?
SOLVEIG
00:03:47
Ja, beziehungsweise, die haben sehr gut geheiratet, weil dann, also wir haben ja Maria von Burgund, und die hat dann einen Sohn mit Maximilian von Habsburg, und der wird dann ja nach Spanien verheiratet. Und dadurch erklärt sich dann, warum die Habsburger dann in den Niederlanden, den spanischen Niederlanden später haben und Spanien haben.
DANIEL
00:04:07
Ja, aber ich meine, das ist ja ein Land, das man heute nicht mehr auf seiner Landkarte wiederfindet.
SOLVEIG
00:04:11
Weil es das auch nicht mehr wird.
DANIEL
00:04:17
Ja, damals muss es eben sehr wichtig gewesen sein, wenn die Habsburger da einheiraten. Und da war ja auch der Orden vom Goldenen Vlies. Und das ist jetzt bei Burgund, klingt auch einfach irgendwie nach was Großem, Wichtigen. Aber selbst als es das noch auf Landkarten gab, gab es das, glaube ich, dreimal, oder? Ja. Also die Niederlande im Wesentlichen ist doch Burgund? Komplett?
SOLVEIG
00:04:38
Ich glaube schon. Also die Binnenlux-Länder.
DANIEL
00:04:40
Das ist zumindest das, was nachher Belgien ist. Also ein bisschen drüber raus noch. Und dann gibt es in Frankreich das Herzogtum Burgund. Das ist aber Frankreich letzten Endes. Und das noch die, wie heißt es, Freigrafschaft Burgund. Die gehört zum Reich.
SOLVEIG
00:04:55
Genau, aber die Sache war ja da, also mit Maria von Burgund, dass Burgund ja sowohl eben Gebiete in Frankreich hatte, wie im Reich. Aber das gehörte trotzdem zusammen. Und war dann eben in der Personalunion von denen im Besitz. Und das ist ja dann das Problem, das Maria von Burgund hat. Das ist aber auch das Herzogtum, das so ein bisschen im 100-jährigen Krieg großen Aufschwung bekommt. Also das sind nicht die Burgunder, von denen wir jetzt sprechen, wenn wir von Gunther und Gern und Giese sprechen. Und dazwischen war es dann auch weniger mächtig. Also Burgund wird dann noch mal mächtig, weil sie dann auch, ich kenne mich jetzt auch nicht so exakt mit aus, aber ich denke mal durch den Tuchhandel in Antwerpen und Amsterdam, die wären einfach sehr, sehr reich und dadurch auch sehr einflussreich. Und das löst sich dann ja auch so ein bisschen auf. Dann haben wir die spanischen Niederlande, also das Herzogtum Burgund gibt es dann auch nicht mehr. Und nur noch im Namen. Also das Herzogtum Burgund ist das, was wir heute als Benelux-Länder kennen.
DANIEL
00:06:01
Und zu keinem Zeitpunkt war Worms dabei, oder? Ich glaube, weder bei diesem niederländischen Teil, noch in einem französischen Teil, noch bei der Freigrafschaft.
SOLVEIG
00:06:12
Genau, ich glaube, also wenn wir jetzt zu unseren Burgundern gehen, die müssen wir deutlich früher ansiedeln. Also ich habe jetzt zum Einstieg ja mal die erste Strophe des Nibelungenliedes zitiert, weil das uns eben den Eindruck gibt, ja es gibt alte Geschichten, es gibt alte Erzählungen, wo uns das berichtet wird. Und das hatte ich ja schon in der vorherigen Folge angesprochen, dass zwar dieser Text im 13. Jahrhundert, also im sehr frühen 13. Jahrhundert, aufgeschrieben wird, aber die Leute scheinbar oder der Dichter zumindest ein Kenntnis dieser Geschichte voraussetzt. Und das hatte ich ja auch erzählt, eben es gibt Hinweise, dass das schon im 9. Jahrhundert, im 10. Jahrhundert bekannt gewesen ist. Und das ist auch so der Grund, warum eben auch dann im 19. Jahrhundert, als man sich dann wissenschaftlich damit auseinandergesetzt hat, auch bis heute eben eine gewisse Historizität vermutet wird von dieser Geschichte.
DANIEL
00:07:11
Also dass es tatsächlich eine Grundlage gibt.
SOLVEIG
00:07:14
Genau. Und das lassen eben die Namen vermuten. Wir haben Worms, wir haben Xanten, also echte Orte, wir haben Wien, wir haben Etzel.
DANIEL
00:07:22
Ich kann es immer noch nicht glauben, dass es die gibt. Also Worms und Xanten, okay, das wusste ich ja. Aber in diesem Buch steht wirklich Wien, dass Attila in Wien seinen Hof hat.
SOLVEIG
00:07:29
Jetzt langsam bin ich auch so irritiert, aber eigentlich habe ich mir das so erinnert.
DANIEL
00:07:34
Mein Biete. Die Hunnen von Wien.
SOLVEIG
00:07:38
Die Hunnen von Wien. Also ich bin mir ziemlich sicher, dass sie in Wien sitzt. Und in jedem Fall diese Burgunder, es gibt eben die historische, ja Volk finde ich immer schwierig zu benennen, aber es gibt eben in unserer wunderschönen sogenannten Völkerwanderung eine Gruppe Menschen, die sich als Burgunder bezeichnen. Ja, wenn wir von germanischen Stämmen und von Ja, okay, ich weiß, das machen wir komplizierter. Die werden, also ich bin halt mit diesen Germanen Bezeichnungen, also Germanen, so nennen Römer Menschen, die auf die Rechtsrheinische leben. Ob die sich selber auch als Germanen bezeichnet haben, wir wissen es nicht. Und wie weit die sich dann auch 500 nach Christus noch als Germanen verstanden haben, ist dann auch was anderes. Also ist auch die Frage, die bezeichnen nicht selbst als Burgunden. Und deswegen würde ich dann einfach sagen, komm, nennen sie so, wie sie sich selber nennen. Das ist dann auch mit den Saliern oder den Ribuariern oder allen, die dann da kommen. Lass sie uns doch so nennen, wie sie sich selber nennen. Dieses Germanische ist ein Hilfsbegriff, die die Römer verwenden. Und damit greifen wir das nur sehr wenig. Und diese Burgunder, und da ergibt es dann Sinn, eine historische Verbindung zu suchen. Denn es gibt tatsächlich einen Gundahar.
DANIEL
00:08:59
Das ist der Ur-Opa bestimmt.
SOLVEIG
00:09:04
Ja, bzw. das ist wahrscheinlich der Gunther, weil das ist der letzte König der Burgunder. Und der heißt eben auch Gundahar. Und das passt. Der hat dann auch Vorfahren, die, ähnlich wie es im Nibelungenlied, wie sie benannt werden, so heißen die auch in dieser Geschichte. Und deswegen ist das schon ganz interessant. Er hat sich selbst als Rex bezeichnet, was Latein ist für König. Also da haben wir dann auch die Königsbezeichnung. Und die haben höchstwahrscheinlich auch wirklich in der Region um Worms waren die. Und die fallen dann 436, also wir sind jetzt wirklich in der Mitte dieser sogenannten Völkerwanderung, fallen in das römische Gallien ein und plündern das, weil es eben römisch ist. Und da gibt es Schätze und da gibt es auch Land und da versuchen die Burgunder eben rein zu kommen. Und der weströmische Heermeister Flavius Aetius gelingt es, dieses Burgunderreich zu zerstören und auch diesen Gundahar zu besiegen.
DANIEL
00:10:03
Mit Hilfe der Hunnen habe ich gelesen in der Online Enzyklopädie unseres Vertragens.
SOLVEIG
00:10:09
Mit den Hunnen, die eben als Römische Hilfstruppen arbeiten, weil das ist eben auch wichtig, um überhaupt diese...
DANIEL
00:10:17
Ich stelle mir die viel später vor, diese Hunnen. Das ist ganz komisch. Das wird überhaupt nicht darin gehören.
SOLVEIG
00:10:24
Die Hunnen sind 5. Jahrhundert, die Wikinger sind 8. und 9.
DANIEL
00:10:27
Und dass die Hunnen Hilfstruppen der Römer sein konnten, passt überhaupt in meinem Kopf nicht so richtig zusammen.
SOLVEIG
00:10:33
Um überhaupt diese Völkerwanderung zu verstehen, muss man mit hineinnehmen, dass Rom sehr viele Hilfstruppen mit ein einfach aufnimmt. Und um auch zu verstehen, warum diese Völker wandern, in dem Sinne, weil Rom die zum Teil anwirbt und sagt, wenn ihr in unserem Heer als Hilfstruppen arbeitet und im Krieg für uns kämpft, dürft ihr dort siedeln. Und so kommt dann eben diese Bewegung zustande und so erklärt sich dann eben auch dann der Niedergang. Der Westroms zumindest und dann eben das frühe Mittelalter. Und dieser Flavius Aetius versteht sich eben sehr gut mit diesem hunnischen Heerführer. Die kämpfen zusammen und zusammen besiegen sie eben diese Burgunder. Und jetzt werden die aber tatsächlich interessanterweise angesiedelt und zwar im Rhonetal, also unten da so bei Marseille ungefähr. Und da erinnere ich mich tatsächlich auch an eine Vorlesung zum Thema Frühmittelalter, weil das gefällt den Galliern gar nicht. Jetzt kommen diese Burgunder und werden da angesiedelt. Und die werden tatsächlich auch bei den Galliern zuhause angesiedelt. Also die Galliern müssen Burgunder bei sich zuhause aufnehmen. Und es gibt irgendwie Schreiben, wie sie sich alle hassen und die Burgunder, die stinken alle nach Knoblauch und die binden sich die Haare blöd. Das ist ganz interessant, diesen Diskurs zu lesen. Und 451 kommt es jetzt noch mal zu einer Schlacht, wieder zwischen Flavius Aetius auf der einen Seite und zwischen Attila. Genau, gegeneinander. Weil dieser Hunne, mit dem Flavius Aetius hat sich gut verstanden, der ist gestorben. Jetzt ist Attila Nachfolger geworden und die verstehen sich scheinbar nicht mehr so gut. Und kämpfen jetzt gegeneinander. Und das ist eben eine sehr berühmte Schlacht, die Schlacht auf den katalonischen Feldern. Die lässt sich scheinbar auch sehr gut rekonstruieren, wie da die Truppen aufeinander gestoßen sind.
DANIEL
00:12:27
Wo ist das?
SOLVEIG
00:12:31
Irgendwo. Vielleicht beim Wien, ich weiß es nicht. Und die kämpfen da gegeneinander. Attila verliert. Und ich glaube, diesmal sind auch die Burgunder dann in den Hilfstruppen dabei, von den Römern, keine Ahnung. Und das stoppt auch so das vordringen Attilas nach Westeuropa. Also deswegen ist es eben so eine berühmte Schlacht geworden, dann natürlich später auch groß aufgeladen. Aber wir als Mitteleuropäer haben uns gegen die wilden Horden verteidigt, etc. Das heißt, wir haben hier sehr nahe beieinander Ereignisse, die einen Burgundischen König betreffen, der Gundahar heißt, der stirbt. Wir haben Hunnen, die dabei eine Rolle spielen. Und dann kommt auch noch Attila dazu später. Also das ist alles sehr nahe beieinander, wo man denkt, okay, das sind ja wirklich Figuren und Orte, die wir aus dem Nibelungenlied kennen. Und zwei Jahre später, 453, stirbt Attila. Das ist eben auch eine sehr berühmt gewordene Geschichte, wie er stirbt. Denn er stirbt nicht auf dem Schlachtfeld, sondern er stirbt in der Hochzeitsnacht mit einer Germanischen Nebenfrau. Ich habe sie jetzt auch geschrieben, weil ich nicht weiß, wo die herkommt. Aber sie ist eben aus den von Attila eroberten Gebieten. Da hat er sich diese Frau ausgesucht, hat mit der Hochzeitsnacht gefeiert. Und in dieser Hochzeitsnacht stirbt er an einem Blutsturz. Und ein Blutsturz meint, ich hatte das nachgelesen, jetzt habe ich es aber auch nicht mehr so richtig auf dem Schirm. Das bedeutet irgendwie, dass Blutgefäße im Hals oder im Rachen platzen. Das ist eine Art Aneurisma, aber im Hals. Und es blutet eben, also beziehungsweise deine Arterie platzt. Und du blutest einfach aus dem Mund und verblutest dann. Und trinkst vielleicht auch irgendwie an deinem Blut. Also es ist sehr unangenehm. Ich weiß nicht, ob es weh tut, aber es ist eine riesen Sauerei.
DANIEL
00:14:35
Dürft uns gerne schreiben.
SOLVEIG
00:14:37
Genau, und da hatte ich das vorher schon angeteasert im Vorgespräch, weil wir zufällig über Rio Reiser gesprochen hatten von „Ton, Steine, Scherben“. Der ist auch an den Blutsturz gestorben. Also ich hatte immer gedacht, ja Blutstürze werden sich irgendwas bei ausgedacht haben. Nee, das ist tatsächlich eine Krankheit, an der heute auch noch Menschen sterben. Und ja, das ist dann immer so eine Sache, ist er wirklich an einem Blutsturz gestorben, weil das ist auch mal so ein bisschen der Lebensstil, der dazu führt, ist dann doch sehr wild. Also wie Rio Reiser, viel Party und viel Alkohol.
DANIEL
00:15:15
Spricht für Attila.
SOLVEIG
00:15:17
Genau, und das hat man dann auch mal. Ja, Attila, der natürlich der Wilde, der Hunde, der immer Alkohol und Frauen konsumiert. Aber dann gibt es eben auch griechische Schriftsteller, die dann schreiben, die Attila waren ganz guter und sehr gemäßigt. Und so, man weiß es nicht und...
DANIEL
00:15:34
Das hindert ja niemanden tagsüber ein besonnener Herrscher zu sein, abends doch noch mal richtig drauf zu hauen.
SOLVEIG
00:15:40
Das passt dann natürlich auch so ein bisschen wieder auch in dieses Narrativ des Wilden, des Ungezügelten, der natürlich Alkohol trinkt und... Und dieser sehr schnelle Tod und dieser plötzliche Tod hat dann natürlich auch sehr schnell die Geister inspiriert, dass eben das gar kein natürlicher Tod war, sondern diese Frau, die Ildico genannt wird, die hat ihn umgebracht aus Rache, weil Attila ihre Brüder getötet hat.
DANIEL
00:16:13
Ach, was?
SOLVEIG
00:16:14
So, das ist die Geschichte. Das entsteht dann auch, glaube ich, ein Lied, das Ildico-Lied, was dann diese Geschichte erzählt. Attila erobert, tötet ihre Brüder und sie dann aus Rache tötet ihn dann in der Hochzeitsnacht. Und jetzt ist das Neckische daran, dass Ildico mittelhochdeutsch übersetzt wurde in Hildchen. Also Ildico ist eine Verniedlichungsform und wird als Hildchen übersetzt. Und jetzt, wer heißt Hildchen? Kriemhild natürlich. Auch wieder eine Namensverbindung. Nur, dass eben die Geschichte hier gedreht ist. Also Ildico tötet Attila aus Rache für den Tod oder den Mord an ihren Brüdern. Kriemhild tötet ihre Brüder aus Rache an ihrem Mord, an ihrem Gatten, während sie mit Attila verheiratet ist. Und ich finde, das ist tatsächlich ein Schluss, wo man denkt, ja, die Geschichte hat sich weiterentwickelt und man hat daraus eben diese Geschichte gemacht, wenn man vielleicht bei was Neues erzählen wollte. Also das finde ich schon ganz glaubhaft, wenn man sagt, aus dieser Geschichte mit der Eroberung Attilas, mit dem Sieg über die Burgunder und dann eben dieses Ildico-Lied, das ist dann der Vorgänger, aus dem sich das Nibelungenlied entwickelt hat. Finde ich sehr überzeugend. Jetzt haben wir ja noch andere Figuren in dieser Geschichte. Siegfried ist nicht aufgetaucht, aber ich habe Siegfried auch nicht finden können. Hagen haben wir auch nicht, aber wir haben eben Gunther, wir haben Kriemhild, wir haben Attila.
DANIEL
00:17:42
Und wir haben diese Brüder, die ominös sind, die getötet wurden.
SOLVEIG
00:17:47
Und jetzt haben wir Brunhild und Brunhild ist in dieser Zeit des frühen Mittelalters ein relativ bekannter Name bzw. es gibt eine sehr bekannte Brunhild. Und das wird dann immer gerne gleichgesetzt, was ich schwierig finde. Und jetzt wird es auch ein bisschen kompliziert, weil jetzt kommen wir zu den Merowingern. Und wer die Merowinger kennt, weiß, die heißen alle gleich und sie bringen sich alle gegenseitig um.
DANIEL
00:18:14
Jetzt nochmal kurz, Merowinger, das sind die, das ist die, naja, Französische letztlich, die das die, dieser Zeit.
SOLVEIG
00:18:21
Das sind die im Grunde die, vor den Karolingern. Vor den Karolingern über das Frankenreich, das sind die Franken. Und da haben wir erst die Merowinger und die werden dann von den Karolingern ersetzt. Und dann, daraus entwickelt sich dann, das entwickelt sich Frankreich. Und diese Brunhild kommt eigentlich aus dem Westgotenreich. Das ist so das heutige Spanien ungefähr. Und die heiratet 566, also wir sind eben noch mitten in dieser, im Frühmittelalter, in dieser eben Völkerwanderungszeit, den fränkischen König Sigibert. Sind wir schon ein bisschen an Siegfried. Aber Sigibert und Siegfried sind für mich jetzt dann doch, ja, nur weil die erste Namenssilbe ähnlich ist, weiß ich nicht. Und dieser Sigibert wird auch umgebracht. 575 von der Ehefrau und jetzt fängt es an, bleibt bei mir, seines Halbbruders. So die Ehefrau, die ihn vermutlich.
DANIEL
00:19:17
Die Brünel kam aus Spanien womöglich. Heiratet den fränkischen König oder was war er?
SOLVEIG
00:19:24
Ja, also was man wissen muss, ist, die Franken befinden sich mal wieder in einem Bruderkrieg. Weil also das Frankenreich ist jetzt nicht, es gibt einen fränkischen König, sondern die haben das immer aufgeteilt. Also da war es nicht so der erstgeborene Sohn erbt alles, sondern alle Söhne erben einen Teil. Und Ziel von diesen Söhnen war dann immer alles wieder zusammen zu geben. Und dieser Siegbert wird jetzt umgebracht von der Fredegunde. Und Fredegunde war die Frau von Hilperich. Hilperich ist der Halbbruder von Siegbert. Siegbert und Hilperich führen Krieg gegeneinander. Siegbert heiratet Brunhild. Hilperich heiratet Fredegunde. Jetzt war dieser Hilperich aber schon mal verheiratet. Vor der Fredegunde. Und zwar mit Gailswintha. Ja, so heißen die. Wir akzeptieren das jetzt einfach. Mit Gailswintha. Gaeilswinter ist die Schwester von Brunhild gewesen. Genau, also im Grunde die Brüder heiraten. Also das Brüderpaar heiratet ein Schwesternpaar.
DANIEL
00:20:28
Offenbar wollte man sich mit wem, irgendwer verbinden.
SOLVEIG
00:20:30
Man wollte mit den Westgoten eine Allianz. Jetzt ist es aber so, dass diese Gailswintha umgebracht wurde. Höchstwahrscheinlich von dieser Fredegunde.
DANIEL
00:20:40
Damit die dann heiraten kann.
SOLVEIG
00:20:41
Weil diese Fredegunde war irgendwie unfrei geboren, war auch irgendwie eine Konkurbine von Chilperich. Ja, Chilperich, das heißt, sie hatten eine Affäre, wie man es nennen möchte, eine Beziehung über Jahre hindurch. Er konnte sie aber nicht heiraten, weil sie eben unfrei war. Hat mit ihr aber auch viele Kinder schon gehabt. Und irgendwann ist sie frei geworden und hat dann diese Gailswintha höchstwahrscheinlich umgebracht, um dann ihn heiraten zu können. Das heißt, diese Brunhild mag Fredegunde nicht, weil sie erstens ihre Schwester umgebracht hat. Und jetzt höchstwahrscheinlich auch noch ihren Mann. Und jetzt muss ich selber mal schauen, weil jetzt wird Chilperich zehn Jahre später, 584, auch ermordet. Hat aber einen Sohn mit dieser Fredegunde gehabt. Und der stirbt aber schon 596. Und jetzt hat Brunhild mit Siegbert auch Kinder gehabt. Die sind auch schon tot, haben aber auch früh Kinder gehabt. Und sie ist jetzt Regentin für diese Enkel.
DANIEL
00:21:45
Okay, für ihre eigenen.
SOLVEIG
00:21:47
Für ihre eigenen. Jetzt ist auch Fredegunde mittlerweile weg. Ich versuche es so einfach wie möglich zu machen und jetzt führen diese zwei Enkel von Brunhild Krieg gegeneinander, wer jetzt König wird und beide überleben es nicht.
DANIEL
00:22:04
Moment, aber du hast gesagt, Fredegundes Enkel waren das.
SOLVEIG
00:22:07
Nee, nee, nee, Brunhildes Enkel. Fredegunde ist jetzt schon raus. Sie hat auch noch mal eigene Kinder, aber die sterben auch alle. Wir versuchen es einfach zu halten. Sie hat dann auch noch Probleme mit ihrer Tochter, die sie versucht umzubringen. Fredegunde ist wild.
DANIEL
00:22:20
Sie versucht ihre eigene Tochter umzubringen?
SOLVEIG
00:22:23
Ja, also ich versuche das hier erst mal zu Ende zu bringen, dann erkläre ich dir, warum das alles so ein bisschen schwierig ist. Also wir haben jetzt Brunhild ist Regentin für ihre zwei Enkel. Diese zwei Enkel führen Krieg gegeneinander. Beide überleben diesen Krieg nicht, aber einer von denen hat auch schon ein Kind gehabt. Und jetzt versucht sie für diesen Urenkel Regentin zu werden. Also tatsächlich durch diese ganzen...
DANIEL
00:22:46
Die Brunhild?
SOLVEIG
00:22:49
Wie alt ist die denn mittlerweile? Ja, die ist mittlerweile ungefähr 545, 550 geboren. Also die ist jetzt 60. Und durch diese ganzen, wir führen Bruderkriege gegeneinander, hat sie höchstwahrscheinlich auch so 30 Jahre Regentschaft inne gehabt. Also die ist eine wirklich wichtige Figur hier. Und jetzt kommt es nämlich wieder. Ich hatte ja gesagt, Chilperich und Fedegunde hatten ja auch noch Kinder. Und unter anderem ein Chlothar. Und dieser Chlothar sagt jetzt ja, dass mit diesen Enkeln, du regierst durch deine Enkel, ist jetzt Quatsch, ich komm jetzt. Und dem gelingt es tatsächlich, die ganzen fränkischen Fürsten auf seine Seite zu bringen, dass die Brunhild entmachten, sie dann zum Sündenbock machen, du bist schuld, dass alles blöd ist, wie sie es kennen. Und dann wird sie 613 öffentlich hingerichtet. Und diese, das ist dann tatsächlich, die wird dann gefoltert, die wird gerädert, die wird durch die Straßen in so einem mit Eisen beschlagenen Maske geschunden. Also die wird wirklich hingerichtet und möglichst offen und grausam. Und da wird dann häufig eben gesagt, naja, wir haben ja eine Brunhild und die war ja auch mächtig und die war mit einem Siegfried, Siegfried in Anführungszeichen, Siegbert verheiratet. Und das ist bestimmt dann das historische Vorbild für die Brunhild in unserer Geschichte. Und da muss ich sagen, das sehe ich nicht. Also ja, der Name ist gleich und höchstwahrscheinlich hat man sich dann auch den Namen Brunhild überlegt, weil es ein Altersname ist. Aber ich sehe hier keine wirklichen Ähnlichkeiten zur Geschichte der Brunhild, die wir eben in der ersten Folge auch besprochen haben. Ja, aber auch da, ich meine, also Kriemhild beleidigt sie öffentlich, aber sie tötet nicht ihre Kinder und ihren Mann und ihre Schwester. Also Friede Gunther ist, so jetzt muss man natürlich dazu sagen, dass Friede Gunther, also die Geschichten, die wir von Brunhild und Friede Gunther haben, sind eigentlich fast ausschließlich von Gregor von Thur niedergeschrieben worden. Gregor von Thur ist ein sehr wichtiger, ja, der Geschichtsschreiber aus dieser Zeit. Der hat aber Friede Gunther gehasst. Er hat die gar nicht gemocht. Und höchstwahrscheinlich hat er ihr so ein paar Sachen auch vorgeworfen, um sie möglichst schlecht darzustellen. Also es gibt eben auch diesen Streit mit Friede Gunther, wo sie eben vermeintlich versucht, ihre Tochter zu töten, weil die sie eben öffentlich beleidigt hat und gesagt hat, ich bin viel schöner als du und ich möchte deinen Schmuck haben, weil du bist alt und hässlich und ich bin toll. Und dann soll Friede Gunther sie zu sich ins Zimmer gerufen haben, gesagt haben, ja dann nimm dir was du möchtest. Dann hat sich die Tochter so drüber gebeugt in die große Truhe. Und dann hat Fredegunde den Deckel genommen von der Truhe und auf die Tochter drauf gedrückt, bis die keine Luft mehr gekriegt hat.
DANIEL
00:25:35
Sagt der Gregor von Thur.
SOLVEIG
00:25:37
Sagt der Gregor von Thur. Also da müssen wir auch so ein bisschen aufpassen. Also wir wissen, Fredegunde war eben aus sehr niedriger Herkunft, hat dann eben durch ihren Mann, eben ist sie sehr hoch gestiegen, hatte sehr viel Macht. Ob sie jetzt wirklich diese Dämonenfrau war, wie Gregor von Thur sich malen, ist eben auch...
DANIEL
00:25:59
Wahrscheinlich war die Überzeugung, die hat doch nichts verloren, weil sie so eine einfache Frau war, hat sich da hochgeschlafen und jetzt sitzt die da und macht nur Scheiß.
SOLVEIG
00:26:06
Genau und ist grausam und eitel und boshaft. Und deswegen ist es immer so ein bisschen schwierig. Aber wenn man unbedingt möchte, kann man da Brunhild drin sehen. Ich finde es schwierig. Ich denke mir so, ja eigentlich braucht man.
DANIEL
00:26:21
Warum kommt die, sollte die dann aus Island kommen?
SOLVEIG
00:26:23
Eben, also und warum hat sie magische Kräfte und einen Gürtel?
DANIEL
00:26:56
Kommt da nicht so gegen an und da war die Aura nicht stark genug von Theoderich, um mich dahin zu ziehen. Aber da soll er doch liegen. Genau. Und das soll doch der Dietrich, warum auch immer der Dietrich von Bern sagen.
SOLVEIG
00:27:06
Ja, also da hab ich auch gelesen, das ist nicht mehr so überzeugend, dass das lange gedacht wurde, weil nun da kommen wir jetzt zu dieser Lautverschiebung, weil tatsächlich Dietrich ist die modernere, in Anführungszeichenform von Theoderich. Oder ich hatte das ja jetzt eben auch von den Chilperichs und die Merowinger heißen alle Chilperich. Und das ist bei Dietrich eben auch passiert. Zumindest geht man davon aus, dass der kam noch nicht aus Bern. Ja, habe ich auch nachgelesen. Bern meint eigentlich Verona. Ja, aber Theoderich hat auch nicht in Verona gelebt, sondern eben in Ravenna, hast du ja schon gesagt. Und irgendwie stimmt das auch mit der Genealogie nicht überein, die eben im Nibelungenlied gegeben wird oder auch in der T-Drecks Saga gegeben wird. Zu dem, was wir über Theoderich den Großen wissen. Deswegen ist schwierig. Ich bin da eh so immer so ein bisschen vorsichtig so eins zu eins in die Geschichte zu gucken, dass ist der Vorgänger und das hat das inspiriert.
DANIEL
00:28:31
Also bei der Dietrich hatte doch jetzt noch mal eine eigene Sage. Also gibt es da noch mal irgendwo Hinweise, wo der ursprünglich herkommt?
SOLVEIG
00:28:40
Da kommt es eben mit Bern, da kommt es mit seiner Genealogie, wie sein Vater und so weiter hieß und da hat man das eben festgemacht und gesagt, das passt nicht mit Theoderich zusammen. Das geht nicht, weil Theoderich kam ja auch aus Konstantinopel bzw. hat dort lange gelebt und das tut Dietrich von Bären auch nicht und hat mit den Hunnen auch wenig zu tun und deswegen ist das alles so ein bisschen schwierig und wie gesagt, ich finde es eh immer schwierig zu sagen, dass es der definitiv historische Vorgänger, daran hat sich das abgeleitet. Also man kann schon sagen, diese Ereignisse um Attila herum haben das höchstwahrscheinlich inspiriert, aber die Geschichte hat dann doch ihren eigenen Weg genommen, hat so einen eigenen Kosmos geschaffen und was wir jetzt auch gar nicht mit drin haben, ist dann auch das, was im Grunde diese Welsungensaga oder Welsungensaga dann draus macht. Also das, was wir hier haben, das Nibelungenlied ist inhärent christlich, wir haben es mit einer höfischen Kultur zu tun, die sich selbst als christlich versteht. Wir haben Etzel, der Heide ist und das wird dann irgendwie er ja, aber er ist trotzdem ganz netter. Und alles, was irgendwie nicht bekehrungsfähig ist, alles, was nicht in den christlichen Kosmos passt, wird ja auch rausgeschoben. Also dieser Drachenkampf und das mit dem Blut und auch die Nibelungen kommen eigentlich gar nicht vor. Die werden auch nur so erwähnt.
DANIEL
00:30:03
Das ist ja die Vorgeschichte, die dann so noch erwähnt wird, aber das ist eigentlich letztlich das, was wir jetzt abgeschlossen schon haben.
SOLVEIG
00:30:08
Ja, und worum es auch gar nicht geht im Blut. Also da geht es tatsächlich eher drum, wie werden historische, äh historische, wie werden höfische Regeln nicht eingehalten. Was passiert, wenn wir einfach mal diese höfischen, diese gesellschaftlichen Regeln eben komplett ausreizen und wenn wir Kompromisse unmöglich machen. Und dass diese Eskalation ist eben ganz klar im 13. Jahrhundert anzusiedeln. Und deswegen finde ich es auch immer sehr schwierig, wenn dann kommt Jahr und Hagens, Handlung, lassen sich nicht nachvollziehen und das Argument, dass er das alles tut, um Brunhild zu rechnen und ihren Ehrverlust zu rechnen, das ist überzeugend. Er ist eher germanisch irgendwas. Ich so, nee. Also das ist ganz klar im 13. Jahrhundert. Wir sehen hier Menschen, die in diesen Regeln arbeiten. Oder eben es wird geguckt, was passiert denn, wenn die sich mal nicht dranhalten. Das heißt aber wie gesagt nicht, dass es nicht eben auch andere Erzählungen gibt, wie eben die skandinavische Welsungensaga, die viel stärker eben in eine skandinavische Mythologie eingebunden ist oder Glaubenswelt eingebunden ist. Wie weit das jetzt wirklich als nordische Mythologie rekonstruiert ist, finde ich eben auch schwierig. Aber wir sehen da viel stärker Einflüsse. Wir haben die Walkyren, wir haben die Drachen, wir haben Zwerge. Also Dinge, die auch in der skandinavischen, ja nennen wir es jetzt mal, Aberglauben, bis heute noch existiert. Also die Isländer sagen ja immer noch, sie glauben an Riesen und an Feen. Also das finde ich ja auch sehr schön. Also das ist einfach viel inhärenter in deren Welt drin. Und dann überrascht es auch nicht, dass die das dann einbauen. Und das ist dann auch ganz anders. Also das hatte ich auch versucht, so ein bisschen zu erklären. Siegfried hat eine andere Origin-Story in dem Sinn. Also da ist er der Weise, der dann irgendwie meinem Schmied in die Lehre geht und sich dann eben diesen Namen macht. Da heißt Kriemhild auch Gudrun. Und das sind andere Dinge. Er lernt Brunhild auch früher kennen. Die sind dann auch verliebt ineinander. Aber durch einen bösen Zauber vergisst Siegfried dann, dass er Brunhild liebt und heiratet dann Gudrun. Also das sind ganz andere Geschichten. Also man merkt im Grunde, und das finde ich, das ergibt auch Sinn, wenn man sich anguckt, okay, diese Geschichte ist eben höchstwahrscheinlich in Mitteleuropa entstanden, wurde dann nach Skandinavien gebracht und die haben dann daraus ihren eigenen Bums gemacht. So fühlt sich das auch an. So und dann kommt noch dies dazu und dann kommt das noch dazu. Und also von daher finde ich es sehr, sehr schwierig, dann zu sagen, ja, das heißt, ich muss dann auf den, muss dann auf Theoderich, den Großen, das ist Dietrich von Bern gewesen. Ich glaube, da nimmt man diese Texte zu ernst. Also da kann den, diesen Leuten kann man ruhig ein bisschen mehr Kreativität zusprechen. Ja, ich habe auch mal einfach eine Deutung gelesen. Der Drache, der hat ja auch in der Wesungssaga einen Namen, Fafnir, der dann angeblich, ja, da haben sie dann den Varus, die Varusschlacht, reininterpretiert. Der Drache ist der Römer. Der Lindwurm ist der Römer, weil die Römer laufen ja mit ihren Schilden und glintern glänzend in der Sonne. Ich glaube, ihr nehmt das ja alles ein bisschen zu wirklich.
DANIEL
00:33:29
Ich kann das gut nachvollziehen, also diese Vorstellung danach zu suchen, was ist der Lindwurm. Das hatten wir schon mal in unserer allerersten Folge bei den Hexenglauben und der Arthus sage, dass ich mir natürlich irgendwie als Leser, wenn ich so eine Geschichte lese und es gibt eben dann nicht nur irgendwie einen Roman, klar, der Roman ist neu, beschreibt sein altes Sujet nochmal in modernen Versionen und mit anderen Schwerpunkten, aber man weiß, es gibt diese mittelalterlichen Geschichten und vielleicht auch wie bei Arthus dann irgendwie eigentlich eine Legende, die da im Hintergrund steht, oder? Dass es nicht nur auf dieser einen mittelalter, mittelhochdeutschen Darstellung beruht, sondern es gibt da noch was, was dahintersteht, was vielleicht älter ist und es gibt vielleicht Legenden, dass man sich natürlich irgendwie vorstellt, da ist jetzt irgendwo der wahre Kern. Wir müssen jetzt danach gucken in der Geschichte, wo ist der wahre Kern für diese Geschichte. Und ich kann das total verstehen, weil mir geht es eigentlich auch immer so, ich möchte jetzt wissen, wer ist denn jetzt der echte König Arthus? Den muss es doch gegeben haben, den Siegfried muss es doch gegeben haben.
SOLVEIG
00:34:34
Aber wie, so muss es sie denn gegeben haben?
DANIEL
00:34:36
Keine Ahnung, weil es einfach, Nibelungenlied ist halt nicht so was wie moderner Roman. Also wahrscheinlich, im Endeffekt ist es das. Im Endeffekt ist es ein mittelalterlicher Versroman. Was auch immer ihr Germanistinnen jetzt für Kategorien da haben. Das ist jetzt nur meine unwissende Ausdrucksweise. Aber je weiter so was entfernt ist zeitlich von uns, desto mehr finde ich, hat das so eine Art einfach von Legende, wo man ja doch bei Legenden eigentlich mal davon glaubt oder davon ausgeht, es gibt irgendwo so den wahren Kern, aus dem das heraus sich entwickelt hat. Also hat man, glaube ich, mehr so diesen Drang, ich möchte jetzt wissen, wer ist das und wo haben die gelebt, wo ist der begraben, wo ist der Nibelungen-Schatz heute? Nicht nur lange genug im Rhein graben und dann werde ich den wiederfinden.
SOLVEIG
00:35:23
Ich kann das ja auch verstehen und ich verstehe ja auch diesen Reiz, aber mir zum Beispiel reicht es, wenn ich weiß, okay, es wird höchstwahrscheinlich eben auf diesen Grundeinland...
DANIEL
00:35:31
Du möchtest ihnen die Kreativität zugestehen, da finde ich das natürlich nicht böse gemeint, wenn ich sage, die waren alle nicht kreativ. Darum geht es mir nicht, sondern ich möchte eigentlich, dass es keine Kreation ist. Ich möchte, dass es eine wahre Geschichte ist.
SOLVEIG
00:35:44
Ja, ich fände es auch schön, wenn es früher Drachen gegeben hätte und magische Schwärze und Gürtel, die einem übermächtige Fähigkeiten ver mitteln, aber ich glaube, dass es dem nicht so war. Und ich liebe das, ich liebe ja auch...
DANIEL
00:35:56
Aber da gab es halt die Brunhild und die war halt eine sehr starke Frau, das konnten sich die Männer nicht erklären, wie die Frau so stark sein kann.
SOLVEIG
00:36:03
Ja, aber die echte Brunhild hat ein deutlich schlimmeres Schicksal und Ende genommen, als die Brunhild zumindest hier bei uns im Nibelungenlied. In der Welsungensaga zünden sie sich ja immerhin noch selbst an.
DANIEL
00:36:12
Was ist das denn geworden eigentlich? Das spielt auch keine Rolle.
SOLVEIG
00:36:15
Nö, die sitzt dann da und...
DANIEL
00:36:16
Die ist in Worms geblieben und...
SOLVEIG
00:36:17
Die engagiert sich halt mit dem ganzen Bums und so.
DANIEL
00:36:27
Bei den wahren Grundlagen beim Siegfried.
SOLVEIG
00:36:29
Genau. Und was mich einfach so ein bisschen stört, und da ist dann auch so eine kleine Schälte nicht an die modernen Germanisten. Ich glaube, die verstehen das, wissen das selber. Aber ich habe auch sehr viel so frühere germanistische Studien zum Nibelungenlied gelesen. Und da ist schon so eine gewisse Herablassung mit drin. Der Boden hält gegen, oder? Nee, überhaupt der Dichtung der früheren Zeit nach dem Motto, ja, das konnten die nicht, die konnten sich sowas nicht ausdenken. Die könnten sich sowas nicht ausdenken. Ja, und da, das ist dann, wo ich dann komme, natürlich konnten die sich das früher ausdenken. Warum sollen die sich das früher nicht haben ausdenken können? Und da ist so ein bisschen, wo ich dann irgendwie bockig werde und das denen zugestehen will, weil ich denke, die waren genauso schlau wie wir. Die haben nur ihre Unterhaltung anders ausgeführt. Hier waren sehr viel mehr, dass sie eben im Sprechen oder im Singen oder im Vortrag ihre Kunst gestaltet haben, während wir viel mehr schriftlich festhalten. Aber die waren genauso kreativ, verdammt nochmal, und hört jetzt auf, denen das immer abzusprechen nach dem Motto, nee, so was können die sich nicht ausgedacht haben. Und Hagen ist ein germanischer Urtyp. Das sind aber schon sehr alte germanische Texte. Aber wenn man sich das durchliest, denkt man so, lass den doch das mal. Und deswegen bin ich dann immer so vehement und sag, natürlich haben die sich das ausgedacht, da gibt es keine historischen Vorbilder. Die Wahrheit wird sicherlich irgendwo dazwischen liegen.
DANIEL
00:37:54
Also du warst ja bei dem Burgunder-König nicht abgeneigt, dass das der Gunther H sein könnte.
SOLVEIG
00:38:00
Das passt ja auch. Und wie gesagt, der Dichter sagt ja eben auch, es gibt diese alten Geschichten. Und was wir eben auch haben im 12. Jahrhundert, aber auch noch im 15. Jahrhundert, ist, dass die, wenn sie zum Beispiel Genealogien schreiben von irgendwelchen Adelshäusern, dass die sich immer irgendwas ausdenken. So, und dann gab es den römischen König, und der hieß so und so, und der hat sich dann hier niedergelassen und den und den geheiratet. Also die denken sich immer irgendwas aus in die Ur- Die sind da sehr frei in ihrer Geschichtsschreibung, in dem Sinn, dass sie eben einfach Legenden schaffen. Und deswegen vielleicht auch nicht so ein strenges Geschichtsvorstellung haben, wie wir heutzutage haben. Da geht viel Legende, Mystik oder Mythos Hand in Hand mit tatsächlichen historischen Ereignissen. Das heißt, dass die eben so gewisse Versatzstücke von historischen Ereignissen genommen haben und sich das dann irgendwas drumherum ausgedacht haben, ist jetzt auch nicht überraschend. Aber wie gesagt, jede Figur in der Historie finden zu wollen, nach dem Motto, es gab den Siegfried und so, das finde ich halt ein bisschen, denke ich, so Leute, ihr könnt ihnen auch zusprechen, dass sie sich mal was ausgedacht haben. Oder hat es den Merlin jetzt wirklich gegeben? Könnt ihr ihnen auch mal zusprechen, dass sie sich den Merlin ausgedacht haben? Also das eben zu den historischen Grundlagen. Ich glaube, es ist deutlich geworden, was ich davon kannte. Denn wir gehen jetzt endlich dahin, worüber wir eigentlich... Zu Siegfried? Nein, Siegfried ist vorbei.
DANIEL
00:39:38
Ich dachte, das ist über das strahlende Germanische Held. Das ist doch der Hermann. Oh, das ist der Hermann angeblich.
SOLVEIG
00:39:46
Ist das der Hermann?
DANIEL
00:39:47
Im 19. Jahrhundert haben sie gesagt, Siegfried ist Arminius.
SOLVEIG
00:39:50
Ach so, ja, da kommt wahrscheinlich auch die Erklärung her, warum die Römer dann den Drachen darstellen.
DANIEL
00:39:54
Da habe ich mir nämlich tatsächlich was ausgesucht.
SOLVEIG
00:39:56
Möchte ich das haben jetzt? Ja, zu Siegfried habe ich nämlich nichts mehr.
DANIEL
00:39:58
Siegfried hast du nichts mehr? Nee, ha ha ha, da habe ich nämlich was ausgesucht. Und zwar gibt es nämlich ja, also offenbar war das so im Schwange, 19. Jahrhundert war und so. Früher ist 19. Jahrhundert. Wo der Hermann ja auch so eine neue Popularitätsschub bekommen hat. Also da war er früher schon mal populär gegen Rom und so, Reformatoren fanden den auch - glaube ich - toll.
SOLVEIG
00:40:22
Ja, aber nicht so unglaublich.
DANIEL
00:40:23
Da haben sie die Tacitus überhaupt erst gefunden. Überhaupt erst wiedergefunden, genau. Und aus dem Arminius den Hermann gemacht. Der Hermann, der Heerführer und so. Und im 19. Jahrhundert wird er ja dann wieder sehr populär, als der deutsch-germanische National hält und kriegt ja dann später sein Denkmal und alles drum und dran. Und vielleicht erinnerst du dich in meiner Lieblingsepoche, bei der wir auch noch in der künftigen Zeit, im kommenden Jahr, im neuen Podcast sicher noch viel mehr sprechen müssen, nachdem wir jetzt hier so mittelalterlastig waren dieses Jahr. Vielleicht erinnerst du dich an die Karlsbader Beschlüsse, wo der Deutsche Bund nochmal schön hier Pressezensur und guckt nochmal genau nach, was an den Universitäten und Schulen so gelehrt wird. Und bitte nicht zu viel davon. Oder am besten gar nicht so viel zur Freiheit, Vaterland und so Quatsch. Das brauchen wir nicht. Und diese Karlsbader Beschlüsse wurden ja ausgelöst durch einen Mord oder einen Attentat. Ich würde mal, also keine Ahnung. Er schreibt sich ja Kotzebuee, August von Kotzebuee. Aber wahrscheinlich im Sinne unserer westfälischen Herkunft ist das ja ein Dehnungs-H. Das westfälische Dehnungs-H. Egal, auf jeden Fall. Also er schreibt sich Kotzebuee. Ich würde ihn jetzt auch Kotzebuee aussprechen. Und der wurde ermordet von einem Burschenschaftler, Karl Ludwig Sand. Und der hat im Zuge dieses, ich glaube, sehr kurzen Prozesses, nämlich Folgendes von sich gegeben, das in den Akten tatsächlich zu diesem Prozess festgehalten wurde. Da hat er gemeint: „will uns die deutsche Kunst einen erhabenen Begriff von Freiheit bildlich geben, so soll sie unseren Hermann, den Erretter des Vaterlandes darstellen, stark und groß, wie ihn das Nibelungenlied unter dem Namen Siegfried nennt, der kein anderer ist als unser Hermann.“ Und das war für ihn offenbar auch ein wesentliches Motiv, diesen Kotzebuee umzubringen. Weil dir das nicht geglaubt hat. Also nimm dich in Acht. Weil der Kotzebuee war nämlich nicht nur grundsätzlich fand der Burschenschafter und Turner scheiße, sondern hat sich vor allem dagegen gewandt, dass das Nibelungenlied propagiert wurde, als patriotische Schullektüre in dieser Zeit. Und er gesagt, das brauchen die Kinder nicht lesen, das ist alles Bullshit. Warum nicht? Das hat auch mit Patriotismus gar nichts zu tun. Das fand der Kotzebue also so schlimm, dass er ihn umgebracht hat scheinbar. Und der Kotzebue fand nämlich auch, dass die Lektüre dieses Nibelungenliedes nur zur Militarisierung der männlichen Jugend beitragen würde. Ja, sowas brauchen wir nicht. So ein Vaterland-Verräter, den bringen wir mal gleich um.
SOLVEIG
00:43:16
Muss ich mich, glaube ich, in Acht nehmen.
DANIEL
00:43:18
Nimm dich in acht. Das so zum Sigfried.
SOLVEIG
00:43:22
Also wir kommen da auch, wir bleiben im Grunde auch in dieser Zeit. Beziehungsweise ich wollte ein bisschen früher anfangen. Denn für die, die sich noch an die letzte Woche erinnern...
DANIEL
00:43:30
Ja, komischerweise mit Friedrich dem Großen. Ich stieg mir mit Nibelungen auch nichts anfangen.
SOLVEIG
00:43:33
Der auch gesagt hat. Den haben sie nicht ermordet. Passt aber auch in die Zeit. Also ich hatte es ja erzählt, dass das Nibelungenlied tatsächlich, also bis ins 15. Jahrhundert hinein, sehr stark rezipiert wurde. Sehr viele Handschriften haben sich daraus erhalten. Und dann, Überraschung, Überraschung, hat man es nicht mehr so interessiert. Warum? Weil im 16. Jahrhundert der Humanismus beginnt. Das heißt, man rezipiert...
DANIEL
00:43:57
Das Mittelalter ja alles Mist.
SOLVEIG
00:43:59
Wir holen jetzt wieder die lateinischen Texte raus. Wir haben den Tacitus wiedergefunden. Jetzt lesen wir das. Und jetzt 1755 haben wir den Arzt Jakob Hermann Oberheit, der im Schloss Hohenems irgendwie die Bibliothek sich anguckt. Und der findet diesen Text im Grunde wieder. Er ist der Erste, der eine dieser Handschriften sich mal genauer anguckt und denkt, das ist doch ein interessanter Text. Und dann Johann Jakob Bothmer editiert 1757 zum ersten Mal einen Teil des Nibelungenliedes und macht das bekannt innerhalb der Wissenschaft in dem Diskurs. Und jetzt haben wir dann Bothmers Schüler, und da kommen wir zu Christoph Heinrich Miller wieder, oder Millet oder Müller, der nämlich den gesamten Text editiert. Und jetzt ist er aber ein bisschen durcheinander gekommen. Und der erste Teil editiert er aus Fassung A, und den zweiten Teil editiert er nach Fassung C. Also da geht ein bisschen was durcheinander. Aber das ist jetzt erstmal, ich finde das ganz nett, um das zu erwähnen. Aber an sich für den Inhalt ist das nicht so wichtig. Und Millet schickt dann eben Friedrich in Begeisterung. Guck mal hier, das ist voll toll. Und Friedrich der Große sagt, ne. Und es ist natürlich auch klar, wir sind eben in der Aufklärung. Man möchte Römer sein, man möchte Grieche sein.
DANIEL
00:45:25
Wobei, was hast du gesagt, 1984 war das, Zitaten. Das ist ja schon zwei Jahre bevor der stirbt. Da waren ja schon alte, ein bisschen verbohrte, alte Fritz.
SOLVEIG
00:45:34
Und dass der sich auch nicht so mit Literatur ausgegangen hat.
DANIEL
00:45:38
Mit Französischer schon. Ach so, ja.
SOLVEIG
00:45:42
Oder er konnte Voltaire nicht leiden.
DANIEL
00:45:45
Die konnten sich wahrscheinlich sehr leiden. Deswegen haben sie sich dann immer so gekabbelt.
SOLVEIG
00:45:47
Es kann natürlich, dass das eher so ironisch gemeint war. Dass er ihn einen hässlichen Affen genannt hat. Man ist nicht so begeistert von diesem mittelalterlichen Krempel. Und denkt sich so, was soll ich damit?
DANIEL
00:46:00
Wobei, wenn du dich erinnerst, wir haben es schon mal gesagt, Friedrich der Große hat das erste neogotische Bauwerk in Deutschland errichtet. Mit dem Nauener Tor in Potsdam.
SOLVEIG
00:46:08
Also es geht, glaube ich, langsam.
DANIEL
00:46:10
Vielleicht hat er es sich nicht selber überlegt, das weiß ich nicht.
SOLVEIG
00:46:14
Um 1800 geht dann ja auch die Romantik los. Sie wird ja auch nicht aus dem Nichts plötzlich, bumm, gewiss. Also wir wissen ja, es gibt immer schon Vorströmungen.
DANIEL
00:46:21
Die Typen, die dann in Bibliotheken irgendwelche alten Bücher plötzlich abstarben. Genau.
SOLVEIG
00:46:24
Und jetzt haben wir dann eben 1812. Und das ist sehr kurz vor den Karlsbader Beschlüssen. Die waren 1813, oder? Oder 17.
DANIEL
00:46:35
Jetzt bringst du mich natürlich wieder in Schwulitäten, weil ich mir das...
SOLVEIG
00:46:38
Ich glaube, 17 war nie.
DANIEL
00:46:42
Ich habe mir natürlich nicht aufgeschrieben, wann der hier umgebracht wurde. Ach Gott, ich glaube, es war 1819.
SOLVEIG
00:46:48
Ja, irgendwie so, also späte Zehner. Und im 1812 haben wir dann den Literaturhistoriker und den ersten Philologen August Wilhelm Schlegel. Und der deklariert das Nibelungenlied zum Nationalepos. Das ist unser Text.
DANIEL
00:47:05
Das ist dann der, der hier das propagiert zur Militarisierung der Jugend.
SOLVEIG
00:47:09
Also 1812, wir haben 1806 hinter uns. Es gibt kein Heiliges Römisches Reich mehr. Sie drehen alle durch, weil sie keinen Nationalstaat mehr haben. Sie müssen deutsche Kultur erhalten. Und jetzt das Nibelungenlied. Und ich weiß, dass du mal meintest zu mir, warum ausgerechnet das Ding? Warum nicht Parzival? Warum nicht Parzival? Wozu gehört Parzival? Zu welchem Mythos gehört Parzival? Wo lebt Artus?
DANIEL
00:47:42
Nicht bei uns.
SOLVEIG
00:47:43
Nicht bei uns. Parzival kommt...
DANIEL
00:47:45
Aber ist das nicht französischer Text? Die sind ja damals auch so verbandelt.
SOLVEIG
00:47:49
Also Wolfram von Eschenbach hat es ins Deutsche übertragen. Ich glaube, er hatte auch sehr viel Eigenes eingebracht. Er hat es nicht nur übersetzt. Dennoch gehört Parzival in die Rosenliteratur und ist eigentlich eben französisch. Und das ist jetzt halt ein Problem. Alle mittelalterlichen Texte, die man noch hat, gehen auf französische Vorbilder zurück. Auch der Artus-Mythos, der spielt zwar in England, aber wir haben ja im Grunde, ab Wilhelm dem Oberer Franzosen in England auf dem Ton, die sprechen auch französisch. Das ist sehr eng miteinander verknüpft. Und im Grunde der kulturschaffende Raum ist Paris, beziehungsweise Frankreich. Auch die Minne-Literatur, diese wunderschönen Liebesgedichte, entstehen ja so im 10. Jahrhundert, beziehungsweise im 11. Jahrhundert, im 10. also 10. irgendwas, in Okzitanien. Erinnerst du dich noch an Okzitanien? Das sind die Ketzer. Genau.
DANIEL
00:48:50
Unser Wolfram von Eschenbach hat von denen abgeschrieben.
SOLVEIG
00:48:53
Na, der vielleicht nicht mehr. Aber diese Minne-Literatur, diese gesamte Vorstellung von Minne-Liedern, die gehen eben auf die Okzitanien zurück, breitet sich dann über ganz Frankreich aus. Und das geht dann eben raus. Also, kulturschaffend sind die Franzosen.
DANIEL
00:49:09
Im 19. Jahrhundert geht das gar nicht mehr.
SOLVEIG
00:49:11
Und 1812 kann man nichts mehr lesen, was die Franzosen irgendwie angefingert haben. Und da geht eben halt der Parzival nicht mehr. Und auch Walter von der Vogelweide geht da nicht. Weil, der hat zwar auf Deutsch geschrieben und deutsche Texte, aber es ist ja halt alles französisch. Das ist halt alles von den Franzosen, die die machen. Das ist halt alles von den Franzosen inspiriert. Das geht nicht.
DANIEL
00:49:33
Und jetzt haben wir unseren ureigenen Text gefunden.
SOLVEIG
00:49:36
Hat nie ein Franzose angefasst. Sogar die, das habe ich es gerne getan.
DANIEL
00:49:41
Obwohl es am Rhein ist.
SOLVEIG
00:49:42
Obwohl, ja, dann ist es auch noch am Rhein, die Geschichte. Das war schon immer unseres. Ist unser Plus. Ist unser Gold, hat der Hagen in unseren Fluss geworfen. Also ist es halt alles drin, was jetzt im neuen Wunder ist.
DANIEL
00:49:57
Der Hagen ist nicht Franzose.
SOLVEIG
00:49:59
Na ja, von Tronje. Das kann man schon aussprechen.
DANIEL
00:50:03
Der Hagen ist ja auch so eine nationale, urgermanische Figur.
SOLVEIG
00:50:08
Der hat ja so einen Redemption-Arc im zweiten Teil. Und dann haben sie auch noch die Skandinavier mit übernommen. Und das sind ja eh die wahren, unbefleckten, von römischen, christlichen Einflüssen, unangetasteten, die Wikinger, die Reinen. Deswegen habe ich halt auch so ein Problem damit, wenn man immer sagt, in der Edda finden wir unangetastet nordische Mythologie. Schwierig, schwierig. Und auf jeden Fall deswegen ist es eben das Nibelungenlied, weil sie erzählen, das ist wie die Ilias, nur für uns. Das ist unsere Ilias. Und das haben eben die Franzosen nicht.
DANIEL
00:50:49
Aber du meintest da vorhin in der Pause, die wir hatten, das Nibelungenlied ist spannend, dass du schon sehr brennst.
SOLVEIG
00:50:54
Ich brenne sehr für die Geschichte. Es passiert aber auch einfach mehr. Die Ilias kann man einfach schneller erzählen und zusammenfassen.
DANIEL
00:51:03
Wir haben vorhin darüber nachgedacht in unserer Pause, dass wir die Ilias in so eine Kurzgeschichte reingequetscht haben.
SOLVEIG
00:51:08
Das war deutlich kürzer.
DANIEL
00:51:09
Und jetzt hier wird das Nibelungenlied doch ein bisschen länger brauchen.
SOLVEIG
00:51:12
Aber da passiert einfach mehr. Die Ilias kann man... Hätten wir die Odyssee gemacht, hätten wir auch länger erzählt. Dass Odysseus überall hingeht. Aber in der Ilias... Dann kämpfen die Gegner. Und dann kämpfen sie nicht gegen einen anderen. Und das ist halt einfach der Grund, warum es ausgerechnet das Nibelungenlied ist. Weil das Nibelungenlied in Frankreich offensichtlich nicht rezipiert wurde. Und höchstwahrscheinlich wirklich von sächsischen Dichtern eventuell. Also niedersächsischen, wer es heute geschaffen wurde. Oder zumindest hier irgendwie entstanden ist. Und jetzt geht's los. 1810 rasten sie aus. Also ich hatte schon gesagt, wir haben 35 Handschriften aus dem Mittelalter überliefert. Zwischen 1810 und 1890 entstehen 29 Nibelungenübersetzungen. Also 29 Mal wird dieser Mittelhochdeutsche Text ins moderne Deutsche betragen. Und 120 Textbearbeitungen. 120 Mal wird dieser Text entweder in Prosa zusammengefasst oder nacherzählt oder was auch immer. Und jetzt sind wir natürlich eben mitten im 19. Jahrhundert. Wir haben Nationalismus, der eben vorherrschend ist. Diese Vorstellung gerade auch eben in Deutschland beziehungsweise in den deutschen Ländern. Wir brauchen einen Nationalstaat. Die Franzosen haben einen und die Engländer auch und wir wollen eben auch einen. Und da eignet man sich das dann eben an, nach dem Motto unsere deutsche Kultur. Und das Nibelungenlied wird dann immer wieder ja dann herangezogen. Teilweise dann eben auch anachronistisch herangezogen. Beziehungsweise man nimmt dann auch lieber die Welsungensaga, weil die ist viel lustiger, weil da gibt es eben Walküren und Drachen und all das. Und dieses Nibelungenlied ist halt christlich und blöd. Also man möchte dann eben auch so ein bisschen neuheidnisch da rein. Und dann haben wir eben auch beispielsweise warum Wagner eben die Welsungensaga adoptiert, weil er eben lieber über Walküren und Drachen irgendwie Opern schreibt als über Christen, die zur Messe gehen. Und das nimmt dann auch so Züge an. Also ich weiß zum Beispiel, als ich in Rom war, haben sie erzählt, dass DHI, also das Deutsche Historische Institut, das sitzt heutzutage sehr weit draußen von Rom, hat historische Gründe, dass man nach dem Zweiten Weltkrieg gesagt hat, wir wollen euch nicht mehr hier im Herzen von Rom haben, weg! Und die saßen aber, das allererste Deutsche Historische Institut saß direkt am Kapitol in so einer Villa, die gibt es auch heute noch. Und da sind sie dann eben rausgeflogen. Also diese historischen Institute, es gibt auch das französische Institut, die haben sich vor allem eben Ende des 19. Jahrhunderts dort gegründet, weil der Papst das Archiv aufgemacht hat und gesagt hat, ihr dürft hier jetzt forschen und dann haben die sich gegründet. Und die Deutschen, beziehungsweise eigentlich eher die Preußen, oder das Deutsche Kaiserreich war es glaube ich schon in der Zeit, hat dann eben am Kapitol eine Villa bekommen. Und was machen die? Die Franzosen malen sich irgendwelche griechische Mythologie an die Wände und Wilhelm ist dann da irgendwelche Walküren an die Türen und Fenster malen. Fanden die Italiener nicht so toll.
DANIEL
00:54:25
Aber wieso fanden die das nicht so toll? Die kannten das wahrscheinlich gar nicht.
SOLVEIG
00:54:28
Was ist das denn für eine Geschichte? Aber die dachten sich dann mal doch unsere Mythologie. Fanden die halt blöd. Und ich glaube, das ist auch sofort übermalt worden, nachdem das Deutsche Historische Institut herausgeflogen ist. Ich weiß auch nicht genau, wie das ablief, aber das war so eine Geschichte, die mir da erzählt wurde. Und ich fand es so passend. Das ist so Wilhelminismus. Wir waren mal früher an die Wand. Das ist nee.
DANIEL
00:54:50
Das ist bestimmt schon noch vor dem Wilhelm gewesen.
SOLVEIG
00:54:53
Kann gut sein.
DANIEL
00:54:54
Das bestimmt hier mein persönlicher Lieblingskönig Friedrich Wilhelm.
SOLVEIG
00:55:00
Das kann sein. Aber ich glaube, die sind später erst gegründet worden. Die sind in den 70er und 80er erst gegründet worden.
DANIEL
00:55:07
Da hab ich nämlich noch gesehen, dass in der wunderbaren Burg Stolzenfels wird, die wir auch gesprochen haben in unserer Romantischen Mittelalter. Ich weiß es auch gerade nicht mehr. Das war auch die Revolutionsfolge, weil die hat Friedrich Wilhelm IV. geschenkt bekommen von den Koblenzern als Kronprinz. Und dann schön romantisiert ausgebaut, wie er sich seine mittelalterliche Burg vorstellt. Und da gibt es natürlich auch eine Siegfried-Statue. So der junge Siegfried. Und dann hat er das Marmor-Palais in Potsdam 1848 auch mit so einem Fresken-Zyklus in den Kolonnaden ausgestattet, was eigentlich überhaupt nicht da reinpasste.
SOLVEIG
00:55:53
Ja, und es gibt dann auch immer so Zitate, wie dann auch dieses Nibelungenlied politisch instrumentalisiert wird. Und da haben wir beide, haben wir eben auch im Vorgespräch festgestellt, Zitate rausgesucht.
DANIEL
00:56:03
Ja, das eine vor allem.
SOLVEIG
00:56:05
Und da wollte ich dir jetzt den Vorzug lassen, weil 1909 Bernhard von Bülow eben in einer Rede zur damaligen Bosnien-Krise erklärt, möchtest du das zitieren?
DANIEL
00:56:21
Ja, ich möchte das zitieren. Ich wollte nur kurz sagen, also Bosnien, das war glaube ich schon vor, österreichisch besetzt, wollte dann aber Österreich eben auch annektieren. Dann sind wir schon eh da, dann können wir es auch gleich richtig inkorporieren, hatten sich da mit Russland abgesprochen. Wir kriegen diese Bosnien und Herzegowina. Ihr dürft dann frei durch die Dardanellen und den Bosporus durchfahren. Also ist ja so die Zeit, wo man sich quasi die Osmanen untereinander aufteilt. Mehr oder weniger. Und dann, oh Wunder, die Engländer ein Problem damit haben, dass es die Russen irgendwie frei durch die Dardanellen einfach so die Kontrolle da haben sollen. Also platzt der ganze Deal und dann steht es kurz vor dem Krieg Russlands und Englands gegen Österreich. Eine sehr komplizierte Geschichte, wie immer auf dem Balkan. Und dann gibt es eben auch die Frage, wie verhält sich denn jetzt das Deutsche Reich zu seinem geliebten Nachbarn und Verbündeten, den Österreichern. Das sind sie ja damals auch, man hat sich ja kurz vorher noch bekriegt. Aber nachdem dann dieses deutsch-deutsche Problem gelöst war, mochte man sich ja durchaus wieder. Und Bismarck hat ja darauf bestanden, wir machen jetzt hier den Bund mit Österreich, wir gehören zusammen. Ja, da muss sich dann Bülow kurz erklären, noch mal im Reichstag später, wie er sich jetzt da verhalten hat, die deutsche Reichsregierung. Und da fällt eben ein Begriff, der viel später noch mal wichtig wird, nämlich von der Nibelungen-Treue. Und wir können ja gleich noch mal drauf reingehen, aber jetzt, du hast ja einer gekündigt, erstmal kurz die Rede, nicht komplett, keine Angst, vom 29.3.1909, die er im Reichstag gehalten hat, im Zuge einer ganz langen Rede über die Außenbeziehungen des Reiches. Erst mal berichtet er noch davon, wie der englische König da war und wie toll das war. Und dann geht es eben um die Bosnien-Annexion Österreichs. Meine Herren, ich wende mich nun zum nahen Orient. Es ist, wie Sie wissen, ein Gerede aufgebracht worden, als wäre ich anfangs unsicher gewesen wegen der Haltung, die wir einzunehmen hätten gegenüber der Annexion von Bosnien und Herzegowina. Es ist sogar versucht worden, mich durch die Presse unserem österreichisch-ungarischen Bundesgenossen als schwankend, bedenklich und vertrauensunwürdig zu denunzieren. Hört, hört! Also die stenographischen Bemerkungen im Text. Dann weiter, ein bisschen später. Glauben Sie wirklich, meine Herren, dass wir einen neuen Freund gewonnen, irgendeinen Ersatz gefunden hätten für ein durch 30 Jahre bewährtes Bündnis, wenn wir die Probe auf unsere Treue nicht bestanden hätten? Lebhaft ist sehr richtig. Lediglich aus Furcht, den Anschluss an andere Mächte nicht zu finden, wiederholt es Lebhaftes sehr richtig. Wir würden uns, meine Herren, sehr bald und dann ohne Österreich-Ungarn derselben Mächtegruppierung gegenüber gesehen haben, der Österreich-Ungarn hätte weichen müssen. Sehr richtig, auf allen Seiten des Hauses. Gewiss, meine Herren, Deutschland ist stark genug, um sich im Notfalle auch allein zu behaupten. Vielfaches Bravo. Das ist aber kein Grund, einen loyalen Bundesgenossen, der überdies ein außerordentlich wichtiger Faktor in der europäischen Staatengesellschaft ist, in einer für ihn schwierigen Lage allein zu lassen und auf andere Freundschaften anzuweisen. Lebhaftes sehr richtig. Meine Herren, ich habe irgendwo ein höhnisches Wort gelesen über unsere Vasallenschaft gegenüber Österreich-Ungarn. Das Wort ist einfältig, sehr richtig und Heiterkeit. Es gibt hier keinen Streit um den Vortritt, wie zwischen den beiden Königinnen im Nibelungen-Liede. Aber die Nibelungen-Treue wollen wir aus unserem Verhältnis zu Österreich-Ungarn nicht ausschalten. Lebhaftes Bravo. Die wollen wir gegenseitig bewahren, erneuter Beifall. Meine Herren, damit aber ängstlichen Gemütern nicht Bilder blutigen Kampfes emporsteigen, beeile ich mich hinzuzufügen, dass ich gerade in unserem Festen zusammenstehen mit Österreich-Ungarn eine eminente Friedenssicherung erblicke. Sehr wahr ist der letzte Beifall des Hauses. Da taucht sie eben auf, die Nibelungen-Treue, die dann irgendwie 1914 das Schlagwort der Stunde überhaupt wird.
SOLVEIG
01:00:32
Genau.
DANIEL
01:00:32
Und was ist damit eigentlich gemeint? Wer ist da treu wehm gegenüber? Wir gehen alle gemeinsam in den Tod.
SOLVEIG
01:00:38
Wir gehen alle zusammen in den Untergang. Das ist eben auch so diese Frage, wo kommt das überhaupt her? Manche erinnern sich vielleicht auch daran, ich hatte in der Zusammenfassung vom Nibelungenlied immer von diesem Volker gesprochen. Der Volker, ja, Mensch. Der Volker, der fiedelt halt ein paar Volksliede. Der ist an sich für die Geschichte nicht so wichtig, wird aber bei dieser Freundschaftsschluss Deutsches Kaiserreich, Österreich, Ungarn interessant. Zumindest finde ich das. Weil neben dieser Nibelungentreue eben auch diese Freundschaft zwischen Hagen und Volker hochkommt und sagt ja, die beiden und Hagen, das ist das Deutsche Reich, die sind so ein bisschen ernst und ein bisschen zurückhaltend und mürrischer, aber Volker, das ist der Fröhliche, der Lustige, das sind wie die Österreicher, die sind ja auch viel lustiger und lockerer.
DANIEL
01:01:24
Die haben ja auch südliche Gefilde da, und können sich an der Adria entspannen.
SOLVEIG
01:01:29
Dem Grund habe ich den Volker eben, also für euch vor einer Woche, für uns eben, immer angeführt, dass der schon mal gehört wurde, weil das eben hier auch noch mal diese Freundschaft zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn bestätigen soll. Und die beiden, was ich bei der Zusammenfassung nicht mit reingenommen hatte, ist dann auch, das wird dann auch in der Geschichte später noch mal ein Thema, die kämpfen ja sehr doll und irgendwann lässt Kriemhild den Saal anzünden. Und dann brennt der Saal und diese kämpfen. Ja, das habe ich vorhin weggelassen. Und weil das auch so eine Szene ist, wo ich ernsthaft zugebe...
DANIEL
01:02:10
Zudem, was du alles erzählt hast, was da parallel stattfinden soll in diesem Saal, dann brennt auch noch ein Feuer, währenddessen verhandeln die da ihre Freundschaft, Geschenke tauschen, niederknien, sonst was. Das war völlig absurd.
SOLVEIG
01:02:22
Also manchmal verlieren die mich auch in dieser... Also manchmal verliert sie mich, wo ich so denke, was passiert jetzt schon wieder? Und irgendwann brennt halt dieser Saal.
DANIEL
01:02:31
Da muss doch da dabei sein. Moment, ich muss mal eben kurz hier ein Feuer machen.
SOLVEIG
01:02:36
Sie schickt irgendwen und ich weiß auch nicht, wo die dann sitzen, aber die ziehen sich dann auch irgendwie in den Saal zurück und der wird dann angezündet. Und dieser Saalbrand, da schließen sie, dann sagen sie noch mal, wir kämpfen dann. Bis zum Unterlagen. Das sagen die nicht mal. Das ist auch wieder so dieser Punkt. Ich finde auch Rezeption ganz spannend, die Nibelungen sind nicht so treu. Also das wird denen dann immer unterstellt. Ja, und Hagen und so weiter.
DANIEL
01:03:03
Ich habe aber noch gelesen, dass Kriemhild einmal verlangt hat. Ihr seid zwar auch bei mir unten durch, aber ich lasse euch in Ruhe, wenn ihr mir den Hagen rausgebt. Und wo der Gern und nicht der, wie heißt er, Gunther. Ist ja alt, wo der Gunther gesagt hat, nein, das mache ich nicht, weil das ist ja mein Diener, dem ich Schutz versprochen habe und den gebe ich nicht her. Und im Zweifel müssen wir dann halt für Hagen in den Kampf ziehen. Dass das eigentlich die Nibelungentreue ist. Zwischen dem Herrn und seinem Vasall oder dem eigentlich letztlicher Freund, Vertrauensmann, und gar nicht so als Vasall rüberkommt, jetzt für moderne Leserschaft. Es ist ja nicht mehr klar, was da im Mittelalter, das ist jetzt irgendwie, welche Rang und so weiter, welche Bedeutung das alles hat. Und deswegen hier, ja, diese Nibelungentreue, von wegen, nein, unseren Freund, egal was er gemacht hat, den geben wir nicht auf, sondern wir kämpfen gemeinsam Seite an Seite.
SOLVEIG
01:03:55
Na gut, das kann natürlich sein. Das gebe ich, das gebe ich recht. Aber trotzdem auch an anderer Stelle, wie gesagt, die sind teilweise, da sind sie dann treu, aber anderer Seite sind sie dann nicht treu. Und also, die handeln teilweise eben auch so ein bisschen, ja, wie echte Menschen halten. In dem Moment halte ich mich dran, in einem anderen Moment halte ich mich nicht dran. Also es ist eben, also es ist gut, dann Hagen wird nicht rausgegeben, Krimil zündet dann den Saal an. Gut, machen wir es so. Und das wird eben eben gesagt, also treu bis im Untergang. Und das wird eben dann immer, das ist eben diese Nibelungentreue.
DANIEL
01:04:30
Und das wird Kriemhild keine Burgunderin, keine Nibelungin. Das ist die Schwester. Und die haben die einfach weggeworfen eigentlich.
SOLVEIG
01:04:37
Das ist so mit den Nibelungen halt auch. Das sind ja alles keine Nibelungen. Also Siegfried erobert die Nibelungen.
DANIEL
01:04:45
Wieso sind das Nibelungen, wenn es Burgunder sind?
SOLVEIG
01:04:47
Weil sie es ja nicht sind.
DANIEL
01:04:48
Also haben die mir einen Namen gegeben, damit sie sich nicht an das historische Original halten müssen.
SOLVEIG
01:04:54
Also die Nibelungen sind diese zwei Jungs, die Siegfried besiegt, weil er ihren Schatz nicht richtig sortiert. Und dann wird er im Grunde Nibelunge. Aber tatsächlich im Text auch werden die Burgunder auf einmal Nibelungen genannt. Vielleicht weil sie den Schatz an sich genommen haben. Keine Ahnung, weil sie Siegfried besiegt haben. Und damit ist es an sie gegangen. Diese Nibelungen, die gibt es sie eigentlich gar nicht. Siegfried erobert die und dann ist er irgendwie Herr von denen. Aber niemand von den Beteiligten gehört zu den Nibelungen. Es ist irgendwie auch, wie gesagt, vielleicht habe ich es auch. Ich gebe hier auch zu, ich verstehe nicht alles von diesem Text. Und manchmal denke ich, sitze ich da auch und denke, was? Also vielleicht habe ich es auch einfach. Aber eigentlich ist da kein Nibelunge dabei. Aber sie werden Nibelungen genannt. Und jetzt sagt man eben, das sind die Nibelungentreue. Also treu, obwohl man weiß, wir gehen zusammen in den Untergang. Und das lehnt ja auch Bülow ab und sagt, nein, das ist ja keine Nibelungentreue.
DANIEL
01:05:55
Er sagt, das ist der, das ist kein Streit und ein Vortritt wie bei den beiden Königinnen in den Nibelungenlied. Aber die Nibelungentreue wollen wir aus unserem Verhältnis zur Österreich-Ungarn nicht ausschalten.
SOLVEIG
01:06:08
Das stimmt.
DANIEL
01:06:09
Wir sind Nibelungentreue und gehen in den Untergang. Aber weil wir ja Frieden halten, passiert das ja nicht.
SOLVEIG
01:06:14
Also er relativiert es nochmal irgendwie. Aber eigentlich so, das leidet sich dann daraus. Und also wir haben dann eben diese Vorstellung, diese Verbindung. Und jetzt 1914, da wo hattest du ja eben schon hinleiten wollen, haben wir dann tatsächlich die Eskalation im Ersten Weltkrieg. Da wird dann immer auch gesagt, Kaiser Wilhelm II übernimmt diese Rhetorik von der Nibelungentreue, wenn er den Krieg klärt. Da bin ich mir nicht so sicher. Du hattest aber glaube ich noch ein anderes. Und weil da habe ich nämlich die sehr berühmte Kriegserklärung von ihm.
DANIEL
01:06:50
Kriegserklärung oder die Rede?
SOLVEIG
01:06:51
Nein, die Rede, warum wir jetzt Krieg haben müssen.
DANIEL
01:06:54
Also die hat er da am Schlossbalkon.
SOLVEIG
01:06:55
Genau. Ich nehme auch wie hier nur ein Ausdruck, nicht das ganze Ding. Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, dass wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischem Überfall rüsten. Man will nicht dulden, dass wir in entschlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein Ansehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist. So muss denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterland.
DANIEL
01:07:33
Ich nehme es ja jetzt ein bisschen übel, dass du das lesen durftest.
SOLVEIG
01:07:38
Wir können es auch noch mal tun. Du kannst es auch schöner, ich weiß.
DANIEL
01:07:44
Nein, nein, nein, das will ich gar nicht sagen.
SOLVEIG
01:07:47
Es gibt ja auch noch tatsächlich eine offene Tonaufnahme von ihm.
DANIEL
01:07:51
Das war lange, wo es immer gesagt sei, die älteste Tonaufnahme auf seiner Edison-Walze, die natürlich nicht in dem Moment aufgenommen wurde, die auf dem Balkon zu den Menschen im Lustgarten gesprochen hat, sondern ich glaube zwei Jahre später. Dann auf so eine Edison-Walze nochmal aufgesprochen hat. Aber dann haben wir ja später nochmal andere Rollen entdeckt, dass es sogar von Bismarck eben eine Aufnahme gibt, wo man diese Piepsstimme hören kann, die er tatsächlich hatte.
SOLVEIG
01:08:16
Ich muss auch sagen, in dieser Tonaufnahme von Wilhelm, da klingt er auch nicht so oft zu den Waffen. Das klingt sehr...
DANIEL
01:08:22
Ja gut, das sitzt halt am Tisch, ne? Fühlt sich wahrscheinlich sehr komisch, dass er in diesen Trichter da reinreden soll. Hat das zum ersten Mal irgendwie vor sich, das Teil. Und vorher noch, wie soll das jetzt da funktionieren?
SOLVEIG
01:08:32
Und der Berliner hat auch sehr leicht, das finde ich sehr niedlich.
DANIEL
01:08:35
Da muss man sich glaube ich auch hier FP4 in der Revolution, wenn der so eine Reden hält, immer so richtig schön fett Berlinerisch dazu denken.
SOLVEIG
01:08:45
Das wird dann auch immer mit dieser Nibelungentreue gleichgesetzt. Er sagt es nicht aktiv, er spricht nicht von den Nibelungen, zumindest an dieser Stelle, nicht wo ich so denke, okay. Er sagt nur treu, meine Gute. Er spricht von Treue und von verlorener Ehre, wenn man jetzt nicht... In der Zeit kommt man da glaube ich auch ohne Nibelungen dahin. Aber wenn man möchte, kann man es lesen.
DANIEL
01:09:09
Aber es wird auf jeden Fall dann populär, es wird jetzt Quatsch. Nur weil einmal Treue zum Bundesgenossen sagt, ist gleich wieder hier die Nibelungentreue. Also Treue für sich existiert schon mal auch. Aber es wird ja dann tatsächlich populär. Es wird vor allem in der Kriegspropaganda, in den ganzen Postkarten, die man druckt, wird darauf Bezug genommen, dass wir wie die Nibelungen treu sind. Das passiert dann tatsächlich. Aber ich hatte eben auch witzig, dass mir dann eingefallen ist, dass Wilhelm II schon in einer Rede sehr viel früher nicht von Nibelungen spricht, aber eine andere Person erwähnt, die im Nibelungenlied eben auch eine Rolle spielt. Und wo offenbar er findet, die Deutschen sollten sich eigentlich verhalten wie die Hunnen, die für den Tod der Nibelungen da letztlich mit verantwortlich sind. Ja, also Kreml hat hier nicht alleine um dich zur Strecke gebracht.
SOLVEIG
01:10:07
Etzel ist ein ganz Lieber.
DANIEL
01:10:08
Also ja.
SOLVEIG
01:10:09
Auch wenn er Heide ist, ist das nicht schlimm.
DANIEL
01:10:13
Also während die Deutschen wir uns quasi 1914, 18 identifizieren mit Nibelungen und ihrer Treue zu ihren Bundesgenossen, identifizieren andere uns, nämlich die Briten vor allem, mit dem Volk der Hunnen. Und das basiert auf einer Rede, die Wilhelm II zur Verabschiedung eines Expeditionskurses gesprochen hat, das sich aufgemacht hat, Richtung China und den dortigen Boxeraufstand niederzuschlagen mit anderen vor allem europäischen Mächten. Und da hat er kein Blatt vor den Mund genommen. Er selbst hat natürlich noch kein Skript überliefert. Wahrscheinlich hat er auch frei gesprochen. Der hätte gerne mal so Reden gehalten, sehr engagiert und sich zumindest an das Skript auch nicht immer gehalten. Und da gibt es natürlich aber andere, die das mitgeschrieben haben. Und das dann mehr oder weniger übereinstimmt, was sie da überliefern. Und so soll er gesagt haben am 27. Juli 1900: “Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen. Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferungen Märchen gewaltig erscheinen lässt. So möge der Name Deutscher in China auf tausend Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen deutschen scheel anzusehen.“ Ein grandioses Stück Kaiser-Literatur. Es ist gut, dass es damals noch kein Twitter gab. Da hätte der morgens zum Frühstück schon seine Sachen rausgehauen. Aber ich fand es einfach nur interessant, dass es fiel mir irgendwie so ein, dass er da König Etzel und die Hunnen quasi als Vorbild nimmt. Und neun Jahre später sind wir dann die Nibelungen. Und der Hunde ist eigentlich das Feindbild bei den Briten.
SOLVEIG
01:11:58
Ja, also wir sind ja immer noch The Huns. Also heutzutage wahrscheinlich nicht mehr. Aber wenn man mal so einen irgendwie englischen Historienfilm guckt und sie dann, wo es um den Ersten Weltkrieg geht, oder ich glaube, im zweiten kommt die Bezeichnung auch noch, und sie dann von The Huns reden oder den Hunnen, dann das sind wir. Da meinen die nicht wirkliche Hunnen, sondern uns.
DANIEL
01:12:23
Aber der Ätzle, der war ja eigentlich auch nett. Also in dem Nibelungenlied ist das ja der Nette. Der Nette Heide.
SOLVEIG
01:12:28
Der hat nichts falsch gemacht.
DANIEL
01:12:31
Der stand da nur irritiert im Saal und dachte sich, wie verbrennt denn das jetzt und wieso schleckt man das Frau dem Typ den Kopf ab?
SOLVEIG
01:12:35
Wieso habe ich diese Frau geheiratet? Es ging mir so gut.
DANIEL
01:12:45
Und zehn Jahre war doch eigentlich auch Ruhe. Finden wir das jetzt immer noch toll?
SOLVEIG
01:12:53
Den Äpfel?
DANIEL
01:12:54
Zur Rezeption.
SOLVEIG
01:12:55
Ein bisschen geht es noch weiter. Bei den Nazis wahrscheinlich. Und auch so im Weg zu den Nazis. Das fand ich ganz interessant. Das habe ich so noch nie gesehen. Können wir auch gerne darüber diskutieren. Weil es dann tatsächlich so Stimmen gab, die sagten, von Bernhard von Bülow, der die Nibelungentreue beschwört, und dann Wilhelm, der das eben in seiner Erklärung zum Krieg noch mal zitiert, wo wir ja schon drüber gesprochen sind. Wir tun es nicht direkt. Dann wird dann eben auch die Dolchstoßlegende so gewertet. Weil die Dolchstoßlegende entsteht ja dann eben 1918 nach dem verlorenen Krieg. Dann auch von Hindenburg und Ludendorff vorangetrieben. Nach dem Motto, wir waren auf dem Feld unbezwungen, aber die Heimatfront, die haben uns von hinten den Dolch in den Rücken gerammt. Und deswegen hat Deutschland verloren. Und da wird dann eben auch gesagt, naja, wer kriegt denn auch von hinten die Waffe in den Rücken? Das ist der gute Siegfried.
DANIEL
01:13:53
Ja, das finde ich jetzt auch wieder komisch, so was zusammenzuhängen. Weil der Hagen von Tronje ist eigentlich keine negative Figur, wenn man an die Nibelungen treu denkt. In dem Sinne, wie ich es jetzt gerade erzählt habe, dass der Hagen von Tronje nicht ausgeliefert wird von den burgundischen Königen. Also die sind ja eigentlich die positiv besetzte Combo. Und der Siegfried ist irgendwie so ein strahlender Held, der aber dann irgendwie...
SOLVEIG
01:14:17
Vom bösen Hagen getötet wird.
DANIEL
01:14:18
Vom bösen Hagen. Also es passt einfach alles überhaupt nicht.
SOLVEIG
01:14:20
Es passt alles nicht. Aber im Grunde kann man jetzt nickelig sein, aber sagen, naja, Hagen tötet Siegfried, aber auch nicht mit einem Dolch.
DANIEL
01:14:27
Ja, das sowieso. Ich glaube, das Bild, dass jemand in den Rücken erstochen, getötet, geschossen wird, wie auch immer, ist, glaube ich, stark genug, ohne dass man der Hagen von Tronje bemühen muss.
SOLVEIG
01:14:39
Also ich finde eben so Rezeption von mir aus, wenn ich ohne nicht hinkomme, wenn er hier von Nibelungen Treue spricht, da ist es ganz klar, wenn er vom Streit der Frauen vor Münster spricht, ja. Aber auf Treue kommen die auch ohne Nibelungen und auf einen Dolch, der einem von hinten in den Rücken gerammt wird, da kommt man auch ohne Nibelungen hin.
DANIEL
01:14:57
Ja, das ist, glaube ich, so als verräterischste Stufe ist das stark genug, ohne dass man jetzt Siegfried und die Lanze vor Augen macht.
SOLVEIG
01:15:03
Ja gut, dann kann man natürlich sagen, ja, aber wer wird denn noch von ihm enttäuscht?
DANIEL
01:15:07
Dass man jetzt vier Jahre lang von Treue und Bündnistreue geredet hat. Aber ich glaube jetzt unabhängig davon, dass es irgendwie die Nibelungen-Treue da als Worte oder Vorstellungen gab. Einfach, dass es sozusagen Treue und Bündnis und bla bla. Und dass das jetzt so eine möglichst starke Verratsumschreibung ist, einen Dolch in den Rücken zu bekommen. Liegt dann, glaube ich, auch nahe, ohne dass es jetzt unbedingt Hagen und Siegfried sein muss.
SOLVEIG
01:15:31
Ja, also ich meine, wir haben ja auch heute immer noch das Wort, du hast mir ein Messer in den Rücken gerammt. Also wenn man sich irgendwie falsch angegangen fühlt oder verraten fühlt. Ich weiß es nicht. Also natürlich, also vielleicht, wenn man es eben in diesem Kontext sieht, die haben diese Nibelungen einfach groß gemacht und dass da eine Verbindung vielleicht kam. Also ich fand es eben ganz interessant, es eben in diesem Zusammenhang zu sehen, weil ich das so noch nie gesehen hatte. Für mich ist die Dolchstoßlegende eben einfach der Dolch, der kommt von hinten unerwartet und ungesehen von den Verbündeten. Dann geht es weiter, in den 1930ern haben wir die SS, die ein Motto haben und ihr Motto ist, meine Ehre heißt Treue. Ja, auch da. Also ich verstehe schon so ein bisschen, dass man sagt, es ist dadurch inspiriert worden, weil ich bin mir nicht so sicher, wie weit im 19. Jahrhundert Themen wie Ehre und Treue es vorhanden waren ohne die Nibelungenrezeption. Weil das sind ja doch eher, müsst ihr euch Anführungszeichen denken, archaische Werte, die wir sehr stark aus dem Mittelalter kennen, wo eben Ehre und Treue tatsächlich gesellschaftliche Normen sind, die das Zusammenleben regeln, die jetzt im 19. Jahrhundert mit dem Militarismus eigentlich nicht mehr bestehen. Man benutzt die nur noch mehr als fliegende Wörter, so meine Ehre und den Treue stehe ich zu dir, die höchstwahrscheinlich wirklich mit der Mittelalterrezeption zusammenhängen. Und deswegen könnte ich mir vorstellen, dass das hier so ein bisschen angetatscht wird.
DANIEL
01:17:08
Ja, ich habe keine Ahnung, wie da die Führer der SS die Nibelungenlied gelesen haben.
SOLVEIG
01:17:12
Also sie haben es ja auf jeden Fall rezipiert.
DANIEL
01:17:14
Sie haben es bestimmt gelesen und sie haben auch von Nibelungen und Treue gehört ein paar Jahre vorher. Ich glaube aber auch die Vorstellung von Ehre und Treue seit den Befreiungskrägen ist ja so stark. Und die Nibelungen kommen einfach noch extra für die, die halt Gymnasium besucht haben. Oder ich weiß nicht, ob man es in der Volksschule schon gelesen hat. Aber ich würde jetzt nicht jedes Mal, wenn jemand von Treue redet, das direkt immer darauf beziehen. Mag natürlich sein, dass die, die den Spruch beschlossen haben, da natürlich ein konkretes Beispiel vor Augen hatten.
SOLVEIG
01:17:40
Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall, da kommen wir dann eben dazu. Ich weiß zum Beispiel, Josef Göbbels hatte angeblich einen Teppich mit den Nibelungen drauf. Den hat er sich knüppeln lassen und aufhängen lassen. Und wir haben auch Hermann Göring, der in einer Rede erklärt, als die Truppen in Stalingrad, ich glaube, das erklärt er eben auch, man müsse durchhalten, wie die Burgunder im brennenden Saal müssten sie jetzt in Stalingrad durchhalten.
DANIEL
01:18:11
Ja, alle da rausgekommen.
SOLVEIG
01:18:12
Sind alle lebend rausgekommen aus dem brennenden Saal.
DANIEL
01:18:17
Es ist einfach komisch, dass das Leute motivieren soll.
SOLVEIG
01:18:19
Verstehst nicht.
DANIEL
01:18:22
Haltet aus wie im brennenden Saal, dann gehe ich halt drauf.
SOLVEIG
01:18:25
Die sind alle gestorben.
DANIEL
01:18:26
Wieso motiviert das?
SOLVEIG
01:18:28
Also da war es definitiv eine ganz klare Nibelungenbezug mit dem brennenden Saal und die Burgunder. Und du denkst dir, aber die sind doch alle gestorben. Warum bist du... Ja, genau wie du das sagst, wieso motiviert das die Leute? Wieso meint er, das ist jetzt toll? Aber sie ziehen es eben ran. Und da merkt man dann eben auch so diese sehr enge Verknüpfung des deutschen Nationalismus, die eben dieses Lied einfach auch nutzen, um irgendwie ihre eigene nationale Ideologie zu formen. Das passt natürlich auch im Nationalsozialismus sehr gut, weil wenn dann eben diese, ja, dieses Germanentum und dann den Siegfried und das ist eigentlich der Hermann und das sind alles Germanen und aus der nordischen Mythologie und das Urreine und da. Wie gesagt, das ist so ein bisschen eben der Punkt, wo ich dann auch so ein bisschen Bauchweh bekomme, wenn man dann eben einfach das auch so nach erzählt, von wegen die Edda wäre irgendwie älter und würde die älteste Fassung haben, weil ich doch schon vermute, ich kann es nicht beweisen, aber ich vermute, dass doch solche Deutungen eben in dieser Zeit entstanden sind, dann in den 40ern, 50ern in die Wissenschaft eingegangen sind und eventuell dann doch diese braune Färbung haben, wo ich so denke, das hat das Nibelungenlied nicht verdient. Dafür kann es nichts, dass die es benutzt haben für ihre Ideologie des Hasses. Und deswegen bin ich da vielleicht auch immer ein bisschen überempfindlich, wenn es um nordische Mythologie und Germanentum geht, die man da drin finden möchte, weil ich sofort dann in den 30er-Jahren bin und denke, ey.
DANIEL
01:20:14
Ja, gut, in den 30er-Jahren, ich glaube im 19. Jahrhundert gibt es auch genug unangenehme Menschen, die das verherrlicht haben und vertont haben. Wo ich die Musik teilweise, so wie ich da manchmal pathetische Reden von Wilhelm irgendwie toll finde, als Text, um mir das vorzustellen, wie es da Überschwange von sich gibt, so höre ich mir manchmal vielleicht auch ein paar Wagner-Elemente an, Walküren, Rhythmen oder Gleichen, mal so aus Spaß einmal im Jahr. Ansonsten ist mir das echt irgendwie zu wieder. Ich kann das nicht ab. Ich freue mich, deswegen bin ich dir sehr dankbar, dass ich für deine anregende Zusammenfassung in der letzten Folge über das Nibelungenlied, das mir jetzt viel mehr Spaß nochmal macht, vielleicht da doch nochmal reinzublättern.
SOLVEIG
01:20:56
Auch da die Welsungensaga kann auch nichts dafür, dass Wagner da seine Finger dran getatschelt hat. Ich glaube, das war in einer Doku, das ist so richtig unangenehm. Wenn dann eben Leute sagen, Richard Wagner, das war ja nur Opern und so. Ja, aber diese Wesungensaga, wie gesagt, ich kann das jetzt nicht mit einem Zitat beweisen, ich habe das mal in einer Doku gesehen, wo Wagner angeblich ans Libretto schrieb, zu dem Zwerg, der Siegfried begleitet zum Hort und dann auch beim Drachenkampf hilft, aber dann sich gegen ihn wendet. Und er angeblich dann direkt ins Libretto geschrieben hat, das sind die Juden.
DANIEL
01:21:43
Ja, auch ohne das hat er genug unangenehme Dinge geschrieben.
SOLVEIG
01:21:47
Also da finde ich eben, Richard Wagner hat nicht nur Opern gedichtet.
DANIEL
01:21:53
Ganz zu schweigen, was in der Familiengeschichte und im Verlauf der Geschichte dazukommt. Also es ist ganz gut, dass wir, es tut mir leid schon, dass ich ihn angesprochen habe. Aber ich wollte am Ende schon sagen, wie komisch, dass wir über fast drei Stunden Podcast, den Namen Wagner nicht in den Mund genommen haben, aber es ist nun doch passiert.
SOLVEIG
01:22:10
Vielleicht schneiden wir noch einfach raus.
DANIEL
01:22:14
Lassen wir die Nibelungen oder vielmehr die Burgunder so stehen, wie sie waren. Dafür kann der Giselher überhaupt gar nichts. Der arme kleine Giselher. Das war wirklich noch der liebe Bruder. Auf den Giselher ein Schluck.
SOLVEIG
01:22:30
Ach genau, das wollte ich gern. Aber jetzt sitzen wir schon am Ende und haben schon angestoßen. Weil ich es auch sehr interessant finde, das habe ich jetzt weggelassen, weil ich dachte, das wird jetzt zu faserig. Ich liebe es ja so sehr, dass gerade die Nibelungen auch im Militarismus so hochgenommen werden. Und ja, und die kämpfen. Und die entsprechen aber in ihrem Handeln überhaupt gar nicht den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts, was auch so Maskulinität angeht und stärker angeht. Die weinen nämlich die ganze Zeit.
DANIEL
01:23:00
Die Männer?
SOLVEIG
01:23:00
Die Männer, alle weinen, alle weinen, die ganze Zeit. Alle.
DANIEL
01:23:04
Hagen weint?
SOLVEIG
01:23:05
Ich glaube, Hagen nicht.
DANIEL
01:23:06
Hagen vertraut mir, kann ich dir nicht weinend vorstellen.
SOLVEIG
01:23:08
Aber alle anderen. Es kam jetzt gerade bei Giselher, der weint. Siegfried weint, Gunther weint, alle weinen. Und das liebe ich so sehr, wie sie diesen Text nehmen und ihn irgendwie sich aneignen. Aber eigentlich entspricht dieser Text überhaupt gar nicht ihren Vorstellungen. Da ist nichts mit Germanen. Da ist nichts mit mythologischen Wesen. Und die Männer, die Vorstellungen von Männlichkeit sind auch komplett anders. Ich gebe es euch nicht her.
DANIEL
01:23:37
Also dann, damit verbunden die Einladung an euch alle und mich, das Nibelungenlied, doch noch mal die Hand zu nehmen, diesen ganzen national-germanischen Quatsch davon wegzuwischen und das noch mal mit Tränen in den Augen zu lesen. Und sich zu identifizieren mit einem Heldin oder einer Heldin oder eben auch nicht. Oder einfach mit Vergnügen dabei zuzusehen, wie der Saal brennt und alles in Asche runtergeht.
SOLVEIG
01:24:02
Wie einfach eine...
DANIEL
01:24:03
Ich muss ja zugeben, dass ich da die Kriemhild immer... Ich würde nicht sagen, dass ich es sympathisch fand, aber ich habe es immer so ein bisschen mitgenossen als sie ihre Rache dann genommen hat, dass sie da untergehen.
SOLVEIG
01:24:13
Also einfach so, ich finde es so schön, diese vermeintlich zivilisierte Gesellschaft, wie sie einfach eskaliert. Wie sie eskaliert.
DANIEL
01:24:21
Das ist sowieso immer dein Thema, die was eskaliert. Wir werden jetzt erleben, wie dieser Podcast demnächst auch... Eskaliert. Wir sind ja jetzt schon quasi eskaliert mit zwei Folgen innerhalb einer Woche. Aber das ist nur dem geschuldet, dass wir schon einen Plan haben, welche Folge dann euch Ende November erreichen wird. Also der November eskaliert einfach.
SOLVEIG
01:24:45
Der eskaliert auch richtig.
DANIEL
01:24:46
Flurfunk Geschichte ohne Ende. Seid gespannt, was dann folgt. Es wird die Epoche meines Herzens werden. Aber mehr verraten wir noch nicht. Wenn ihr das auf keinen Fall verpassen wollt, dann müsst ihr uns einfach abonnieren. Solltet ihr das noch nicht getan haben. Und läutet die Glocken und vergibt Sterne. Auch wenn ihr uns nicht hört, findet Geschichtspodcasts, wie unsere, sollten mehr Verbreitung finden. Dann unterstützt ihr uns sehr auf diese Weise. Und wir danken euch auf jeden Fall, dass ihr dabei seid. Du sowieso.
SOLVEIG
01:25:28
Du natürlich.
DANIEL
01:25:29
Du kommst ja im November auch wieder. Und damit wir dann weiter eskalieren zusammen.
SOLVEIG
01:25:36
Mit euch. Bis dann.
DANIEL
01:25:44
Was war denn das Thema deiner Bachelorarbeit?
SOLVEIG
01:25:46
Die Ehre Hagens von Tronje.
DANIEL
01:25:48
Die Ehre Hagens von Tronje?
SOLVEIG
01:25:49
Ob Hagen wirklich der Böse ist oder ob er nicht nach den Regeln der Gesellschaft haben wird.
DANIEL
01:25:57
Du hast natürlich gesagt, der ist nicht böse.
SOLVEIG
01:25:59
Ich bin natürlich gesagt, das ist nicht böse.