Willkommen bei Flurfunk Geschichte

Dein Geschichtspodcast mit Daniel und Solveig

FG040 - Maria Karolina | Die verkaufte Tochter

01.08.2024 80 min

Zusammenfassung & Show Notes

Ein Sommer in Sizilien wird Tradition bei Flurfunk Geschichte. Gleich mehrere Folgen widmen wir Maria Karolina von Österreich, Königin von Neapel und Sizilien! Als Tochter der Kaiserin Maria Theresia wird sie für die dynastische Hochzeitspolitik eingesetzt. Dabei war sie erst die dritte Wahl und gelangt nur durch die plötzlichen Tode zweier älterer Schwestern auf den Thron Neapel-Siziliens. Als eigentliche Herrscherin des Königreiches steht sie über Jahrzehnte im Mittelpunkt einer Geschichte, die von politischen Intrigen, Machtkämpfen und bemerkenswerten Persönlichkeiten geprägt ist.

Hochzeitsplanungen

Am Beginn unserer Geschichte stehen die hohen Erwartungen, die Kaiserin Maria Theresia an ihre Töchter hat und die sie ihnen auf den Weg gibt. Zunächst sind Tochter Johanna Gabriela und nach deren plötzlichem Tod die nächstjüngere Maria Josepha als Braut für den jungen König Ferdinand IV. von Neapel ausersehen. Am geplanten Tag der Trauung verstirbt auch Maria Josepha. Da nun aber bereits alle Vorbereitung getroffen sind, wird sie kurzerhand durch Maria Karolina ersetzt.

"Wenn sie nur ihre Aufgabe Gott und ihrem Gatten gegenüber erfüllt und sein Glück macht, wenn sie selbst unglücklich werden müsste, ich würde dann zufrieden sein." 
Maria Theresia

Neapel-Sizilien und sein König

Begleitet von ihrem Bruder Leopold bricht die junge Königin von Neapel unter Tränen gen Süden auf. Dabei weiß sie noch gar nicht welch außerordentlichen Charakter Ferdinand IV., König von Neapel hat. Die Botschafter heben vor allem sein wenig einladendes Äußeres hervor, besonders aber das eklatante Fehlen jeglicher Bildung. Sein neapolitanischer Dialekt, seine kindliche Art und Unbekümmertheit machten ihn beim Volk beliebt. Regieren war bis dato sowieso Sache des vom Vater eingesetzten Ministers Tanucci. Ferdinands Vater hat als Karl III. den spanischen Thron bestiegen und betrachtet Neapel noch immer als sein Revier. 

"Ich habe den König an Aussehen schlechter, aber an Verstand besser gefunden, als ich erwartet hätte." 
Sir William Hamilton - Britischer Botschafter

Maria Karolina wird es sich zur Aufgabe machen, ihren Mann zu mehr Selbständigkeit zu erziehen und ihr Königreich aus der Abhängigkeit von Spanien zu befreien. Aber zunächst erhält sie Besuch von ihrem kaiserlichen Bruder Joseph II. Dieser sendet Maria Theresia einen seitenlangen Bericht, der in aller Klarheit die bemerkenswerten Zustände am Hof von Neapel beschreibt. 

Ich würde niemals zu Ende kommen, wenn ich all die armseligen Dummheiten beschreiben müsste..." 
Kaiser Joseph II.

Hört Euch auch unsere Sizilien-Trilogie über Normannen und Staufer an! Daniel zitiert am Ende aus dem Buch "Das Europa der Könige" von Leonhard Horowski. Eine absolute Empfehlung, wenn ihr euch für das 17. und 18. Jahrhundert interessiert!

Dir gefällt Flurfunk Geschichte? Wir freuen uns über eine nette Bewertung oder eine Nachricht von dir. Du kannst uns auch über ko-fi unterstützen: https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte

Wir freuen uns über Kommentare und Fragen an kontakt@flurfunk-geschichte.de
Flurfunk Geschichte liefert Euch weitere Hintergrundinfos bei Facebook, Instagram, twitter und threads

Transkript

DANIEL
00:00:00
So, nach den ganzen Kommentaren, Solveig, die du bekommen hast, wie schön es doch ist, deine Stimme zu hören. Möchte ich dich gerne ein bisschen wieder auf den Boden zurückholen, dass du nicht zu sehr abhebst, mit den folgenden Worten. Deine Stimme und deine Art zu sprechen sind sehr unangenehm. Du musst dir also mehr Mühe geben als andere, um dich zu ändern und dich nicht so weit vergessen, die Stimme zu erheben. Sei niemals müßig, das ist gefährlich für alle Welt und noch mehr für dich, deren Kopf beschäftigt werden muss, um ihn zu verhindern, Kindereien und Bemerkungen zu machen und bei deinem maßlosen Wunsche, dich wenig vernünftig zu unterhalten. Nimm es dir bitte zu Herzen.
SOLVEIG
00:01:09
Ja, alles klar.
DANIEL
00:01:12
Ihr habt es schon geahnt und du hast natürlich gesehen, dass das keine spontane Meinungsäußerung meinerseits war, sondern wir hier die Worte ihrer Majestät, der kaiserin Maria Theresia, vernommen haben, mit der sie versucht, ihre Tochter Maria Karolina zurecht zu weisen. Und damit startet womöglich eine neue Trilogie. Denn wir können nicht über unsere Lieblingsregion auf diesem Erdball sprechen, innerhalb einer einzigen Folge. Denn es geht heute noch mal um Sizilien, das schönste Land auf Erden, wie auch im 18. Jahrhundert Leute betonten, über einen Teil Siziliens, über den es heute besonders gehen wird, nämlich die Residenzstadt Neapel. Das sei wahlweise ein Ungeheuer oder die schönste Stadt im schönsten Land. Das ist ungefähr die Range, in der sich unsere heutige Geschichte und Protagonistin bewegen wird. Und ich glaube, wir müssen uns jetzt noch mal ein bisschen zurückbesinnen auf letztes Jahr, wo du dein Opus Magnum hier vollführt hast. In einem Aufnahmetag, was ihr euch bitte bewusst machen müsst, wenn ihr diese drei Folgen noch mal hören solltet. Und wo man dann auch merkt am Ende der letzten Folge, dass mein Computer endgültig aufgegeben hat. Und dann doch wieder so ein bisschen Tonstörungen reinkommen. Das wird aber heute nicht passieren, denn wir machen das hier ein bisschen lockerer, das Ganze. Aber vielleicht sollten wir noch mal kurz rekapitulieren, was so der Stand war mit Sizilien, als wir aufgehört haben. Da gab es dieses Abendessen, glaube ich, in Palermo. Wie ist das noch mal ausgegangen? Wer hat dann noch mal mit wem zu Abend gegessen? Es geht ja mehr um den Kirchenbesuch.
SOLVEIG
00:02:58
Genau. Das ist für uns vielleicht, bzw. in Süddeutschland, mehr verbunden mit der Fespa im Essen.
DANIEL
00:03:05
Aber das macht man eben dann, wenn um 18 Uhr die Glocken läuten.
SOLVEIG
00:03:07
Genau. Wenn dann um 18 Uhr das Abendgebet ist, nämlich die Fespa. Und Karl von Anjou, aus dem Hause Anjou aus Frankreich, hatte sich ja 1266.
DANIEL
00:03:20
Du weißt das alles aus dem Kopf. Das ist der Wahnsinn.
SOLVEIG
00:03:25
In der Schlacht von Benevent gegen den Staufer Manfred durchgesetzt, nachdem dieser ja seinen Neffen usoppiert hatte. Hatte Karl von Anjou sich dann durchsetzen können und hat dann in Sizilien mit eiserner Hand regiert. Das hat vor allem den Sizilianern scheinbar. Und das meint eben die Menschen auf der Insel Sizilien. Weil das hatten wir ja auch besprochen. Es gibt ja das Königreich Sizilien, was ja auch noch den Teil unter Italiens hat. Und da spricht man dann von den Sizilienern oder Sizilisch. Und Sizilianisch, das ist eben, wenn man nur über die Insel spricht. Und denen hat Karl nicht gefallen. Und die haben ihn dann eingeladen bzw. abgefangen. Als er dann die Festival, glaube ich, verließ, also das Abendgebet. Und das war scheinbar nicht so friedlich. Man hat sich dann nach Neapel zurückgezogen.
DANIEL
00:04:23
Auch, weil die Sizilianer da jemanden in der Hinterhand hatten, der vielleicht dem Karl Paroli bieten könnte.
SOLVEIG
00:04:29
Ja, der war nämlich mit der Tochter des verstorbenen Manfreds verheiratet, Peter von Aragon. Und den hat man jetzt nach Sizilien geholt. Und der ist jetzt auch König von Sizilien.
DANIEL
00:04:40
Ja, und jetzt gibt es schon zwei. Und ich möchte das jetzt nicht alles rekapitulieren, quasi alles, was dazwischen liegt zwischen dieser Epoche und der und dies mir heute geht. Es geht eigentlich so nahtlos weiter. Also, ich meine, es klingt jetzt schon wieder an, diese ganzen Verwirrungen und Wirrungen, die in dem strafischen Natar-Geschlecht schon sehr zum Tragen kamen, wo ich auch zwischendurch nicht mal ganz wusste, wo bin ich eigentlich gerade und bei der rechten Seite.
SOLVEIG
00:05:03
Zu recht, völlig zu recht.
DANIEL
00:05:04
Und das geht eigentlich nahtlos so weiter zwischen diesen Anjou und den Aragon und untereinander den Anjou. Du kriegst jetzt was und wem gehört was und dann heiraten die noch nach Ungarn. Da kommt da diese Familie auch noch mit rein. Also wir haben plötzlich irgendwelche Ladislavs gibt's dann plötzlich. König von Neapel ist mir da runtergekommen, war ich sehr verblüfft. Und man findet erstmal ja quasi so ein Kompromiss ist natürlich nicht so. Nach den ganzen Schlachten sagt man jetzt müssen wir es irgendwie mal aufteilen, damit wir jetzt mal durchatmen können. Und 1302 gibt es einen Friedensschluss von Caltabel-Lotta heißt der Ort. Und da wird quasi erstmal festgefügt, dass es jetzt zwei Teile sind. Also es gibt das Festland Sizilien und die Insel Sizilien. Und eine sehr poetische Formulierung quasi. Man nennt das also das Festland Sizilien mit der Hauptstadt Neapel, ist dann das Sizilien diesseits des Leuchtturms. Und die Insel ist das Sizilien jenseits des Leuchtturms. Ich hab mir jetzt die lateinische Version nicht mit aufgeschrieben.
SOLVEIG
00:06:03
Aber es ist das Sarum. Weil das ist nämlich eine mittelalterliche schon Bezeichnung. Das sind schon, es gibt im Mittelalter auch schon diese Bezeichnung eben jenseits des Sarum und das haben sie vorher schon.
DANIEL
00:06:15
Ich glaub, sie meinen einfach den Leuchtturm, der in Messina steht. Und quasi die Meerenge markiert, durch die man durch muss und die ja nicht ganz ohne ist, wenn man nach Sizilien möchte. Und Aragón spielt eben dann eine große Rolle. Und letzten Endes werden die Anjou auch nicht in Neapel bleiben, sondern es landet alles, mal in verschiedenen Zweigen, dann wieder in einer Hand der Krone Aragón, die ja dann durch Erbfälle etc. mit dem Rest Spaniens irgendwann auch wieder zusammenfällt. Und zeitweise kalt der Fünfte da dieses immense Reich regiert, in dem die Sonne nicht untergeht. Und dann gehören alle Teile quasi zumindest unter eine Krone, fallen sie am Ende zusammen. Und das bleibt natürlich nicht so, falls ihr noch in Erinnerung habt, dass wir mal, das war noch ganz am Anfang, unsere ersten Gehversuche hier mit dem glücklichen Österreich und der Heiratspolitik und auch den Kriegen, die wegen Spanien um das Erbe Österreichs ausgebrochen sind. Wer bekommt Spanien, dann spielt das natürlich auch noch mal eine Rolle. Wer dann am Ende diesen Teil Italiens für sich beanspruchen kann und erstmal bekommt das die Habsburger, die aber sich dann noch in weitere Thronfolge-Kriege verzetteln. Und letzten Endes wird Sizilien zu einer Sekundogenitur des spanischen Königshauses. Das heißt, man gibt diesem Teil einem zweitgeborenen Sohn, als der dann gewissermaßen eine Nebenlinie da begründet. Und dann schreibt man natürlich immer da rein in diese Friedensverträge, wo man das festlegt. Aber niemals dürfen sich diese Länder vereinen zu einem Staat, da ist da sich nicht noch mal so ein großes Reich akkumuliert mit der Zeit. Also es muss dann immer so ein nachgeborener Sohn da die Erbfolge antreten. Also es gibt eigentlich keine direkte Verbindung zu Spanien, außer über die familiäre Zusammengehörigkeit. Und es gibt einen dieser spanischen Prinzen, der dann eben als der Bourbone einen Neustart macht in Sizilien und das Ganze da auch ordentlich auf Vorderbein. Ein Mann bringt, das ist Karl III von Spanien. Allerdings, bevor er das wird, ist er eben Karl VII in, ich glaube, es war Neapel, und Karl V in Palermo. Denn das ist auch ein bisschen komisch. Also im Grunde, wir sprechen dann auch vom Königreich Neapel. Wir haben das ja damals auch schon mal so ein bisschen diskutiert und waren uns eigentlich auch nicht so ganz einig. Ich verstehe es immer noch so ganz. Also wir sprechen landläufig vom Königreich Neapel, und manchmal sprechen die damals da auch davon. Aber letzten Endes, der Titel ist immer noch König von Sizilien. Egal, ob man in Neapel residiert oder in Palermo, aber die Zählung ist trotzdem unterschiedlich, weil man quasi die Enjus da mitzählt in Neapel, die dann manchmal eben auch Karl hießen in Sizilien. Bei den Aragon gab es aber keinen Karl, deswegen ist die Nummer da meistens niedriger als in Neapel. Also würde ich sagen, Karl VII von Neapel, Karl V von Sizilien, was eigentlich eins ist, aber egal. Es ist sehr merkwürdig. Man schleppt da, das werden wir auch merken, sehr viele Traditionen mit sich rum, die verwirrend sind und das Land auch so ein bisschen lähmen und keiner sie eigentlich mehr einsieht, warum gibt es das überhaupt noch. Und zwar sind die inselsizilianischen Verhältnisse auch ein bisschen anders als in Kalabrien, aber grundsätzlich spricht man sogar damals schon von den beiden Sizilien, die jetzt einen König haben. Trotzdem behält er zwei verschiedene Nummern und ja, alles ein bisschen verwirrend. Und Karl, der siebte, fünfte, der ja macht Neapel letztlich zu einer europäischen Metropole, vor allem was das Ansehen angeht und die Repräsentationen, also Europa schaut keineswegs nur nach versailles, sondern Europa schaut immer auch nach Neapel. Ja, das ist irgendwie ein komisches Land, das man nicht so ganz ernst nimmt und wo es irgendwie nicht so rund läuft. Aber die bauen halt ihre Paläste und Theater. Und das war eben Karl, der siebte. Ich muss mich jetzt mal zusammenreißen, weil er wird später die Nummer Ägendern. Der ist dann doch in den Geschichtsbüchern meistens unter Nummer drei verzeichnet. Warum? Sag ich sofort. Aber erstmal gibt es das San Carlo Theater, wo diese Namensgebung wohl herkommt. Also ein Riesen-Opern-Theater in Neapel und ein Schloss, wo ich leider noch nie war. Ich glaube 40 Kilometer außerhalb von Neapel, mit dem er zeigen wollte, also versailles, was ist denn das für eine kleine Butze? Das können wir aber besser. Und hatte einen riesigen Palast hingesetzt. Und ein paar kleinere in andere Ecken um Neapel herum. Aber Caserta ist der Riesen-Palast dort mit einem noch viel riesigeren Garten. Ich glaube, drei Meilen geht der Kanal rauf und vom Berg kommt der Wasserfall runter. Und das ist Wahnsinn, wenn man sich die Bilder anguckt. Und ich werde zusehen, dass ich da spätestens nächstes Jahr mal mir das vor Ort angucke. Und ja, also Neapel ist zumindest kulturell ein Hotspot in Europa, wo alle drauf gucken. Als Königreich politisch, was Machtfülle angeht, dann doch eher drittklassig. Und deswegen sagt Karl eben auch sofort, als er erbberechtigt wird in Spanien, Tschüss Neapel. Und das ist dann auch der Grund, warum die Nummer sich nochmal ändert. Weil er dann nämlich nachfolgt als Karl der Dritte auf dem spanischen Thron. Und Neapel-Sizilien ist jetzt eben eine Sekundogenitur. Das heißt, er nimmt den ältesten Sohn mit. Nein, also eigentlich nicht der Älteste, weil sein ältester Sohn Felipe, der wird für untauglich erklärt. Der ist nämlich ein bisschen verrückt und zurückgeblieben, sagen wir mal so, in seiner körperlichen wie geistigen Entwicklung. Also da sagt der Kronrat, das wird nichts und der König lässt ihn dann eben rausnehmen aus der Erbfolge. Der bleibt in Neapel. Seinen zweitgeborenen Sohn Carlo, das ist eben der Thronfolger, der ihn nach Spanien begleitet. Und der dritte Sohn Ferdinand, der wird jetzt eben der neue König von Neapel. Da ist der, jetzt Gott, habe ich mir nicht aufgeschrieben, wann der Thron wechselt. Genau, noch 1959. Ich glaube, der ist ja gerade sieben Jahre alt. Und da wird er der neue König von Neapel. Natürlich regiert er dann nicht selber, sondern der König stellt ihm Hilfe zur Seite. Und zwar der Minister Tarnucci, der letztlich das tut, dann welche Kommandos er dann demnächst aus Madrid erhält. Das setzt er dann auch um. Und der kleine Junge, der hat eh keinen Bock zu lernen und sich darauf vorzubereiten, später mal zu herrschen, sondern das Einzige, was dem Spaß macht, ist eigentlich, das ist dann ziemlich schnell klar, jagen zu gehen. Und das soll er dann auch ruhig machen. Dann kann der Tarnucci weiter das umsetzen, was er patriarch, Karl III aus Madrid so verfügt. So, aber die Habsburger haben jetzt eben doch auch ein Interesse, diesen Teil Italiens weiter an sich zu binden. Man erinnert sich natürlich, das war doch mal Habsburgisches Land. Und all das, was mal Spanien war und Karl V gehörte, da möchte man doch irgendwie auch drinbleiben in dieser, vielleicht in der Möglichkeit, das in den eigenen Herrschaftsbereich wieder zu integrieren und auf jeden Fall da einen Fuß in der Tür zu behalten. Und wie macht man das?
SOLVEIG
00:13:43
Heiraten?
DANIEL
00:13:43
Ja, das können die doch gut. Kriege müssen wir nicht wühlen, das tun sie natürlich doch. Aber am Ende ist es doch immer die Heirat. Und ja, die Dame, aus deren Mund eben die Vorwürfe zu dir erklungen sind, die du dir bitte entsprechend nicht zu Herzen nimmst, du warst gar nicht gemeint. Die regiert damals als Frau über die österreichischen Erblande. Es war nicht einfach, das durchzusetzen. Aber ihr Mann ist bereits verstorben, sodass ihr ältester Sohn der kaiser ist und mit Regent, nämlich Josef, der Zweite, der mit Isabella von Bobon Parma verheiratet wurde. Also haben wir da schon mal wieder die Italien-Connection mit reingeholt. Der nächste Sohn, Leopold, der auch später mal kaiser wird unter der Nummer 2, also ist nicht der Onkel von damals, der heiratet Maria Ludovica von Spanien. Das ist auch eine Tochter von Karl III., also eine Schwester des jetzigen Kindkönigs von Neapel. Und dann ein weiterer Sohn von Maria Theresia Ferdinand heiratet Maria Beatrice d'Este. Oder d'Este, ich weiß nicht, wie man das so genau abtrennt oder so. Auch das, ein bekannter Name, das ist nämlich da die Erbprinzessin. Und deswegen kriegt das Haus Habsburg dann nachher noch mal wieder, haben sie wieder gewonnen, hinzugewonnen. Also es ist wieder mal wieder aufgegangen. So, und jetzt müssen wir uns natürlich Gedanken darüber machen, was viel schwieriger ist. Wie werden wir, wie kriegen wir die Töchter unter die Haube? So, die älteste geborene Maria Anna ist, um es in deinen Worten oder in den Worten unserer Folge über radikale Frauen zu sagen, ein Blaustrumpf und gesundheitlich aber allerdings dabei nicht so ganz gut. Also sehr intelligent, sehr begabt, interessiert, ein bisschen wild, aber irgendwie auch ein bisschen kränklich. Also die kriegt man irgendwie nicht los. Wird schwierig. Dann die allerschönste Tochter. Das wäre die nächste Kandidatin. Da würde man sofort sagen, ja Mensch, also da können wir uns in so einem spanischen König mal angeln oder irgendwas, was richtig, was lohnt. Maria Elisabeth. Ja, die kriegt die Pocken. So die Plage des Hauses Habsburg in dieser Zeit. Sie stirbt nicht immerhin, aber ist doch danach nicht mehr ganz so schön. Deswegen, um noch mal auf unsere letzte Folge zu verweisen, was könnte dann wohl die Alternative für Maria Elisabeth werden?
SOLVEIG
00:16:13
Das Kloster. So ist es.
DANIEL
00:16:15
Also sie erbt irgendeinen Stift. Ich hab mir nicht aufgeschrieben, in welchen da die Habsburger dominieren und quasi ihre besseren Töchter, die Pocken-Nabich sind, dann da einen Lebensabend verbringen lassen. Dann kommt irgendeine Ausnahme, wo sich alle gewundert haben in der Familie, wie kann das passieren? Maria Christina darf einfach aussuchen, wen sie liebt. Und nicht nur aussuchen, sondern heiraten.
SOLVEIG
00:16:39
Und das funktioniert?
DANIEL
00:16:40
Das weiß ich nicht, wie das dann ausgegangen ist. Sie heiratet Herzog Albert von Sachsen-Teschen. Das ist nur wirklich ein völlig uninteressantes Land, dynastisch gesehen. Also wie Maria Theresia das irgendwie untergekommen ist, ist wohl nicht mehr so ganz nachvollziehbar. Jedenfalls, ich hab's auf die Schnelle jetzt nicht mehr gefunden. Das können wir uns dann später nochmal genauer angucken. Dann kommt Maria Amalia. Die kommt auch nach Parma, heiratet in Herzog von Parma, ist da höchst unglücklich. Also der schlägt gerne mal zu, wenn's nicht nach seinem Glück geht oder kriegt jedenfalls jetzwöhnige Ausbrüche. Aber gut, sie ist versorgt.
SOLVEIG
00:17:13
Das Schinken ist gut.
DANIEL
00:17:16
Super. Ich weiß nicht, ob sie das getröstet hat. So, dann wäre die nächste Kandidatin Johanna Gabriela. Und die wär doch jetzt was.
SOLVEIG
00:17:23
Wieso heißt sie nicht Maria?
DANIEL
00:17:24
Das frag ich mich auch. Da müssen wir hier mal Grüße nach Wien schicken. Die Kollegen, die sich da vor Ort auskennen und in den Archiven ständig stöbern, sagten uns mal bitte, wie kommt es dazu, dass eine Tochter Maria Theresias, dass da der Vorname Maria vergessen wird. Vielleicht ist das wie bei dem französischen Adligen passiert. Oh mein Gott, jetzt ist die Taufe passiert und wir haben Maria vergessen. Gut, also sie heißt Johanna Gabriela, das kann ja schon mal nicht gut gehen. Aber gut, sie ist offenbar eine gute Kandidatin, wo Maria Theresia sich vorstellen kann, die ist in der Lage, den Job einer Königin würdevoll auszuführen. Und das wäre doch jetzt was für Ferdinand von Neapel. Und dann fängt man an, den Heiratsvertrag auszuhandeln, welche Kondition man da zwischen den beiden Häusern dann vereinbaren könnte bei diesem Eheschluss. Aber leider stirbt Johanna Gabriela, bevor man dazu irgendeinem Ergebnis gelangt. Ja, was machen wir?
SOLVEIG
00:18:20
Die nächste?
DANIEL
00:18:20
Ja, es gibt ja noch mehr.
SOLVEIG
00:18:23
Maria Theresia war fleißig.
DANIEL
00:18:25
Ja, er hatte 16 Kinder. Also, es gibt noch Ersatz. Maria Josepha kommt jetzt dran.
SOLVEIG
00:18:32
Heißt auch wieder Maria, also ordentlich.
DANIEL
00:18:34
Die ist wieder alles in Ordnung. Also irgendwie, da haben sie irgendwas falsch gemacht mit der Johanna Gabriela. Es tut mir leid für sie, auf richtigen Herzens. Jetzt ist halt die Maria Josepha, da ist wieder alles in Ordnung. Die ist auch eine ruhige, würdevolle, 12-Jährige, die sich offenkundig in ihre künftige Rolle schon einfügt. Obwohl Maria Theresia in verschiedenen Briefen an die Erzieherin sagt, sie ist nicht ganz zufrieden mit der. Mit der müssen wir noch mal ein bisschen nachhaken, was ihre Ausbildung angeht, damit sie uns da keine Schande macht. Du hast gerade schon gemerkt bei dem Kommentar, sie konnte halt auch mal fies sein.
SOLVEIG
00:19:08
Die hatte Handsprühe.
DANIEL
00:19:10
Man musste das schon erfüllen, was die Mama sich da so vorstellt, wenn sie schon ihre Töchter in Europa verteilt. Sie ist aber eben fügsam und tut das, was die Mutter möchte. Das ist ja das, worauf es ankommt. Und da lasst uns doch die Mutter noch mal im Originalton dazu hören. Ich kann nicht verbergen, dass ich die Vorteile dieser Familienverbindung sehr gut kenne. Aber mein Mutterherz ist aufs Äußerste besorgt, wenn sie nur ihre Aufgabe Gott und ihrem Gatten gegenüber erfüllt und sein Glück macht. Wenn sie selbst unglücklich werden müsste, ich würde dann zufrieden sein. Ach, das ist nicht liebevoll. Ach, sie macht sich schon Sorgen um ihre Tochter. Aber Hauptsache, der Gatte ist glücklich.
SOLVEIG
00:19:50
Hauptsache, sie macht ihren Pflicht. Sie macht ihren Job.
DANIEL
00:19:53
In diesem Geiste erhalten die Töchter in Wien die entsprechende Vorbereitung auf die Ehe, den Gatten dort vor Ort zu unterstützen. Und am 23. Dezember 1766, also am vorweihnachtlichen Abend, wird der Heiratsvertrag geschlossen. Das heißt, Maria Josepha kann auf eine glückliche Zukunft als Königin blicken. Aber wir haben jetzt noch gar nicht über diesen potenziellen Gatten gesprochen, außer dass er es nicht so mit Lernen hatte, sondern lieber auf die Jagd gegangen ist. Und immerhin, wir sind jetzt schon im Januar 1767, dieser Ferdinand, der in Neapel die Nummer 4 trägt und in Sizilien die Nummer 3, also in Insel Sizilien, wird, da er jetzt 16 Jahre ist, für volljährig erklärt, was natürlich nichts bedeutet, weil er macht das weiter, was er schon immer gemacht hat. Und der Minister Bernardo Tanucci führt weiter die Regierung an. Und Maria Theresia möchte aber natürlich doch schon genauer wissen, wer ist denn jetzt eigentlich dieser junge Mann, wo ich meine Tochter hinschicke, damit sie ihre Rolle erfüllt und diesen Gatten unterstützt. Und der kaiserliche Gesandte hatte vier Jahre vorher sie unterrichtet, welchen Charakter dieser junge König von Neapel eben hat. Und der hat ihr also mitgeteilt das folgende. Der Minister beschäftigt sich nur mit der Regierung. Und gar nicht mit der Erziehung des jungen Königs. So ist es nicht genugsam zu bedauern, dass darauf so wenig Achtung gerichtet wird. Dessen Wohngemächer sind nicht anders als die Zimmer der Kinder von zwei bis drei Jahren mit tausenderlei läppischen Spielen und Puppenzeug, kleinen Wagen, Töpfen und Schüsseln und dergleichen angefüllt. Außer diesem kindlichen Zeitvertreib ist die Jagd beinahe für den Überrest des Tages seine einzige Beschäftigung und der alleinige Gegenstand, womit man sein Ayo, das ist der Name für den Erzieher dort, als andere um eine Person lebende Bediente ihn unaufhörlich zu unterhalten beflissen sind. In seiner Muttersprache selbst lässt man ihn die allerpöbelhafteste Mundart annehmen. So viel ich weiß, so ist es gar noch nie in Frage gewesen, dass man ihm nur die geringste Kenntnis des Lateins, der Historie oder anderer Wissenschaften beizubringen kann. Von den Leibesübungen lehrt man ihm kaum etwas Weniges Tanzen. Der Tanzmeister scheint aber viel eher einen Hofnarren abgeben, als dem König im Gange und Stellung die Anmut beizubringen, so die Frucht des Tanzes zu sein pfleget. Der ganze Unterricht, so man diesem Prinzen vom Kriegswesen gibt, besteht darin, dass man ihm dann und wann ein willkürliches Getös auf der Trommel machen lässt. Und man glaubt, dass wenn er von seinem Ärger exerzieren oder die Wache auf- und abführen und das Soldaten spielen sieht, dieses hieße ihn mit der Kriegskunst beschäftigen. Und alles endlich kurz zu fassen, so scheint überhaupt, diese ganze Unerziehung, die guten Eigenschaften und Gaben, dieses Muntern und dabei biegsamen und liebreichen Prinzen, Recht mit Fleiß zu ersticken. Das ist gar nicht seine Schuld, dass er nur jagen geht. Das ist eigentlich die Schuld der anderen, die ihm nichts beibringen wollen, weil sich irgendwie Neapel erhalten hat, die Vorstellung, der erstgeborene Prinz von Karl III von Spanien ist nur deshalb verrückt geworden, weil man ihm zu viel beibringen wollte. Und deshalb würde man das jetzt bei Ferdinand vermeiden. Das ist sozusagen die Erzählung, die in Neapel umgeht. Wie es dazu kommt, dass er halt kein Latein kann, sondern nur den neapolitanischen Dialekt spricht.
SOLVEIG
00:23:36
Und nicht tanzen kann.
DANIEL
00:23:36
Und nicht mal tanzen kann. Oder dann nur so Freestyle. Aber nicht die Anmut, für die das Tanzen eigentlich gemacht ist. Ja, also ändern lässt sich daran aber nichts. Er ist nun mal König von Neapel. Und Maria Josepha darf sich freuen, dass sie demnächst seine Gattin wird. Am 8. September 67 ist die Verlobung. Dazu kommt natürlich nicht der Ferdinand nach Wien, sondern der neapolitanische Botschafter hält formell bei Maria Theresia um die Hand von Maria Josepha an. Also man muss sich das vorstellen. Der kommt sozusagen in mehreren Kniebeugen vor die kaiserin, erklärt das Interesse seines Monarchen. Die kaiserin nickt freundlich und sagt damit Ja. Und der, das fand ich auch sehr schön, dass es dafür ein extra Amt gibt, der Cavaliere di Ritratto, der Ritter des Gemäldes oder der Ritter des Porträts, überbringt dann eine diamantenumrahmte Miniatur von Ferdinand IV und heftet sie an die Brust der Braut. Und damit ist dann die Verlobung offiziell.
SOLVEIG
00:24:39
Ist das nicht schön? Gibt sie nicht auch pro Curatorium geheiratet?
DANIEL
00:24:42
Ja, allerdings. Das ist natürlich auch dann geplant. Aber es war jetzt nur die Verlobung. Die Hochzeit dauert ja noch ein bisschen. Es muss ja jetzt auch noch ein bisschen vorbereitet werden. Man muss ja dann den Plan machen, wer wo sitzen soll, wie das Ritual ist in der Kirche. Gut, da sagt die Kirche natürlich sowieso schon. Bestimmte Sachen müssen wir schon, so machen wir immer. Mozart wird eingeladen, Vater und Sohn. Ist er noch klein? Ja gut, der kann ja schon mit Fünfter symphonien spielen. Zumindest Klavier.
SOLVEIG
00:25:09
Nur, wenn ich es mir vorstellen kann, er ist noch der Kleine.
DANIEL
00:25:10
Ich weiß gar nicht, wann Mozart geboren ist. Aber gut, wenn er mit dem Papa noch unterwegs ist. Auf jeden Fall sollen beide den musikalischen Rahmen biegen.
SOLVEIG
00:25:17
Und die Geschichte, dass Mozart noch als Kleiner vor Maria Theresia sehr gespielt hat und sie so begeistert war, dass sie ihn auf die Wange geküsst hat.
DANIEL
00:25:24
Oh nein.
SOLVEIG
00:25:24
Deswegen muss ich jetzt so dran denken.
DANIEL
00:25:26
Da will ich eine auszeichnen.
SOLVEIG
00:25:27
Ja.
DANIEL
00:25:29
Genau, also auf jeden Fall beide Mozarts reisen da an. Die Hochzeit ist geplant für den 14. Oktober. Also ein bisschen, eigentlich einen Monat später, nach der Verlobung. Und wie du schon gesagt hast, wie heißt das?
SOLVEIG
00:25:39
Procuratorium.
DANIEL
00:25:41
Ich habe mir aufgeschrieben, Per procurationem.
SOLVEIG
00:25:43
Das ist real.
DANIEL
00:25:44
Was ja einfach nur bedeutet, der Mann ist nicht da. Oder die Frau ist nicht da. Aber meistens ist der Mann nicht da. Also Maria Josepha ist da und ihr kleiner Bruder, kleiner oder großer Bruder Ferdinand, vertritt den Ferdinand.
SOLVEIG
00:25:56
Das finde ich auch so seltsam. Das ist immer, dass dann der eigene Bruder dich heiratet.
DANIEL
00:26:03
Aber er ist ja dann nicht der Bruder in dem Moment.
SOLVEIG
00:26:06
Er ist trotzdem dein Bruder.
DANIEL
00:26:08
Das ist schon sehr skurril. Es gibt auch schon viele Geschenke. Die werden alle im Schloss Belvedere der Öffentlichkeit präsentiert. Ein Äffchen? Keine Ahnung, ob da ein Äffchen dabei ist. Guck mal, keine Affen aus Neapel. Die haben Äffchen. Die haben Äffchen in ihren Tierparks. Da haben wir alles mögliche. Papagei vielleicht auch. Das wäre auch schön. Ich weiß es nicht. Ich habe mir die Geschenkeliste nicht eingeschrieben. Ob sie einen Hochzeitstisch hatten, wo man deine Espresso-Maschine und das Porzellan...
SOLVEIG
00:26:35
Vorher die Registrierung.
DANIEL
00:26:38
Es gibt da bestimmt schon bestimmte Standards, die du erfüllen musst, wenn du auf dem Tisch in Belvedere landen möchtest mit deinem Geschenk. Also es ist alles fertig. Und was könnte man jetzt noch machen, so Rituell in der Familie Habsburg, bevor man ein Familienmitglied für immer verabschiedet? Man besucht die Ahnen.
SOLVEIG
00:26:57
Ah, okay. Ich war woanders.
DANIEL
00:27:00
Also es ist ja nicht nur Maria Theresias geliebter Gatte schon vor einiger Zeit verstorben, sondern jüngst auch noch Maria Josepha von Bayern, Schwägerin von der, unsere heißt auch Maria Josepha, ne? Ich hör gerade ein bisschen um sie. Ach Gott, das wird noch öfter passieren. Ja, die ist gerade auch verstorben. Nein, eigentlich ist sie schon im mai verstorben. Wir sind ja jetzt Ende September. Aber offenbar ist der Sarg noch nicht geschlossen. Also, na gut, ist ja einballsamiert und die Innereien, sie werden ja entnommen und anderswo gestartet.
SOLVEIG
00:27:35
Also, ich glaube nicht, dass sie mit Alkohol konsumieren.
DANIEL
00:27:39
Ich weiß auch nicht, ob es stimmt. Aber es heißt, sie war da quasi in der Gruft noch aufgebahrt. An der muss man vorbei, wenn man dem Papa Tschüss sagen möchte. Und wahrscheinlich hat man auch bei ihr kurz nochmal einen Rosenkranz gebetet. Und deshalb ist ein paar Tage später Maria Josepha auch ein bisschen fiebrig.
SOLVEIG
00:27:59
Oh nein. Hat sie sich an dir angesteckt?
DANIEL
00:28:02
Wahrscheinlich. Also, die ist natürlich an den Pocken verstorben. Und die brechen jetzt auch sehr hart bei Maria Josepha aus. Wo man noch dazu ergänzen muss, ihre Mutter hat sie überlebt. Maria Theresia hat sich in der gleichen Zeit wie die Maria Josepha von Bayern im mai eben auch mit den Pocken angesteckt. Die hat es natürlich geschafft. Die ist halt wirklich eine kaiserin. Der kann Pocken nichts anahmen. Jetzt aber ihre Tochter leider. Die erwischt es voll. Und ja, noch während sie quasi in dem Moment stirbt, wo sie eigentlich hätte heiraten sollen, entschuldigt sie sich bei der Mama für die Umstände, die sie jetzt macht. Auf dem Sterbebett, Mama, es tut mir so leid.
SOLVEIG
00:28:48
Das sind echt nicht gesunde Dynamiken.
DANIEL
00:28:52
Aber, sagt sie, aber ich hätte ohne dies Morgen von dir Abschied nehmen und auf alle Zeit wegreisen müssen. Das ist doch das Gleiche für dich, Mama. Ich gehe. Oh Gott, das ist so furchtbar. Und es kommt dann natürlich auch ein Beileidsbrief. Schock in Neapel und Madrid.
SOLVEIG
00:29:11
Wo bleibt denn jetzt die Frau?
DANIEL
00:29:12
Wo bleibt jetzt die Frau? Nein, es tut ihnen schon leid. Und der Ferdinand, der ist ja so traurig. Und man kann ihn aber nur trösten durch eine Puppe. Nein, eine neue Frau.
SOLVEIG
00:29:23
Ach so. Auch eine Puppe.
DANIEL
00:29:25
Und ja, Fakt ist, Ferdinand war natürlich überhaupt nicht traurig. Dem ging es so ein, ich war noch auf Arsch vorbei.
SOLVEIG
00:29:30
Hat die auch nicht gekannt.
DANIEL
00:29:31
Das Einzige, was man an dem Tag, wozu man ihn bringen konnte, ist heute nicht jagen. Es dauert natürlich noch ein paar Tage, bis die Nachricht in Neapel ankommt. Aber an dem Tag wurde dann die Trauer durchgehalten. Und weil der Ferdi jetzt halt nicht rausgehen konnte, hat er mit seinen Kumpels im Schloss gespielt. Und was spielt er? Beerdigung. Auch das wird kolportiert von verschiedener Seite. Er soll, und das passt zu ihm wirklich. Wir haben noch eine andere Beschreibung von seinem Verhalten. Man kann es sich einfach lebhaft vorstellen, dass Ferdi einen anderen Hofjungen nimmt, mit flüssiger Schokolade Pockennaben auf ihn drauf macht, dass sie ihn in einen Sarg legen, dann in einen Beerdigungszug durch den Palast von Neapel machen und ihn in eine Gruppe senken.
SOLVEIG
00:30:19
Das kann man auch bewerten, dass er Anteil nimmt.
DANIEL
00:30:22
Das war einfach seine Art, seine Trauer auszudrücken.
SOLVEIG
00:30:25
Dass er teilnehmen wollte in Abwesenheit.
DANIEL
00:30:27
Dann hat er eben gesagt, so einen Trost brauche ich jetzt aber eine andere Frau. Also der Minister hat es letztlich, vielleicht nicht so klar, aber doch deutlich, wir hätten jetzt gerne neue Braut. Und Maria Theresia will das ja auch. Wir wollen ja diese Verbindung haben. Und dann ist dann einfach auch pragmatisch, wir haben ja jetzt schon alles fertig. Wir haben diesen Heiratsvertrag, wir müssen eigentlich nur den Namen ändern. Und dann kommt jetzt eben die Maria Charlotte ins Spiel.
SOLVEIG
00:30:52
Der passt ja auch der Name, man muss ja nur einen nennen.
DANIEL
00:30:54
Genau. Und wird dann noch italianisiert. Also ab sofort ist es dann Maria Karolina, die jetzt die neue Kandidatin ist. Ist auch noch neher jünger, ist, glaube ich, genau gleich alt mit Ferdi in Neapel. Und jetzt können wir einfach auch schnell machen. Brauchen wir nicht noch mal die ganze Vorbereitung machen. Ist eigentlich schon fertig, eben. Also stell dich nicht so an. Kind, kriegst jetzt auch mal noch ein bisschen Nachhilfe, weil die war natürlich noch nicht so weit. Jetzt muss der Minister Kaunitz in Wien ihr noch mal so ein bisschen die Verhältnisse beibringen, wie das da so ist in Neapel und worauf man sich jetzt eben so einstellen muss. Und vielleicht ein bisschen italienisch noch mal auffrischen und was man halt so braucht. Und Staatskanzler Kaunitz ist höchst überrascht, dass Maria Karolina da so viel Interesse hat und so schnell alles versteht. Und er hat überhaupt keine Probleme mit ihr und es ist fantastisch. Und Maria Theresia gibt ihr dann eben auch noch mal ein paar Tipps mit auf den Weg. Das wird sie gerne auch noch mal uns allen hier mitgeben. Da betont sie natürlich vor allem auch wieder die Rolle in der Ehe. Das wird niemanden überraschen, glaube ich, was sie da betont. Das ist ihr Job. Sie sagt die Ehe und ihre Süße ist das einzige wirkliche Glück in dieser Welt. Ich wünsche es dir ebenso vollkommen, wie ich es während 29 Jahren genossen habe. Mische dich nur insoweit in Geschäfte, als es der König wünschen wird und du glaubst ihm nützlicher sein zu können als andere. Dies ist ein sehr heikler Punkt. Gib ihm alle Ehre vor der Welt und begnüge dich mit seinem Herzen und seinem Vertrauen, die einzigen Güter, die ohne Preis sind. Sagt die Frau, die selber in den Genuss gekommen ist, zu herrschen. Jetzt soll ihre Tochter sich aber bitte zurückhalten, die die hier in ein paar Wochen quasi die ganze sizilianische Geschichte gelernt hat und die Sprache aufgefrischt hat. Okay, aber Maria Theresia fährt fort. Es handelt sich nun für dich, dieses und das Vertrauen deines Gattens zu gewinnen. Aber man muss es verdienen und du kannst beides nur erwerben, wenn du dich ihm durch Sandstmut und Liebenswürdigkeit angenehm machst, ohne ihn jemals Überlegenheit fühlen zu lassen. Man kann ganz gut in feiner Weise und in Zärtlichkeit den Schmerz ausdrücken, den einem gewisse Dinge bereiten, aber niemals dabei Vorwürfe, lange Erklärungen und noch weniger Streitereien anwenden. Das Stillschweigen ist oft das sicherste. Du weißt, dass die Frauen dem Willen ihrer Gatten, ja selbst ihren Launen unterliegen müssen, soweit diese unschuldig sind. Sein Geschmack und selbst seine Eigenwilligkeiten müssen dir Gesetze sein. Die Welt muss glauben, dass du nur nach dem Geschmack deines Gatten denkst und handelst. Verlasse deinen Mann so wenig wie möglich, folge ihm daher überall, solange er dich bei sich haben will. Du darfst ihm aber auch nicht zur Last fahren. Da dein Mann nun einmal lieb zu scherzen und den Hanswurst zu spielen, lasse ihn dabei. Und tue selbst am Anfang mit, aber doch immer mit etwas Zurückhaltung. Also man merkt schon, sie hat sich doch ein bisschen Gedanken gemacht, wen ihre Tochter da heiratet und passt so ein bisschen die Tipps jetzt an. Und merkt wahrscheinlich auch schon, dass es eben sehr schnell dahin kommen könnte, dass Maria Karolina sich so ein bisschen unterfordert fühlt, nur als Ehefrau und Gattin und vielleicht dann doch Ambitionen hegen könnte. Hier gleich mal so einen kleinen Dämpfer mitzugeben.
SOLVEIG
00:34:12
Ja, ich glaube, da geht es ja auch vor allem um die Repräsentation. Also wie sie im Hof als Ehefrau wirkt. Da geht es dann wahrscheinlich gar nicht mal um das Private.
DANIEL
00:34:19
Dass das nicht falsch rüberkommt.
SOLVEIG
00:34:21
Sondern wie sie nach außen. Und eben ja, wenn er sich so lächerlich macht, mach mit, dass es nicht peinlich für ihn wird, aber zeigt, dass du das besser kannst. Da geht es, glaube ich, gar nicht um die Beziehung intim, wie wir das heute privat nennen würden, sondern Repräsentation. Nach dem Motto, du bist ja auch von mir eine Repräsentation. Weil du ja meine Tochter bist.
DANIEL
00:34:44
Du repräsentierst unser Haus. Und das kaisertum, das auch noch dahinter steckt. Ja, aber vielleicht liegt das eben auch daran, dass man sich einstellen muss auf ein anderes Land. Und die Mentalität dort. Deswegen ergänzt Maria Theresia am Ende noch etwas Generelles. Und sie sagt, die Italiener sind lebhafter und selbst geistreicher als unsere guten Deutschen. Man muss also ihnen gegenüber sehr vorsichtig sein. Ich kenne an dir viel Unvernunft und wenig Bedachsamkeit. Das ist eine Folge deines Alters. Und mangelnder Erfahrung. Du musst also mehr als andere auf deiner Hut sein. In Neapel hat man viel für Engländer übrig und hegt Vorurteil gegen Franzosen. Hüte dich auch, in dieses Horn zu blasen. Bleibe unparteiisch und preise das, was an den zwei Nationen lobenswert ist, die alle beide viel Gutes haben. Erzähle nicht zu viel von dem, was unser Land angeht. Ziehe auch keine Vergleiche zwischen hier und dort. Jedes Land hat sein Gutes und sein Böses. So hat nun einmal die Vorsehung ihre Gaben verteilt. Finde ich süß hier. Jedes Land hat sein Gutes und sein Böses und sei nicht parteiisch. Ich kann dir jetzt schon sagen, Spoiler.
SOLVEIG
00:35:52
Das werden sie nicht machen.
DANIEL
00:35:54
Genau das, was sie hier gesagt hat, wird sie alles komplett anders machen. Und das wird dann auch zum Problem. Und ich finde es aber auch schon gut, dass hier Maria Theresia offenbar schon auch weiß, genau welche Parteien nachher in Neapel eine Rolle spielen, ohne zu ahnen, welche Bedeutung dieses französische Problem gerade dann im Kampf mit England noch annehmen wird.
SOLVEIG
00:36:15
Ist natürlich auch historisch gewachsen.
DANIEL
00:36:17
Ja, klar.
SOLVEIG
00:36:18
Mit den Engländern versteht man sich gut, die Normanen. Die Franzosen mit Karl von Aujou.
DANIEL
00:36:22
Stimmt, das habe ich schon wieder verdrängt, woher diese Normande oder wo diese Familie sich überall ausgebreitet hat und welche Tradition sie da auch mitgebracht haben. Ja, aber trotzdem haben wir natürlich immer noch einen Teenager-Prinzessin. Ich glaube, sie war schon immerhin schon 16. Also sie ist schon erwachsen. Für damalige Verhältnisse. Also, ich meine, Gatte ist ja schon volljähriger König von Neapel. Ja, ich könnte es mir auch nicht vorstellen, mit 16 jetzt Tschüss zu sagen und all das hier mitzubekommen und die ganze Verantwortung in so einem Riesen-Rucksack auf meine Schultern gelegt zu bekommen. Und du bist Österreich in Neapel.
SOLVEIG
00:37:01
Du repräsentierst jetzt.
DANIEL
00:37:02
Wenn du was falsch machst, gehen wir unter quasi. Das ist so letztlich, was man die ganze Zeit dann im Ohr hat, auf dem Wege und entsprechend soll sie sehr stark gezittert haben, und dann als ihr Bruder Ferdinand wieder mal Hochzeit spielen darf. Gut, beim ersten Mal kam es ja nicht dazu. Nur zum Üben quasi.
SOLVEIG
00:37:24
War er da schon auch selber verheiratet oder?
DANIEL
00:37:27
Der Ferdinand? Oh Gott. Du fragst mich leider, ich habe diese ganzen Jahreszahlen nicht so genau im Kopf. Ich könnte mir vorstellen, dass er schon verheiratet war, aber ich weiß es jetzt nicht mehr.
SOLVEIG
00:37:36
Ich stelle mir einfach diese Szene vor, dass du da stehst und denkst, morgen fahre ich weg. Und da ist mein Bruder, der das jetzt spielt, und nachher sitzt da noch die Schwägerin in der ersten Reihe, die wirklich mit ihm verheiratet ist. Das wird immer absurder. Also wenn er schon verheiratet ist, wird es einfach nur noch absurder.
DANIEL
00:37:53
Ich glaube schon, dass er schon verheiratet war. Der andere Bruder Leopold, der ist definitiv verheiratet. Der fährt nämlich dann gleich mit Maria Karolina los zusammen, dass sie noch nicht sofort ganz alleine da unterwegs sein muss. Und der Ferdinand ist ja auch jünger als der Leopold, aber doch ein paar Jahre älter als die Karolina. Die ist ja, sind ja jetzt einige weggestorben und schon vorher verheiratet worden. Also sie war ja schon die dritte Wahl. Also sie ist eine der jüngsten in der Familie. Jünger ist nur noch ihre Lieblingsschwester Maria Antonia, mit der sie da zusammen aufgewachsen ist. Ja, unter dem francophonen Variante ihres Namens wird sie dann nachher noch eine Rolle spielen. Und ja, aber am Ende bringt sie es heraus und sagt dann, ich will es und ich verspreche es vor dem Altar zu ihrem Bruder Ferdinand. Genau, und dann steht die Kutsche bereit. Insgesamt stehen 57 Kutschen bereit. 250 Leute haben die Koffer gepackt.
SOLVEIG
00:38:47
Die kommen alle mit?
DANIEL
00:38:48
Die kommen alle mit bis zur Grenze, natürlich. Die dürfen nicht alle mit nach Neapel, sondern da ist es natürlich, ich glaube, sie darf eine Köchin und noch eine andere Person darf bei ihr bleiben. Aber ansonsten wird natürlich an der Grenze gewechselt.
SOLVEIG
00:39:04
Maria Antonia durfte nicht mal ihren Hund mitnehmen. Oh Gott, was?
DANIEL
00:39:07
Weil er österreichisch gebrochen hat. Das Bellen klang so deutsch.
SOLVEIG
00:39:12
Das waren Mops, das ist eine österreichische Rasse.
DANIEL
00:39:15
Und sie ist schon eingestiegen und dann sprengt sie plötzlich wieder aus der Kutsche, weil sie es da doch nicht ausgehalten hat und hat dann heulend ihre Mama umarmt. Und vor allem die Maria Antonia, die wollte sie gar nicht mehr loslassen. Und dann hat es sich wieder durchgerungen, ist in die Kutsche eingestiegen und dann geht es los. Und erster Halt, erster wichtige Halt, mit entsprechenden Festivitäten auch, ist dann eben Florenz, also die Hauptstadt des Großherzogtums Toskana.
SOLVEIG
00:39:40
Das ist doch von ihrem Papa, oder?
DANIEL
00:39:42
Das ist von ihrem Papa, der nicht mehr da ist. Jetzt ist es eben von Leopold, ihrem Lieblingsbruder. Der ist der Großherzog von Toskana und der verheiratet ist mit Maria Ludovica, also der Schwester von Ferdinand, dem König von Neapel. Er ist ihre Schwägerin und ihr Bruder. Es bleibt ja im wahrsten Sinne des Wortes alles in einer Familie. Es ist noch viel verwirrender nachher. Ich kriege das wahrscheinlich nicht mehr alles zusammen. Auf jeden Fall da ist noch alles in Ordnung. Da ist ihr Lieblingsbruder. Da gibt es jetzt große Festivitäten. Und das Beste ist eben, dass die beiden sie begleiten jetzt auf dem Weg nach Neapel. Also sie muss nicht ganz alleine. Sie hat immer noch Vertraute jetzt an ihrer Seite. Die werden natürlich nicht da bleiben können, aber immerhin auf dem Wege sind sie noch zusammen.
SOLVEIG
00:40:27
Und ihre Schwiegeln kann ihr jetzt auch schon mal was über den Ehemann erzählen.
DANIEL
00:40:30
Ich weiß nicht, ob sie das so getan hat. Das würde ich ja ehrlich gesagt, der nicht unbedingt sagen, was sie da...
SOLVEIG
00:40:36
Doch, wie netter ist er.
DANIEL
00:40:38
Ja gut, das ist von ihnen gut.
SOLVEIG
00:40:40
Ganz netter.
DANIEL
00:40:41
Ganz lieb eigentlich. Was auch alle immer betonen. Also alle beschreiben ihnen immer, was für ein Idiot es eigentlich ist. Idiot sagen sie auch nicht. Sie sagen ja nicht, dass er dumm ist. Sie sagen ja, er kann gar nichts dafür. Nur, dass er auch von sich aus jetzt keine großen Interessen hat.
SOLVEIG
00:40:56
Was vielleicht auch daran mit zu tun hat, dass die alle zu eng heiraten.
DANIEL
00:41:00
Ja, das glaube ich bei ihm gar nicht mehr so. In meiner Hübschwelle auch nicht. Er wird auch Rennazone genannt. Von Nase. Das wird so beschrieben, dass er hatte auch sehr dichtes, dunkles Haar, das auch tief in die Stirn ging. Und dass es so schien, als ob seine Nase aus dem Haar quasi rauskommt. Man könnte den König Großnase, Langnase, Riesennase nennen. Das war so sein Spitzname eigentlich. Und wenn man sich aber Bilder anguckt, also die Maria Ludovica, Entschuldigung, deren Nase ist auch nichts zu übersehen. Ich finde es auch fies, dass nur er diesen Titel bekommen hat. Aber die Frauen sind natürlich trotzdem anmutig.
SOLVEIG
00:41:33
Ich finde es eh so spannend, wo du das meinst mit den Beschreibungen. Die sind immer wunderschön und anmutig. Wenn wir uns die heute angucken, denken die meisten, Entschuldigung, was? Entweder hat sich unser Schönheitsideal so stark verändert, oder man hat einfach gesagt, das sind Adelige, also sind sie schön.
DANIEL
00:41:51
Ich glaube, allein schon diese weiße Haut würde für viele irritieren heutzutage, weil es dann so ungesund wirkt.
SOLVEIG
00:41:56
Sie sind auch immer so rosa dadurch.
DANIEL
00:41:58
Ja, okay. Und dann die blauen Adern und alles. Und das weiße Haar vom Poder. Ja, also anmutig. Gut. Es ist Geschmackssinn. Ja, es ändert sich halt mit der Zeit. Man findet immer was, was positiv bewertet werden kann. So, jetzt fahren wir weiter Richtung Süden. An welcher großen Stadt muss man denn da noch vorbei? Und durch welchen Staat?
SOLVEIG
00:42:20
Durch Rom.
DANIEL
00:42:21
Ja, und da bist du jetzt nochmal gefragt. Wie war denn nochmal das Verhältnis zwischen Rom und Sizilien?
SOLVEIG
00:42:28
Also zwischen den Augeux und Rom war das sehr gut.
DANIEL
00:42:31
Ehrlich gar nicht mal so jetzt über die Epochen verteilt persönlich, und welcher König sich mit welchem Papst gestritten hat, sondern die juristische Verhältnis.
SOLVEIG
00:42:41
Ich war gerade so, auf welcher Seite welche Dynastie unterstützt der Papst. Also tatsächlich ist der Papst lehnsherr. Also der darf scheinbar auch, muss auch nochmal zustimmen.
DANIEL
00:42:51
Und wie es dazu kam, womit die sich hier noch auseinandersetzen müssen, könnt ihr euch tatsächlich in der ersten Folge unserer Sizilien-Trilogie anhören, dass die Normanen sich haben belehnen lassen mit dem Königreich Sizilien. Der Papst sagt, das gilt immer noch.
SOLVEIG
00:43:04
Ja, gilt auch immer noch.
DANIEL
00:43:05
Genau. Nur, dass die Bourbonen das irgendwie nicht mehr so richtig einsehen, warum sie jetzt immer noch dem Papst irgendwelche Tribute überweisen müssen, regelmäßig.
SOLVEIG
00:43:12
Vor allem müssen sie ihm jedes Jahr ein weißes Pferd schenken.
DANIEL
00:43:15
Und sie müssen, ich hab vergessen, wie das heißt, dieses Ritual um die Tribute zu überweisen. Den Stratordienst. Der kriegt einen Schimmel, ja, aber der Schimmel, der bringt auch, glaube ich, 500.000 Gulden oder so. Und der neapolitanische Botschafter muss den Schimmel dazu bringen, vor den Stufen, wo der Thron des Papstes ist, auch noch nie dazu kniegen.
SOLVEIG
00:43:36
Ich kenne es nur auch mit dem Pass. Also diese Pferde müssen, die im Pass laufen können. Also dass es nicht nur ein weißes Pferd ist, sondern das muss auch noch im Pass. Also es muss auch noch interessiert werden.
DANIEL
00:43:46
Ja, aber es ist eine hübsche Tradition, könnte man sagen. Aber nein, aus neapolitanischer Sicht ist das einfach nur ein Symbol der Erniedrigung. Und natürlich versucht man, das loszuwerden und überhaupt den Kirchenstaat irgendwie rauszuhalten aus neapolitanischen Angelegenheiten. Und deswegen hat man Stress mit Rom.
SOLVEIG
00:44:05
Und Dank. Und Dank.
DANIEL
00:44:06
Und man kann sich natürlich nicht einigen mit dem Papst, in welcher Form man sich überhaupt begegnen könnte.
SOLVEIG
00:44:12
Und jetzt geht das wieder los.
DANIEL
00:44:13
Ja, natürlich. Also, am Ende, erst heißt es, wir fahren dran vorbei. Und dann sagt Maria Karolina, Entschuldigung. Das ist wahrscheinlich das einzige Mal in meinem Leben, dass ich die Chance habe, Rom zu besichtigen.
SOLVEIG
00:44:24
Und den Papst zu treffen.
DANIEL
00:44:25
Und den Papst zu treffen. Gut, ich glaube, da hat sich jetzt gar nicht so viel Wert drauf gelegt. Aber Rom mal zu sehen. Also sie fahren nach Rom rein. Es gibt, glaube ich, zwei, drei Kartinelle. Da hat man irgendwas ausgehandelt, wie man sich dann begegnet. Also möglichst distanziert. Und irgendwie, dass alle da finden, ihre Rechte wurden gewahrt. Und Papst, nein. Also Papst auf keinen Fall. Das geht nicht. Also da fahren sie einfach weiter. Und währenddessen kommt dann noch mal ein Sondergesandter aus Neapel ihnen entgegen, den man da losgeschickt hatte, um zu gucken, ob der König dann immer noch so ist, wie in der Beschreibung von vor vier Jahren.
SOLVEIG
00:44:59
Es kann viel passiert sein. Der ist in der Pubertät. Der wächst noch.
DANIEL
00:45:02
Man kann sich ja auch entwickeln, gerade in dieser Lebensphase eben. So, und der berichtet jetzt eben. Ich habe den König an Aussehen schlechter, aber an Verstand besser gefunden.
SOLVEIG
00:45:13
Immerhin.
DANIEL
00:45:13
Als ich erwartet hätte. Gut, das ist vielleicht anders betont. Er ist im Gesicht sehr hässlich, obwohl groß und ohne den geringsten Fehler in der Gestalt. Sein Benehmen ist linkisch, sodass das Ganze eine außerordentlich ungefällige Erscheinung ergibt. Ich fürchte die Wirkung des ersten Augenscheins auf die junge Königin sehr. Der Monarch hat überdies eine Stenor-Stimme, schreit und gestikuliert beim Sprechen. Sicher ist, dass er mehr gesunden Sinn besitzt als jene, die ihn erzogen haben. Es gibt niemanden, der mir nicht versichert, er wäre voller Menschlichkeit und Güte und ganz gelehrig. Er möchte besser sein, als er ist, aber niemand sagt ihm, wie er es machen soll. Er hat übrigens eine schreckliche Angst vor dem ersten Zusammentreffen mit seiner zukünftigen.
SOLVEIG
00:46:06
Er ist halt auch ein pubertierender Teenager.
DANIEL
00:46:08
Ja, genau. Also der ist irgendwie noch ein Kind in seinen ganzen Spielen und in seinem Verhalten. Und dann merkt man nämlich auch, als die dann gleich zusammentreffen, dass er kein Wort rausbringt, weil er so verlegen ist. Also traut sich einfach vor fremden Leuten nichts zu sagen.
SOLVEIG
00:46:24
Das fühle ich.
DANIEL
00:46:27
Genau. Aber deswegen, nach diesem Bericht, soll die Maria Ludovica eigentlich dann auch mit der Maria Karolina nochmal reden. Und sie soll ein bisschen vorsichtig darauf vorbereiten, wenn sie denn jetzt demnächst begegnet. Aber erst mal wird sie übergeben an die Neapolitaner. Also jetzt müssen die 250 Hofleute Österreichs wieder zurück. Und die Neapolitaner und die Garde übernehmen sie. Aber wie gesagt, Leopold und Maria Ludovica, die dürfen noch mitfahren weiter. Und diese Übergabe, die erfolgt dann in ihrem Palazzo. Und Maria Karolina sitzt dann auf so einem Sofa in der Mitte. Der Saal ist voll gedrängt. 250 Österreicher, wahrscheinlich genauso viele Neapolitaner. Alle müssen ihr die Ehre erweisen und von ihr Abschied nehmen. Sie begrüßen, etc. Das hält sie dann erst mal eine Stunde durch. Und dann irgendwann bricht es aus ihr raus. Und sie schreit, weint, schreien tut sie natürlich nicht. Sie weint, sie bricht einfach in sich zusammen. Und verliert die Fassung, rennt raus quasi. Und dann, ja, sie umarmt erst die Maria Ludovica, dann die nächste Hofdame, dann umarmt sie alle österreichischen Hofdamen, die da sind. Alle weinen. Also es muss ganz schlimm gewesen sein. Der ganze Saal in Tränen aufgelöst. Die eine Hälfte des Saals, die Neapolitaner, da ist natürlich gar nichts los. Sie ist das sehr bitte. Und der Leopold sagt halt nachher, ich glaube, zu seiner Mutter schreibt er, dass ich möchte nicht für ein Königreich noch einmal so eine Szene erleben. Also, es muss wirklich eindrucksvoll gewesen sein, dieser Abschied. Und ja, das war die Übergabe. Und dann fährt man ein paar Orte weiter und da in einem, das ist nicht mal ein Palat, so ein kleines Haus oder Baracke, in der sie dann intim quasi zusammen, also so intim noch nicht, aber untereinander nur mit der Familie aufeinandertreffen zum ersten Mal. Und da ist natürlich Maria Karolina auch sehr nervös. Also es wird auch da berichtet, dass quasi ihr Bruder Leopold und seine Frau quasi hinter ihr hergehen, sie quasi nach vorne stupsen und gleichzeitig den Fluchtweg versperren, während da ein sehr eingeschüchterter Ferdinand auf der anderen Seite steht. Und sie sagt dann ihre einstudierte Begrüßungsfloskel, wie schön es ist, ihn zu treffen und ihn bei Gesundheit zu sehen. Und er hat aber scheinbar vergessen, was er sagen soll. Also er sagt gar nichts und drückt ihr dann nur so verschämt ein Küsschen auf die Wange. Und dann gehen alle zusammen weiter und fahren Richtung Caserta, also in dem bombastischen Palast vor Neapel. Und das ist dann der Ort, wo die Hochzeitsnacht erfolgt. Genau. Und da sitzt natürlich Leopold und Marie-Lauret Ludovica auch wieder aufgeregt vor der Tür.
SOLVEIG
00:49:03
Die halten sich zu.
DANIEL
00:49:04
Die halten die Tür zu. Mein Gott, mein Gott, mein Gott. Was, wie wird das jetzt laufen? Sind aber doch, glaube ich, mal eingenickt zwischendurch. Und wir sind dann auf jeden Fall morgens wieder vor der Tür, um zu gucken, wie das Ergebnis jetzt war. Und bevor wir dieses Ergebnis hören, müssen wir uns noch mal klar machen, was ist das für ein Land, in dem sie da jetzt angekommen sind. Ich sprach schon davon, von dem, was der Vater Carlo da alles aufgebaut hat und wo Kaserta schon das größte Beispiel ist. Aber grundsätzlich ist das eben immer noch das Land, das die Normanden da und alle, die danach kamen, verteilt haben an diverse Adelige, die sagen, ich habe aber hier noch meine Urkunde damals von dem William ausgestellt. Das ist hier mein Land. Ich lasse mir gar nichts sagen. Also in Sizilien, ich habe es mir hiermit aufgeschrieben, leben 176 Fürsten, 313 Herzöge, 339 Marchesen, 78 Grafen, die dieses Land untereinander aufteilen. Also der Ferdinand hatte faktisch auch gar nicht so viel zu sagen, was er da machen kann. Und Vergil hat diese Weltregion einmal bezeichnet als große Mutter der Früchte. Und wir haben auch davon gesprochen, welche Bedeutung auch im Handel der Wirtschaft diese Insel einmal hatte. Davon ist jetzt dank der Verschwendungssucht der Barone, der Repräsentationslust bei Hofe etc. nicht mehr allzu viel übriggeblieben. Und am besten verdienen noch die 26.000 Anwälte, die einen Gerichtsprozess nach dem anderen anstrengen, um diese normalen Dokumente mit allen anderen abzugleichen, wer da welche Recht auf welches Stück Land und welche Pistaziensorte im Zweifel hat. Und ja, während man also dort in Caserta feiert, in diesem doppelten versailles, geben Berichte, beschreiben das Land drumherum folgendermaßen, nämlich weil das Volk sich nicht ausreichend ernähren kann und die Provinzen sich in einem solchen Zustand der Depression, der Erniedrigung und des Niedergangs befinden, ähneln die Menschen auf dem Land mehr den wilden Amerikas oder Afrikas als den Einwohnern Italiens und bieten einen wahrhaft trostlosen Anblick. Daran kann niemand zweifeln, der sich je auch nur wenige Meilen von Neapel entfernt hat. Also man muss quasi nur aus dem Park von Casserta hinaustreten, um zu sehen, wie eigentlich die normalen Leute leben. Aber Neapel selber, da wurde natürlich entsprechend investiert und es ist nicht nur eine der glanzvollsten Residenzen, sondern auch eine Metropole mit beachtlichen damals, also wir sprechen hier von Mitte des 18. Jahrhunderts, 400.000 Einwohner hat. Und die drängen sich dort auch sehr stark, weil aus irgendwelchen rechtlichen Gründen wächst Neapel quasi erstmal nicht so in die Fläche, sondern in die Höhe. Also es gibt ja wirklich Hochhäuser für damalige Verhältnisse. Und gleichzeitig Karl III., der das so zu einer glanzvolligen Residenz gemacht hat, bevor Caserta gebaut hat und die anderen Residenzschlösser und dann einen Platz hatte, auch für die ganze Kunst, die er von anderen Teilen seiner Familie auch geerbt hatte und selber da in Auftrag gegeben hat. Die war vorher quasi, lag die so im Schloss rum in den Gängen.
SOLVEIG
00:52:17
Die Kunst.
DANIEL
00:52:19
Bevor man dann Paläste hatte, um sie irgendwie zu präsentieren. Und ein Baron, der sich das 1739 angeguckt hatte da vor Ort, wie das ausgesehen hatte, der hat dann nachher gesagt, also diese barbarischen Spanier, diese modernen Goten, die die herrlichsten Statuen und Bilder in einem finsteren Treppenschacht belassen haben, wo man auf einen Guido oder einen Correggio pisst.
SOLVEIG
00:52:44
Also es war unter den Stauffern mal das andere aus.
DANIEL
00:52:47
Da war es besser.
SOLVEIG
00:52:49
Die haben das besser gewirtschaftet.
DANIEL
00:52:51
Also das ist so die Wahrnehmung dieses Landes, in dem Maria Karolina jetzt angekommen ist. Und also vielleicht süße Träume hat, während sie neben Ferdinand im Bett liegt.
SOLVEIG
00:53:04
Ich glaube nicht, dass da viel gelaufen ist.
DANIEL
00:53:06
Du glaubst nicht, dass da viel gelaufen ist.
SOLVEIG
00:53:08
Wenn er doch auch nicht mal mit ihr reden kann, weil er so nervös ist.
DANIEL
00:53:10
Wahrscheinlich, ne. Also er kommt morgens raus, ziemlich früh. Was macht er?
SOLVEIG
00:53:15
Jagen.
DANIEL
00:53:16
Ja, er geht zur Jagd. Und ich finde es ganz schön, in dem einen etwas älteren Buch wird es immer als das Ehepaar Toskaner bezeichnet. Also Leopold und Maria Ludovica, die vor der Tür sitzen, fragen über, wohin gehst du denn? Wie geht es denn der Maria Karolina? Was ist denn los? Und Ferdi sagt dann, also ich sag mal Ferdi.
SOLVEIG
00:53:33
Ja, ich finde das Herz aller Liebes.
DANIEL
00:53:36
Also belassen bis bei Ferdi. Passt auch besser zu ihm, zu dem Teenager, den wir vor uns haben. Und der nämlich dann dem Ehepaar Toskaner die Antwort gibt, ja, ja, sie schläft wie eine Tote und schwitzt wie ein Wildschwein.
SOLVEIG
00:53:48
Das ist vielleicht von ihm gut gemeint, wenn er so gerne jagt.
DANIEL
00:53:52
Ja, und es war wohl auch sehr heiß tatsächlich. Und man muss ja bedenken, Maria Karolina ist noch nicht so an das Klima gewöhnt.
SOLVEIG
00:53:57
Weil hier ist auch ihre Ausstattung eher für Österreich gewesen, vom Klima her.
DANIEL
00:54:02
Genau, also so war dann der Eindruck, den Ferdinand da wiedergibt. Maria Karolina, da habe ich nichts gefunden, was ein unmittelbarer Eindruck wäre. Aber als dann es um die Hochzeit ihrer jüngeren Schwester Maria Antonia geht, da hat sie ihr dann auch mal geschrieben, wie das so war. Oder welche Gefühle sie so hatte nach ihrer Hochzeitsnacht.
SOLVEIG
00:54:23
Weil bei denen lief ja auch lange nichts. Stimmt.
DANIEL
00:54:27
Die mussten da noch mal extra Beratung haben.
SOLVEIG
00:54:30
Der hatte da Probleme.
DANIEL
00:54:32
Genau, aber da schreibt sie dann noch mal an ihre Aya, also ihre frühere Erzieherin, Gräfin Lerchenfeld. Der hat sehr viele Briefe geschrieben.
SOLVEIG
00:54:42
Ja, aber die Aya ist ja die Kindsfrau, die ganz klein. Also die Erzieher hast du, also die Gubernanten, die Aya, das ist so wirklich der Mutterensatz.
DANIEL
00:54:53
Das Kindermädchen.
SOLVEIG
00:54:54
Also das ist die, die immer da ist, die auch nachts aufsteht, wenn sie schreien.
DANIEL
00:54:57
Die dann auch die angstvollen Briefe kriegt.
SOLVEIG
00:55:01
Also versteht man dann, warum die auch ihr noch schreibt, weil die immer ein sehr inniges Verhältnis haben, weil das deren Mama im Grunde ist. Genau. Ich weiß jetzt, was die Ehe ist und habe tiefes Mitleid mit Antoinett, der die Ehe noch bevorsteht. Ich gebe offen zu, dass ich lieber sterben würde, als all das noch einmal erleben zu müssen. Wenn ich nicht durch meine Religion gelernt hätte, an Gott zu denken, ich hätte mich umgebracht, denn es war die Hölle.
DANIEL
00:55:27
Ja. War er vielleicht auch nicht so schüchtern? Oder weil es so schüchtern war, wenn weiß ich es nicht.
SOLVEIG
00:55:33
Ich glaube, wenn der Ferdi sich auch nicht so gut auskennt.
DANIEL
00:55:36
Ja, wahrscheinlich hat er irgendwie irgendwas versucht und das ist dann schiefgegangen. Oder es war vielleicht auch einfach nur unangenehm, schweigend nebeneinander zu sein. Also wir wissen es nicht. Aber deswegen müsste man nicht unbedingt sterben wollen. Ja. Aber es scheint ja nachher dann doch irgendwie geklappt zu haben. Und sie sollen sich dann auch ganz gut verstanden haben, muss man sagen. Allerdings fällt natürlich damals erst mal der Unterschied auf. Und der englische Botschafter Sir William Hamilton hat nach England das Folgende berichtet. Da ihre Majestäten immer unter alle Augen waren, war für jeden deutlich sichtbar, welcher Unterschied in der Haltung seiner Majestät des Königs auf der einen und der Königin und des Großherzogs auf der anderen Seite bestand. Der Adel Neapels verheimlicht sein Unbehagen über die Mangel der Erziehung des Souveränz nicht. Und die Ausländer, von denen sehr viele anwesend sind, zeigen sich sehr verwundert. Der Fürst von Sandikandro, der letzte Erzieher seiner Majestät, beugt das Haupt. Und die Höflinge, die bis vor kurzem ihren Herrn in seinem unwürdigen kindischen Verhalten bestärkt haben, schämen sich, neben seiner Majestät zu erscheinen. Als ob sie fürchteten, dass diese Vertrautheit ihnen einen Teil Schuld an diesen Mangel an guter Erziehung seiner Majestät auflädt. Und das ist auch nur allzu wahr. Herr Hamilton wird uns noch öfter begegnen. Denn der war ein paar Jahre vor Karolina in Neapel angekommen und bleibt eine ganze Weile und ist ein sehr berühmter Botschafter. Nicht nur wegen der Dame, die er später heiratet, sondern vor allem, weil er ein großer Fan ist vom Vulkan. Vesuv, Pompeii, Ausgrabungen. Nein, er findet Pompeii nicht. Die wissen schon, wo das ist. Aber er sorgt dafür, dass das noch weiter erschlossen wird. Vor allem gibt er sich Mühe, die Sachen, Dinge da zu analysieren, dass man sich das genauer mal anschaut, was das eigentlich alles ist und bedeutet. Er sammelt wahnsinnig viele antike Vasen. Und das macht ihn vor allem sehr bekannt, dass er da die Verhältnisse vor Ort sehr gut kennt, sich auskennt mit Natur und Kultur und dann eben auch meistens hochrangige Besucher, das alles präsentiert, die da herumführt. Und er ist immer dabei und schreibt dann brav nach England, was da eigentlich so abgeht. Ja, und man stellt dann doch auch recht schnell fest, als sie nach Neapel kommen, irgendwie plötzlich schämen die sich nicht mehr so, die Höflinge. Also jetzt im ersten Moment da vor dem Leopold und wo die Österreicher da noch dabei sind, da finden sie es wohl unangenehm, dass die junge Frau ihn jetzt halt zum ersten Mal sieht. Aber kurz zu einer Zeit danach ist das vergessen. Und tatsächlich muss man einfach sagen, Ferdinand IV wird halt von den Menschen dort in Neapel wahnsinnig geliebt. Und das nicht trotz dessen, dass er so komisch ist, sondern genau weil. Weil er sich nämlich letztlich so benimmt, wie Sizilianische Bauernjungen sich auch benehmen. Nämlich so, wie sein Milchbruder drauf war. Ich weiß nicht, ob du das Konzept kennst, aber du kennst doch wahrscheinlich sein Milchbruder. Also ich weiß nicht, wir haben irgendwann schon mal darüber gesprochen, dass man natürlich, wenn sich der königliche Prinz schlecht benimmt, den jetzt nicht verdreschen kann. Sondern das macht man bei jemand anderem. Also in so einem Bauernjungen, den man sich geschnappt hat oder ausgeliehen hat oder erkauft hat, mit der Aussicht auf ein warmes Bett und was zu essen, der dann die Prügel immer einstecken muss. Aber das ist dann tatsächlich auch Ferdinand's bester Kumpel, bis Maria Karolina erzwingt, dass der jetzt mal den Palast verlassen muss.
SOLVEIG
00:58:57
Milchbruder ist dann ja auch bei Ammen. Frauen geben ja nicht einfach so Milch, sondern sie müssen Kinder gebären. Und das ist dann immer das echte Kind der Amme, für das eigentlich die Milch da ist. Und dann wird dann das Königskind noch dran mitversorgt.
DANIEL
00:59:16
Ja, und dann kommen die noch als Prügelknaben benutzen. Und die waren aber wirklich ganz dicke.
SOLVEIG
00:59:21
Ja, das gibt es manchmal. Das hängt dann auch so von der Familie und vom Königshof ab, ob man die miteinander spielen lässt oder nicht. Und dann sind die meisten sehr eng, wenn sie miteinander spielen dürfen.
DANIEL
00:59:31
Ja, und deswegen zum Beispiel eine ganz populäre Sache ist, quasi so die Verbindung zwischen König und Volk ist dann, das wird auch im Rahmen der Hochzeit jetzt gefeiert, so eine öffentliche Tafel vor dem Palast. Ja, also das ist nicht nur die königliche Familie, sondern eben der ganze Hof speist draußen in der Öffentlichkeit. Und wahrscheinlich gibt es da so ein bisschen abgekordelt, dürfen die Leute zugucken, vielleicht kriegen sie auch nachher die Reste davon ab, wahrscheinlich spekulieren sie da drauf ab und zu. Auf dem Weg dahin wird wahrscheinlich noch ein paar Gulden in die Menge geworfen, das findet Ferdinand nämlich immer ganz toll, wenn die Leute anfangen, sich um irgendwas zu balken und sich zu kloppen. Das Film macht total Spaß.
SOLVEIG
01:00:05
Er ist einer von denen.
DANIEL
01:00:07
Ja, aber nicht nur, also wahrscheinlich alle Leute da, ich weiß es nicht. Das ist Temperament. Und die schreien auch irgendwelche Kommentare dann rauf zu der Tafel. Und Ferdinand antwortet dann auch in diesem neapolitanischen Dialekt. Also sie haben sehr viel Spaß. Also zumindest der König und sein Volk. Meistens der Leopold ist wahrscheinlich ein bisschen verwirrt, was da gerade abgeht. Und zu jeder Tafel gehört mindestens einmal Macaroni. Spaghetti, was auch immer, welche Pasta er da exakt gegessen hat, mit seinen bloßen Händen, das in seinen Mund geschaufelt hat wirklich. So muss man es sich, glaube ich, vorstellen. Und auch dabei haben die Leute einfach mit Begeisterung zugeschaut. Und gerne, nachdem die Damen sich dann meistens ins Musikzimmer verabschiedet haben, nimmt der Monarch dann noch Platz auf seinem Leibstuhl, also seinem Toilettenstuhl. Auch dort auf den Platz verrichtet dort sein Geschäft. Auch zur Belustigung quasi der Umstehenden. Das ist gar nicht mal so ungewöhnlich. Also es ist bei Hofe damals durchaus noch möglich, dass man einfach in Gesellschaft auf so einem Stuhl Platz nimmt und weiter über die Staatsgeschäfte spricht. Und er macht das eben auch gerne mal draußen auf dem Platz und zeigt dann auch gerne noch mal herum, wie erfolgreich er dabei war.
SOLVEIG
01:01:20
Das gibt es hier schon bei den Römern, diese Praxis. Und zum anderen, wenn der so viel Beifall bekommt, ist es ja auch kein Wunder, dass er das macht.
DANIEL
01:01:30
Man möchte ja auch geliebt werden. Er hat sich dabei auch ein bisschen zum Depp gemacht, aber das fällt ihm wahrscheinlich einfach nicht auf.
SOLVEIG
01:01:36
Nee, wenn er das von klein auf so kennt. Ich denke, ja.
DANIEL
01:01:39
Ja, aber deswegen hat er noch einen weiteren Beinamen, also nicht nur der König Nase, sondern auch der Re Lazarone. Und die Lazarone oder Lazari ist eine soziale Gruppe in Neapel, sagen wir es mal so. Man könnte sie als obdachlos beschreiben. Oder sie wäre noch oft so geschrieben, dass sie letztlich sie besitzt nur das, was sie an Kleidung auf dem Leib tragen. Also diese soziale Schicht, die da natürlich durchaus einen großen Teil auch ausmacht in dieser Metropole Neapel, die aber auch sehr selbstbewusst sind. Also ich musste sie, ich glaube ich, nicht so vorstellen wie jetzt so Berliner Obdachlose, die meist irgendwie angetrunken unfletige Dinge von sich geben. Wobei unfletig sind die auch offensichtlich.
SOLVEIG
01:02:22
Sie sind manchmal auch sehr selbstbewusst.
DANIEL
01:02:25
Stimmt allerdings. Aber die Lazzaroni, auch ich glaube, scheinbar so ein bisschen, so wird es immer beschrieben in der Art in ihrer Lebensweise. Also dass es nichts ist, was sie niederdrückt, sondern dass es quasi, ich weiß nicht, ob sie, wahrscheinlich hätten sie sich doch auch ein bisschen anders vorgestellt ihr Leben oder sich gewünscht. Aber so sagen die Zeitgenossen jedenfalls. Und dass sie dann als Zeichen auch eine rote, beutelförmige Mütze tragen. Vielleicht kommt dir das bekannt vor. Die wird nämlich nachher populär.
SOLVEIG
01:02:51
Die Jakobinermütze?
DANIEL
01:02:52
Ja, genau. Also das ist eigentlich hier bei den Lazzaroni abgeguckt.
SOLVEIG
01:02:56
Dachtest du, das wäre von den Persern abgeguckt?
DANIEL
01:02:59
Das kommt alles aus Neapel. So. Und die sind so bandenmäßig viertelweise organisiert. Also die klauen dir wahrscheinlich auch schon mal so eine Handtasche. Und man sollte sich eben nicht mit denen verderben, weil die können natürlich dafür sorgen, dass da morgen ein Aufstand ausbricht. Also insofern ist der Ferdinand auf einem guten Weg, mit denen einfach mal sich gut zu verstehen. Also die sind bislang immer sehr königstreu. Und es gibt quasi so sehr viele Feste natürlich auch in Neapel, die der König finanziert ausrichtet oder die Stadt dazu zwingt und die Barone dazu zwingt, die auszurichten und zu finanzieren, die diese Verbindung immer wieder unter Mauern zwischen dem König und den Lazzaroni. Und da spielt immer besonders die Verehrung für den Heiligen San Gennaro in Neapel eine Rolle. Das ist dort der Stadtheilige, dessen Märtyrer-Geschichte ich jetzt nicht mehr so ganz auf dem Schirm habe. Aber es gibt bis heute dieses zelebrierte Blutwunder. Es gibt ja so getrocknetes Blut in einer Fiole, das ein oder zweimal im Jahr, glaube ich sogar, sich verflüssigen muss. Nach bestimmten Messen, Ritualen, Prozessionen. Wenn es das tut, ist alles gut. Und wenn es das nicht tut, dann passiert irgendwas. Der Visuff bricht aus, die Fußballmannschaft verliert. Solche Katastrophen können es auch sein. Oder die Franzosen kommen später in dieser Geschichte. Ja, das ist die Bedeutung des San Gennaro. Da gibt es große Feste. Und vor allem gibt es so eine Tradition, die könnte man somit als Schlaraffenland übersetzen, die Kukanya. Das ist eigentlich für Kinder gedacht, dass man so einen Baum, wie so eine Art maibaum aufstellt. Also jedenfalls so ein Holzgerüst und dann dort Geschenke dranhängt. Meistens Fräsalien, irgendwas Leckeres zum Essen, was sich Lazzaroni vielleicht jetzt nicht im Alltag ständig leisten können. Und dann haben ursprünglich halt die Kinder durften dann den Baum stürmen und sich da das Beste irgendwie raussuchen. Aber Ferdinand fand scheinbar, dass es mir zu wenig Action.
SOLVEIG
01:04:51
Ach so, ich dachte...
DANIEL
01:04:53
Möchte das ein bisschen größer haben. Und auch zu seiner Hochzeit hat man dann so eine Kokkania veranstaltet und quasi so eine hölzerne Festung errichtet, das bestückt mit diversen Fleischsorten, Gänse, Trothähnen, überall behangen. Das wird von Soldaten bewacht bis zu dem Termin, wo der König dann quasi die Festung zum Sturm freigibt und zur Plünderung. Und das guckt man sich dann schön vom Balkon oben des Palastes an, wie also jetzt die einfachen Menschen in Neapel sich und das Fleisch kloppen und es dabei Tote und Verletzte gibt. Und das amüsiert dann den Hof. Oder vor allem amüsiert es den König. Andere sind dann doch eher abgestoßen. Und es ist dann doch schon bemerkenswert, finde ich, dass sogar Marquis de Sade fand, dass er eine Wollust der Gewalt, die hier sich hier bahn bricht. Und das war selbst dem zu viel.
SOLVEIG
01:05:40
Also, wenn dem das zu viel ist, der ist mir zu viel.
DANIEL
01:05:45
Ja, Maria Karolina, die findet das natürlich auch ziemlich abstoßend. Ist aber klar, wir können das nicht ganz abschaffen. Aber sie setzt dann doch durch, dass die Tiere vorher wenigstens getötet werden.
SOLVEIG
01:05:56
Ich dachte, die wären schon gebraten gewesen.
DANIEL
01:05:58
Nein, offenbar nicht.
SOLVEIG
01:05:59
Oh mein Gott.
DANIEL
01:06:00
Also, ich muss die ganz da so abreißen. Ja, das ist die Kulturmetropole Europas, in der das alles stattfindet. Und so erlebt es dann auch der kaiserliche Bruder von Maria Karolina, als er ja schon ein Jahr später mal nachgucken möchte, wie es denn seiner Schwester da so geht und warum die immer noch nicht schwanger ist. Ja, dann hört halt noch nix. Was ist denn da los bei denen? Ferdinand macht gleich auf Kumpel und sagt von wegen hier, also Josef, kaiserliche Majestät, das können wir uns auch wohl schenken, so eine Anrede. Für ihn war das Don Pepe, also nicht mal Giuseppe, sondern in der Volkssprache Don Pepe. Und er war dann Don Fernando. Das war dann die Anrede zwischen den beiden. Ja, und Josef schreibt seitenlange Berichte nachher an seine Mutter Maria Theresia, wo er letztlich versucht, Maria Theresia davon zu überzeugen, hier ist alles in Ordnung. Aber natürlich beschreibt er seitenlang eigentlich das, was ihm da alles auffällt. Und Maria Theresia gerät eigentlich ziemlich in Panik, muss man sagen. Aber das ist eben auch die schönste Beschreibung dieser Verhältnisse, die wir haben. Und deswegen möchte ich da natürlich auch noch mal mit dir und euch hineingucken. Denn es tut mir leid, wenn es jetzt noch nicht so sehr um die Maria Karolina geht. Aber ihr Mann spielt halt eine wesentliche Rolle für die Bedeutung, die sie dann auch da langsam erlangt. Oder warum sie versucht, dann das Zepter in Iran zu bekommen, damit sich da doch mal die Verhältnisse ändern.
SOLVEIG
01:07:29
Jeder braucht eine Origin-Story.
DANIEL
01:07:34
Und Josef, berichtet Maria Theresia unter anderem. Eines Tages saß meine Schwester bei dem Klavier und sang mit ihrem Lehrer. Das unterhielt den König einen Augenblick, aber dann verließ er das Zimmer und sande herüber mit der Bitte, wir sollten ihm Gesellschaft leisten, während er aus seiner chaise per se saß. Belustigt ging ich hinüber und fand den König tatsächlich mit herabgelassenen Kleidungsstücken auf seinem Throne. Während fünf oder sechs seiner Kammerherrn Diener und andere Leute ihn umstanden. Wir führten während mehr als einer halben Stunde ein nettes kleines Gespräch und ich glaube, er säße immer noch dort, wenn nicht ein furchtbarer Duft uns überzeugt hätte, dass alles vorüber war. Ferdinand verfehlte nicht, darüber noch näher zu sprechen, er wollte uns selbst den Erfolg sehen lassen und ich lief höchst und zeremoniell die Hose immer noch heruntergelassen mit dem duftenden Gefäß in der Hand hinter zwei Herren her, die entflohen. Ich zog mich nun diskret zu meiner Schwester zurück.
SOLVEIG
01:08:28
Der hat es so gelernt, dass die Leute es sehen wollen.
DANIEL
01:08:31
Das wird ein bisschen übertrieben. Also offenbar ist es ja nicht unüblich, Gesellschaft zu leisten bei diesem Geschäft, aber er geht dann noch ein paar Schritte weiter. Und ist da sehr körperlich, muss man sagen. Scheut da nichts. Des Weiteren erzählte er dann noch fünf oder sechs Damen des Hofes. Meine Schwester, der König und ich taten mit bei Spielen. Jetzt nicht bei dem duftenden Geschäft. Wir begannen mit Blinde Kuh, dann folgten andere Spiele wie Toilett und das Pfeifelspiel. Endlich ließ ich, um mich besonders liebenswürdig zu zeigen, Neapel unser famoses Schau jetzt in die Suppen kennenlernen. Dann müssen uns noch mal unsere Wiener Freunde aufklären, was die da so spielen. Dabei gab der König Fauststöße und an alle Damen ohne Unterschied kleine Schläge auf die rückwärtigen Teile. Das Spiel mit dem Pfeiferl z.B., das man sich aus der Hand reißen muss, führt zu einem fortwährenden Kampf und die Hofdamen, daran schon gewöhnt, werfen sich zu Boden und wälzen sich, was den König, der in lautes Gelächter ausbricht, unendlich unterhält. Da er fast nie spricht, ohne zu schreien, und eine außerordentlich hohe und feine fast falsett Stimme hat, tut das den Ohren weh und man unterscheidet ihn unter tausend Personen. Aber hört ihn vielleicht auch gut in der Stadt. Wenn er versucht, mit dem Volk Kontakt aufzunehmen. Ja, ein letztes Bonbon. Ich würde niemals zu Ende kommen, wenn ich all die armseligen Dummheiten beschreiben müsste, die sich bei diesem Exerzieren zeigen. Es geht jetzt um diese komischen Paraden, die sie da abhalten, um ihm da militärische Erziehung beizubringen. Du erinnerst dich an das erste Zitat. Die sich bei diesem Exerzieren zeigten und den Eindruck schildern sollte, den das auf mich macht. In wenigen Worten, 30 Kavaliere unter ihnen Leute von 40 Jahren gaben sich dazu her, diese Komödie zu spielen und täglich Faustschläge, Fußstöße und Stockhiebe des Königs einzustecken, der sie befehligt. Das bataillon ist wirklich ein Sammelpunkt aller unglücklichen Spitzbuben und Hansewurst, die diesen Fürsten umgeben. Vor allem haben die Übungen, die sie machen, überhaupt keinen Sinn. Die Tambur- und Spieleute betätigen sich in der Mitte des Zimmers fortwährend und diesem Lern gesellen sich die durchdringenden Schreie des Königs, der mit dem Säbel in der Hand kommandiert, schreit, schimpft, lacht und über alle die herfällt, die irgendetwas verfehlen. Er, wie die Teilnehmer, sind sämtlich gleichmäßig blau und rot angezogen. Mitten während der Übungen kündigt man an, der Marketender sei angekommen, alles legt die Waffen ab, rennt essen, das heißt zerreißt, eilig stehend, das Fleisch mit den Händen und trinkt ohne Gläser aus den Flaschen. Das muss alles so sein, damit die Sache einen mehr kriegerischen Anschein hat. Es wird Spiel, Krieg. So und als letztes gibt es einen großen Ball. Das ist der Höhepunkt natürlich dieses Besuches. Davon berichtet der kaiser wie folgt. Unser Auszug zu diesem Ball war wahrhaft eigentümlich. Wir schritten in großem Zeremoniell in die Vorräume, wo alle Höflinge und großen Würdenträger uns erwarteten. So begann der Zug in sehr guter Ordnung. Voran der König von zwei fackeltragenden Kammerherren beleuchtet. Da fing Ferdinand sichtlich durch dieses feilige Geleit gelangweilt. Plötzlich zu schreien an, wie es die Postillons zu tun pflegen und teilte rechts und links verschiedene Fußtritte aus. Das war offenbar das ausgemachte Zeichen und der ganze Hof hoch und nieder. Minister per Rücken, alles setzte sich in Galopp und der König jagte sie nach wie vor mit aller Kraft schreiend vor sich her. Der französische Botschafter fand sich unglücklicherweise auf seinem Wege und erhielt im Vorübergehen einen Faustschlag, sodass er, schwach wie er war, mit seiner Nase die Mauer zu küssen bekam und sich eine Beule schlug. So passierte man das erste und das zweite Vorzimmer, den Salon und den Gang. Ich blieb allein mit der Königin am Arm, die ich bemerkenswerterweise bei allen Gelegenheiten immer zu führen hatte und an der Spitze des weiblichen Zuges. Schon hatte ich jene leichte Truppe fast aus dem Auge verloren, als wir sie endlich in gewöhnlichem Schritt am Eingang zum Theater wieder einholten, wo ein enger Gang sie vollkommen ineinander verschachtelt hatte und es dank dem Kitzeln und dem Geschrei einen geradezu erschrecklichen Lärm gab. Ich fragte also, was die Damen bei solchen Gelegenheiten machen. Sie versicherten mir, sie galoppierten alle auch. Wenn der König galoppiere und so folgten, selbst all die guten alten Damen völlig außer Atem dem Cottage. Ich gestehe in meinem ganzen Leben, nichts Lustigeres gesehen zu haben und riet meiner Schwester trotzdem in der Zukunft, selbst wenn der König zu laufen anfinge, in normalem ruhigem Schritt zu folgen. Sie hat offenbar vergessen, was ihre Mama ihr damals geschrieben hat. Sie soll da ein bisschen mitmachen, aber bitte nicht zu viel. Und es wird dann eben auch nachher festgehalten von der österreichischen Delegation und auch von Josef, dass Maria Karolina sich mittlerweile doch wohl ziemlich neapolitanisiert habe.
SOLVEIG
01:13:17
Sie hat zu viel Spaß.
DANIEL
01:13:18
Sie hat zu viel Spaß dabei. Wie die alten Damen sogar, sich auf den Boden zu wälzen. Der wirklich schönste, treffendste Moment bei diesem Ball allerdings. Du ahnst schon, was jetzt kommt. Du kennst das. Habe ich jetzt nicht aus der Originalquelle, weil das würde Josef niemals schreiben. Und Herr Korty, der das hier dankenswerterweise übersetzt hat, würde das auch nie im Leben übertragen, sondern das hat eben wieder der englische Botschafter Sir Hamilton berichtet. Da habe ich jetzt allerdings die Originalquelle nicht gefunden, sondern ich bediene mich unserer Barockbibel. Das ist natürlich nicht nur Barock, aber es ist eine schöne Alliteration. Das Europa der Könige von Leonard Horovsky, der das noch mal umschrieben hat, wie Sir Hamilton das berichtet. Und ich finde einfach, Herr Horovsky macht das in unvergleichlicher Art und Weise, sodass er uns das, glaube ich, nicht übel nimmt. Wir werden hier ein Stück aus seinem Buch nochmal mit hineinnehmen als Sekundärquelle. Also es ist Ball, es wird getanzt, der König ist begeistert und kommt schweißgebadet von der Tanzfläche zurück. Da es Ferdinands feinem Instinkt für das zwischenmenschlich Verbindende zutiefst widerstrebt hätte, den geliebten Schwager Don Peppe, nicht sofort an seinem körperlichen Befinden teilhaben zu lassen, ergriff er mit strahlendem Blick die kaiserliche Hand, um sie zur Verdeutlichung heroischer Verschwitztheit an seinen königlichen Hintern zu führen, wie man das eben machte unter guten Freunden. Und so fand man denn im Neapel des Jahres 1769 zuletzt doch noch heraus, wo die Toleranzgrenze eines antizeremoniellen Monarchen vom neuen Typ lag. Josef II zumindest zog seine allerdurchlauchtigste Hand jetzt mit jenem eisig zeremoniösen Grauen vom unwürdigen Ort zurück, das man vermutlich nur als Erbe von 17 kaisern und 49 Königen so schön zustande bringt und das trotzdem noch nicht einmal das Beeindruckendste der ganzen Szene gewesen zu sein scheint. Es war, wenn wir glauben wollen, was Hamilton später einem Freund erzählte, ein Glück, dass unsere Protagonisten sich nicht in jenem durch einen Gitter abgetrennten Teil des riesigen Saales befanden, wo man zu den venezianisch anmutenden Karnevalskostümen auch Masken tragen musste. Wirklich faszinierend sei nämlich der fassungslose Blick des kaisers gewesen und fast noch mehr, der nicht weniger fassungslose, mit dem der König ihn während mehrerer komplett stummer Sekunden erwidert habe. Tatsächlich brach ja in diesem Augenblick keineswegs nur das Weltbild des kaisers zusammen. Der sich bisher noch stets darauf hatte verlassen können, dass seine unfassbar hohe Würde ihm auch dann Respekt garantierte, wenn er so tat, als gäbe es sie gar nicht. Das mochte ein Schock sein, traf aber doch immerhin einen analytisch intelligenten und gebildeten 28-Jährigen. Das tragische Naturkind Ferdinand dagegen, das nie aus Neapel herausgekommen war und seit seinem neunten Lebensjahr auf dem Thron saß, ohne eine einzige Fremdsprache zu beherrschen, je ein Buch gelesen oder überhaupt irgendetwas gelernt zu haben, was nicht gerade mit dem Ehr- oder Zerrlegen von Wildschweinen oder Schwertfischen zu tun hatte, muss sich in diesem Augenblick der niemals zuvor erlebten Zurückweisung gefühlt haben, als wäre ihm buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Ist das nicht fantastisch? Unglaublich. Also bitte, wenn ihr euch für diese Epoche interessiert. Er hat uns nicht darum gebeten. Ich bin einfach nur begeistert von diesem Mann. Und die Art und Weise, wie er das Ganze hier beschreibt, das können wir so gar nicht nachliefern. Besser geht es nicht. Aber hier sieht man eben auch, kann man sich schon vorstellen, dass wahrscheinlich er das doch in Andeutungen seiner Mutter doch irgendwie auch beibringen muss. Wie man ihn, den römisch-deutschen kaiser dort behandelt hat. Und dass sie dann etwas besorgt ist, dass ihre Tochter sich vielleicht doch ein bisschen zu sehr angepasst hat. Maria Karolina aber sieht das anders. Vor allem findet sie, also sie nimmt das sehr an, glaube ich, ihr neues Königreich. Und sie findet, das verdient etwas mehr selbstständige Politik. Und ein bisschen mehr von dem alten auch politischen Bedeutung und wirtschaftlichen Bedeutung wieder zurückzuerlangen. Und sie ist dann doch sehr schnell der Überzeugung, dass nicht nur ihr Mann so wenig Bildung hat, liegt an dem Minister und seinen Vorgängen, sondern eben auch, dass Neapel so eine unwürdige Rolle spielt, liegt an dem Minister, Herrn Bernardo Tannucci. Und das sei offenkundig im Interesse Spaniens, dass sich daran auch nichts ändert. Dass quasi Sizilien, Neapel so ein bisschen wie eine Kolonie behandelt. Und das wird sie jetzt versuchen zu ändern. Und dann brechen hier Konflikte auf. Und ja, da wir jetzt aber schon sehr lange hier miteinander sitzen, würde ich sagen, dass wir uns diesen politischen Teil in der nächsten Folge etwas genauer angucken. Und wie es Maria Karolina gewinnt, da über ihren Mann die Herrschaft an sich zu reißen. Und wie die Neapolitaner das beurteilen. Und wenn ihr noch mehr wissen wollt, Fragen habt oder noch Buchtipps braucht, dann schreibt uns doch an kontakt.fluffunggeschichte.de oder bei Twitter oder also ihr wisst schon X, dieses andere Ding, Threads oder Instagram oder Facebook und all die anderen Kanäle, die euch da zur Verfügung stehen. Wir freuen uns sehr über eure Nachrichten und Bewertungen oder vielleicht über einen Euro in unsere Kaffeetasse. Den Link zu dieser Möglichkeit findet ihr natürlich wie immer in den Show Notes. Und wir sehen uns bald unter der Sonne Siziliens im Golf von Neapel. Und wir hoffen, der Vulkan bricht nicht aus. Macht's gut. Okay, bleiben wir bei Ferdi.
SOLVEIG
01:19:11
Ich dachte, das wäre Absicht die ganze Zeit.
DANIEL
01:19:13
Na, bei meinen Notizen habe ich mir über Ferdi keinen Bock hatten, den langen Namen zu schreiben. Ich dachte, das war...
SOLVEIG
01:19:17
Ich habe immer Ferdi geschrieben. Ich war so nah bei ihm, dass du schon mal Ferdi bist. Ich dachte, das wäre Absicht.