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Dein Geschichtspodcast mit Daniel und Solveig

FG058 - Das Täuferreich von Münster

11.09.2025 117 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wir beginnen diese Folge mit einer kleinen Zeitreise in unsere westfälische Heimat. Münster, die Stadt der Fahrräder, des Friedenssaals und des studentischen Treibens – doch im 16. Jahrhundert war sie der Schauplatz einer religiösen Revolution, die in einer Katastrophe endete. Wir wollen wissen: Wie konnte ausgerechnet hier ein sogenanntes „neues Jerusalem“ entstehen – und warum ist es so blutig untergegangen?

Von der Reformation zur Radikalisierung

Ausgangspunkt war die Reformationszeit. Während Martin Luther theologisch für Aufbruch sorgte, radikalisierten sich andere. Die Täuferbewegung, die auf die Erwachsenentaufe setzte, verstand sich nicht nur als religiöse Alternative, sondern als Gegenentwurf zur bestehenden Ordnung. Mit Predigern wie Jan Matthys und später Jan van Leiden erreichte diese Strömung Münster – und kippte die Stadt in einen Strudel von Fanatismus.

Der Traum vom „neuen Jerusalem“

Wir sprechen darüber, wie die Täufer 1534 die Macht übernahmen und Münster zur „Gottesstadt“ erklärten. Besitz sollte gemeinschaftlich werden, es gab Visionen von Gleichheit und Gerechtigkeit. Doch schon bald zeigte sich die Kehrseite: Jan van Leiden ließ sich zum „König von Zion“ krönen, führte die Polygamie ein und errichtete eine autoritäre Herrschaft. Mit Getreuen wie Bernhard Knipperdolling und Bernhard Krechting entstand eine Mischung aus religiösem Wahn, Zwang und Terror.

Hunger, Belagerung, Gewalt

Bischof Franz von Waldeck setzte alles daran, seine Stadt zurückzuerobern. Eine monatelange Belagerung begann, während die Bewohner Münsters hungerten. Wir diskutieren, wie Angst, Propaganda und Gewalt den Alltag bestimmten – und wie das Täuferreich langsam in sich zusammenbrach. Als 1535 die Mauern fielen, endete die Herrschaft blutig: Jan van Leiden und seine Gefolgsleute wurden grausam hingerichtet, ihre Körper zur Abschreckung in eisernen Körben an der Lambertikirche aufgehängt.

Erinnerung an eine Warnung

Bis heute hängen Nachbildungen dieser Körbe dort – ein sichtbares Zeichen dafür, wie schnell religiöser Eifer in Tyrannei umschlagen kann. Wir fragen uns: Was bleibt vom Täuferreich? Für uns ist es kein romantisches Kapitel der Geschichte, sondern ein warnendes Beispiel dafür, wie gefährlich Heilsversprechen und totalitäre Utopien sein können.

Die Hintergrundmusik zu den Zitaten sind Choräle des 16. Jahrhunderts aus dem Evangelischen Gesangbuch, eingespielt von Aurel von Bismarck und abrufbar auf Wikipedia.

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Transkript

Daniel
00:00:00
Ja, es regnet nicht. Die Glocken läuten auch nicht. Wir sind definitiv nicht in Münster.
Solveig
00:00:06
Nein.
Daniel
00:00:06
Und auch nicht in Paderborn. Ich glaube, das Klischee gilt ja für mehrere Städte in unserem Heimatland Westfalen, wo du dich eine Zeit lang im Exil aufgehalten hast, jetzt wieder zurück bist, aber wir heute uns ganz in die Geschichte der westfälischen Metropole versenken. Ja, hallo Solweig.
Solveig
00:00:48
Hallo Daniel.
Daniel
00:00:49
Ich freue mich schon sehr auf diese Folge tatsächlich, denn ich habe ein bisschen Heimweh.
Solveig
00:00:54
Nach Münster?
Daniel
00:00:55
Ja gut, das ist natürlich jetzt ein bisschen übertrieben. Ich stamme ja natürlich nicht aus Münster. Aber es war ja doch mal die Provinzhauptstadt, zumindest der preußischen Provinz Westfalen. Insofern sehe ich schon auch ein Stück Heimat in Münster. Und du hast ja da sogar noch mehr Zeit verbracht.
Solveig
00:01:11
Ja, ich habe da jetzt die letzten zwei Jahre gelebt.
Daniel
00:01:14
Und konntest du es gar nicht abwarten, wieder zurückzukommen? Kaum warst du hier.
Solveig
00:01:20
Ja, aber das ist ein grundsätzliches Problem von mir.
Daniel
00:01:22
Habe ich eigentlich Hallo Solberg gesagt?
Solveig
00:01:24
Ja, hast du. Du warst so aufgeregt, nach Münster zu kommen.
Daniel
00:01:30
Und natürlich bevor wir uns nach Münster direkt begeben, auch euch ein herzliches Willkommen. Es ist schön, dass ihr da seid und vielleicht sind ganz viele Münsteraner, die jetzt zufällig diesen Podcast eingeschaltet haben. Dann gleich die Einladung an euch. Drückt doch mal auf Abonnieren. Werdet Teil von Flurfunkgeschichte. Und auch gleich am Beginn, bevor wir uns ganz versenken, in die aufregendste Zeit vielleicht. Der Münsteranischen, Münsterischen, wie gesagt, der Münsterischen Verhältnisse. Möchten wir uns natürlich auch wieder bedanken bei all denen, die Flurfunkgeschichte überhaupt erst möglich machen. durch ihre finanzielle Unterstützung und die das vor allem sogar regelmäßig tun. Und es sind mittlerweile doch eine größere Reihe von Menschen. An erster Stelle steht immer noch Christina und Steffi, Sophie, Christoph, Tobias, Beate, Sarah Solveig, Noemi, Henrike, Stefan, Aisha, Isabella, Silvia, Emma, Kufi, Maike, Marte, Jojo, Cornelia, Anne, Vera, Dennis, Eva, Roland und Karolin. Und neu hinzugekommen, weil sie sich vielleicht für weiße Marmor-Staaten begeistern konnten, sind Matthias, Kerstin, Bettina, Klaus, Sacha, Vivian, Florian und Philipp. Und außerdem hat uns auch noch Stefan unterstützt über Kofi, denn das ist die zweite Möglichkeit. Also die erste Reihe für die Münsteraner, die jetzt dabei sind und das nicht wissen. Wenn ihr nachher noch mehr erfahren wollt, gibt es immer einen Nachklapp zu der aktuellen Folge. Also Dankeschön für alle, die uns regelmäßig bei Steady unterstützen. Bei wem so ein Abo zu viel ist, gibt es auch noch Kofi. Denn ja, wir haben einige Unkosten, die sind schon längst gedeckt. Vielen Dank an euch alle.
Solveig
00:03:19
Dankeschön.
Daniel
00:03:20
Aber wir haben auch gerade im Vorfeld mit Solveig nochmal darüber gesprochen, dass hier die Arbeit eigentlich viel zu viel ist und dass ich viel lieber viel mehr Podcast machen würde, als diesem ernsthaften Broterwerb nachzugehen. Und deswegen hoffen wir auf noch mehr Unterstützung von euch, dass wir Solveig ein paar arbeitsfreie Tage freischaufeln können und sie in Teilzeit bringen, damit sie uns noch viel mehr Flur von Geschichte bescheren kann. Ja. Und natürlich könnt ihr uns immer unterstützen, indem ihr uns ein Like schenkt und uns abonniert. Das machen übrigens nur so 10% der Menschen. Verstehe ich gar nicht. Also sowas. Ihr könnt einfach weiterhören und gleichzeitig geht ihr, je nachdem, wo ihr uns natürlich hört, in das Menü, wohin auch immer, schenkt uns ein paar Sterne, eine nette Bewertung, schreibt einen netten Kommentar, zum Beispiel bei Apple geht das. Und schon wird der Algorithmus uns noch mehr Menschen anzeigen und das ist natürlich die stärkste Unterstützung, die ihr uns jederzeit einfach so schenken könnt. Und jetzt gehen wir alle gemeinsam ein paar Schritte, in Richtung Westfalen, wo es dem Klischee nach eben immer regnet. Ist es Klischee? Nee, das ist schon wahr. Es ist wahr, okay. Sonntags läuten die Glocken dazu.
Solveig
00:04:35
Es läuten ständig die Glocken, Aber das ist, glaube ich, in jeder kleinen Stadt, Mit Kirchen die Leuten halt zu Festnot sein.
Daniel
00:04:41
In Westfalen gibt es relativ viele Kirchen. Sobald die Stadt so die klassische Dorfgröße überstiegen hat, gibt es dann mehrere Kirchen. Aber ich glaube, das gleiche Klischee gilt ja auch für Paderborn und so andere Orte in Westfalen, dass es da viele Kirchen gibt und es gerne mal regnet. Aber deswegen ist es wahrscheinlich auch schön grün.
Solveig
00:04:58
Das stimmt. Also jedes Mal, wenn ich dir Bilder geschickt habe, kriegte ich nur zurück. Aber immerhin ist es grün. Das liegt, glaube ich, irgendwie am Klima. Das ist ein anderes als hier in Berlin.
Daniel
00:05:09
Das auf jeden Fall.
Solveig
00:05:10
Wie noch Seeklima oder so, keine Ahnung.
Daniel
00:05:12
Wir sind hier schon viel kontinentaler im Osten. Und ja, tatsächlich gibt es ja auch Kirchen. Und eine ist bei mir in der Nähe und die läutet auch immer ganz schön, aber es ist halt nicht Sonntag. Und Regen tut es tatsächlich im Moment auch nicht, was eigentlich auch ganz angenehm ist. Und trotzdem haben wir uns jetzt hier rein verkrochen, damit es keine akustischen Schwierigkeiten gibt. um eine neue Folge aufzunehmen. Und natürlich ist Münster nicht nur bedeutsam, weil es die westfälische Metropole ist.
Solveig
00:05:41
Naja, damit Osnabrück noch was mitzureden haben.
Daniel
00:05:44
Die befinden sich ja heute in einem Bundesland, das Westfalen gar nicht mehr im Namen hat. Ich weiß gar nicht, ob die sich so westfälisch noch empfinden. Also falls jemand von euch aus Osnabrück stammt, könnt ihr euch gerne mal dazu äußern, wie sehr ihr das noch als westfälisch betrachtet.
Solveig
00:05:58
Ob ihr es noch fühlt.
Daniel
00:05:59
Ja, und natürlich liegt die Bedeutsamkeit nicht nur darin, dass Münster mal eine längere Zeit preußische Provinzhauptstadt gewesen ist und heute glaube ich noch ein Regierungsbezirk nach wie vor, sondern vor allem ein Bistum.
Solveig
00:06:14
Das ist es auch immer noch.
Daniel
00:06:15
Das ist es auch immer noch.
Solveig
00:06:16
Das ist immer noch ein Bistum.
Daniel
00:06:17
Aber früher war der Bischof von Münster auch noch ein Fürst des Heiligen Römischen Reiches, deutscher Nation. Und das heißt, es war auch ein Staat, ein Kirchenstaat quasi.
Solveig
00:06:27
Naja, jetzt aber. Da wächst du jetzt glaube ich falsche Erwartungen bei den Zuhörenden. Und der Kirchenstaat stellt man sich glaube ich etwas anderes vor.
Daniel
00:06:38
Heute kennen wir halt nur noch den Vatikan, so wie der funktioniert, aber wir hatten ja in Deutschland eine ganze Reihe von solchen Gebilden, wo es geistliche wie weltliche Oberhäupter in einer Person dann gab, die quasi über ein unabhängiges Territorium geherrscht haben. Also sich nicht nur im Dom mit geistlichen Dingen beschäftigt haben, sondern auch eine Rüstung angezogen haben und ins Feld gezogen sind, im Zweifel. Und dann gibt es ja eine Zeit in Münster, wo das mit dem Geistlichen ein Reich, ein Glaube, ein Kaiser und so dann auch nicht mehr funktioniert hat wahrscheinlich. Und da einiges durcheinander gekommen ist.
Solveig
00:07:15
Genau, du sprichst es ja schon an, im Grunde der Bischof als Stadtherr, das ist bei so vielen Städten im Reich, dass da ja dann nicht unbedingt er alleine herrschen darf, denn wer möchte da gerne immer mitmachen?
Daniel
00:07:31
In einer Stadt meistens die Herren von Familien. Die da über Generationen beheimatet sind und im Wesentlichen die Geschäfte dieser Stadt am Laufen halten.
Solveig
00:07:42
Die Wirtschaft.
Daniel
00:07:42
Die Wirtschaft, genau. Und die sich auch durchaus als schon fast adelig empfinden und eigentlich nicht einsehen, warum der Bischof immer alles alleine entscheiden sollte. Lass uns doch ein schönes Rathaus bauen und das selber regieren. Haben die das geschafft in Münster?
Solveig
00:07:55
Ja, da kommen wir jetzt nämlich zu, weil das ist nämlich im Grunde genau der Knackpunkt, an dem sich diese ganze Geschichte, über die wir jetzt reden und die ihr auch im Titel wahrscheinlich schon gesehen habt, worum es heute geht, entzündet. Und wir sprechen natürlich heute vom Täuferreich in Münster. Mal hast du schon angesprochen.
Daniel
00:08:12
Es ist ein König gab in Münster.
Solveig
00:08:14
Es ist ein König gab in Münster. Du hast schon gemeint, das ist eine der wichtigsten Geschichten in Münster. Ich muss jetzt ein bisschen, die, die Münster lieben und dort leben, verzeiht mir diese Polemik, aber es gibt im Grunde nur zwei wichtige Ereignisse in Münster. Das ist einfach das Täuferreich und das andere die Verhandlung des Westfälischen Friedens, sondern auch später.
Daniel
00:08:34
Und deine Ankunft oder Abfahrt.
Solveig
00:08:36
Naja, das glaube ich weniger. Aber das sind so die zwei großen Ereignisse.
Daniel
00:08:41
Das ist aber auch nicht schlecht.
Solveig
00:08:42
Die man immer wieder anspricht. Aber ansonsten ist jetzt Münster nicht unbedingt viel los. Es ist sehr ruhig, es ist provinziell, es ist, wie gesagt, nicht so viel los, außer diese zwei großen Ereignisse. Man kann jetzt noch sagen, gut, die Zeit während des Zweiten Weltkriegs, die große Zerstörung Münsters, Während des Zweiten Weltkriegs waren jetzt auch nochmal 80 Jahre Frieden, in dem Sinne Jubiläum, gefeiert worden. Münster ist ja im Zweiten Weltkrieg sehr stark zerstört worden. Das heißt, auch all diese hübschen Häuser, von denen wir heute reden werden, wofür Münster ja auch bekannt ist, die sind in Anführungszeichen ja fake.
Daniel
00:09:19
Ja, aber immerhin haben sie Erfolgreiches geschafft, diesen Eindruck zu erwecken, als wäre das alte Münster noch da.
Solveig
00:09:26
Genau, das ist im Grunde alles aus den 50ern wieder aufgebaut worden.
Daniel
00:09:30
Das bisschen Substanz ist ja auch noch übrig geblieben.
Solveig
00:09:32
Ja, aber nicht viel. Der Dom. Ja, auch der Dom.
Daniel
00:09:35
Das Westberg oder so.
Solveig
00:09:36
Der Dom ist auch tatsächlich sehr stark zerstört gewesen und gerade auch der Prinzipalmarkt, um den es heute auch zum Teil ein bisschen gehen wird.
Daniel
00:09:43
Kommissar im Tatort immer schön rüber radelt.
Solveig
00:09:45
Genau. Was auch sehr schön ist, da zu sein. Nur, das ist eben die Innenstadt innerhalb der Promenade, sagt man, 92 Prozent kriegszerstört. Also das ist schon… wirklich viel kaputt gewesen. Genau, um diesen Prinzipalmarkt und den Dom soll es heute auch ein bisschen gehen, beziehungsweise um die Leute, die dort gewohnt haben. Ich habe jetzt überlegt, wir steigen gar nicht mit Münster ein, sondern wir steigen mit den Leuten ein, die dort hingekommen sind. Denn diese Ideen der Täufer sind nicht in Münster entstanden, sondern die sind dort hingebracht worden. Und deswegen dachte ich, reden wir erstmal über die Täufer.
Daniel
00:10:22
Ja, das müssen wir sowieso. Was soll das überhaupt bedeuten?
Solveig
00:10:24
Wer sind die? Was wollen die? Die wollen taufen, das ist auf jeden Fall im Namen drin.
Daniel
00:10:29
Das kann man erstmal nicht erkennen, wo da jetzt ein Problem bei sein sollte.
Solveig
00:10:32
Taufen, die sind, gerne werden sie Wiedertäufer genannt. Das sagt man aber eigentlich nicht mehr, weil das ist der Name, den die Gegner ihnen gegeben haben. Entweder sprechen sie in den Quellen von den Wiedertäufern oder den Anapaptisten, also Latein einfach nur. Und wie gesagt, sie, diese Täufer selbst, sehen sich ja nicht als wieder getauft, was das genau meint, kommen wir jetzt zu, sondern sie sagen, wir sind getauft und deswegen haben wir unseren Glauben. Aber für ihre Gegner waren es eben die Wiedertäufer, weil die Täufer die Kindertaufe ablehnen. Das ist so deren großes Thema. Und wenn du dann eben dran glaubst, dass die Kindertaufe nicht weitergeht, gilt, bist du ja nicht wiedergetauft, wenn du dich dann als Erwachsener taufen lässt. Und die sagen halt, die sind halt wiedergetauft, ein zweites Mal, ein drittes Mal. Und deswegen dieser Name, deswegen hat man sich eben in der Wissenschaft dann auch entschieden, sie nur noch Täufer zu nennen. Nicht Wiedertäufer. Sie gehen, diese sogenannten Wiedertäufer oder auch Täufer gehen aus der protestantischen Bewegung des 16. Jahrhunderts hervor. Das sind Protestanten.
Daniel
00:11:34
Ich würde schon fragen, wo wir uns eigentlich befinden, in welcher Zeit.
Solveig
00:11:36
Genau. Wir befinden uns jetzt erstmal in den 1520ern. Das Täuferreich von Münster, das kann ich schon mal vorwegnehmen, hat nicht so lange existiert. Eigentlich nur knapp anderthalb Jahre. Nämlich von Februar 1534 bis Juni 1535.
Daniel
00:11:51
Das ist doch das einschneidendste Einwissen gestichte Münsters geworden.
Solveig
00:11:57
Wir gucken uns mal an, warum. Was da so in diesen knapp 16 Monaten oder wie viele sind 14 Monate passiert ist. Es ist eine sehr, sehr kurze Zeit. Trotzdem kann man da sehr lange drüber reden. Wir schauen mal, wie lange wir heute brauchen werden. Und man sagt, der Ausgangspunkt dieser Täuferbewegung ist das Jahr 1521, weil man da zum ersten Mal Personen findet, die Kritik an der Kindertaufe üben. Es ist ja seit Anno dazu mal hat sich die Kirche dazu entschieden, Babys zu taufen, Säuglinge zu taufen, um sie von der Erbsünde reinzuwaschen.
Daniel
00:12:34
Das wäre eigentlich das Schlimmste, wenn man als ungetauftes Wesen diesen Planeten wieder verlässt und dann nur weil man da zu spät war, das Heil nicht erlangt. Und es sterben ja doch wahrscheinlich deutlich mehr Kinder in früheren Jahrhunderten, als wir das heute noch erleben.
Solveig
00:12:51
Genau und diese Täufer erkennen diese Kindertaufe nicht an, weil sie der Meinung sind, du musst schon selber entscheiden, ob du diesen Glauben haben möchtest. Und du musst schon von Glauben sein, um dich überhaupt taufen zu lassen. Denn die sind ja Sola Scriptura, folgen da ja Martin Luther in dem Teil, in einem anderen Teil nicht. Und Sola Scriptura, was sagt denn die Scriptura?
Daniel
00:13:14
Ich würde sagen, die Scriptura, die erzählt nur, dass Jesus am Beginn seiner Wanderschaft seinen Cousin getroffen hat in der Wüste, den Johannes, der ihn da schon verkündete und dann im Jordan getauft wurde als Anfang 30-jähriger Mann.
Solveig
00:13:28
Genau, also in der Skriptura steht nichts von Babytaufen. Ich habe die Stelle auch mal rausgesucht. Möchtest du die Bibel sein?
Daniel
00:13:36
Zu dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm, ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir. Jesus antwortete ihm, lass es nur zu, denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser herauf, und siehe, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach, Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.
Solveig
00:14:11
Also das ist die einzige Taufe, die beschrieben ist und Jesus ist erwachsen und hat sich selbst dazu entschieden, diesen Vorgang durchführen zu lassen. Also da ist noch nicht die Idee, dass die von der Erbsünde, von der man freigewaschen werden muss und deswegen sagen eben diese Täuferbewegung, das ist mit den Kindern, das bringt nichts. Du möchtest ins Wasser tauchen lassen, wenn die da nicht dran glauben, bringt das nichts.
Daniel
00:14:40
Und die ersten Christen hatten ja wahrscheinlich auch noch eine andere Religion, als sie aufwuchsen und mussten sich dann auch als erwachsene Menschen dazu entscheiden. Und das ist natürlich dann auch immer so ein, wir machen das wie die Urgemeinde.
Solveig
00:14:51
Genau, also das ist auch diese Bewegung, wir möchten es so wie früher. Früher war alles besser, früher war es richtig und unverdorben. Kommen wir noch zu. Ich habe es schon angesprochen, die Täuferbewegung entsteht nicht in Münster, sondern in verschiedenen Gebieten. Vor allem in der Schweiz ist das so ein Zentrum.
Daniel
00:15:08
Am Genfersee.
Solveig
00:15:08
Wahrscheinlich. Nee, in Zürich. Und es ist so im Umfeld von Ulrich Zwingli. Das ist so einer der großen Mitreformatoren nach Luther. Der Vorgänger von Johannes Calvin, also so die Generation davor. Über Calvin haben wir schon mal gesprochen. Und Ulrich Zwingli ist am Anfang scheinbar auch noch so, denkt sich, oh, das ist ja alles ganz nett, was ihr da bespricht. Aber irgendwann werden die ihm scheinbar zu radikal. Und dann meint er, nee, so habe ich es jetzt, so finde ich es auch nicht gut. Und dann distanziert er sich da so ein bisschen von. Und wie gesagt, 1521 sagt man so, geht das los. Dann in den 1520ern breiten sich die Ideen aus. Wie gesagt, einmal in der Schweiz, aber auch in Franken. Ist auch interessant. Und in den Niederlanden. Auch da mit...
Daniel
00:15:52
Sie haben auch so einen reformatorischen Drang.
Solveig
00:15:54
Und vor allem die Niederlande werden dann so das Zentrum der Täuferbewegung. Also da nimmt es alles so seinen Ausgang. Ist vielleicht dann auch so ein Grund, warum die überhaupt nach Münster kommen, weil die niederländische Grenze auch heute ist nicht so weit weg. Also auch heute noch kommen viele Niederländer nach Münster. Kernideen der Wiedertäufer, ich habe es schon angesprochen, vor allem die Ablehnung der Kindertaufe. Es sind aber noch andere Dinge dabei. Man möchte eben zu dieser Urgemeinde zurückkommen. Man lehnt die Kirche und den Papst ab, Weil man sagt, das steht eben nicht in der Bibel drin, ähnlich wie Luther das schon gemeint hat. Man lehnt das Schwören ab. Das ist ja Jesus sehr entschieden, wenn er sagt, eure Worte seien ja, ja und nein, nein. Also ihr lasst es mit dem Schwören, bitte bleiben. Und wie gesagt, die absolute Anerkennung des Neuen Testaments. Wir leben als Bruderschaft zusammen und wir verzichten vollständig auf Gewalt. Schauen wir mal, wie lange das hält. Und wir predigen. Wir predigen, alle dürfen predigen, du musst nicht geweihter Priester sein, um predigen zu können. Jeder, der vom Heiligen Geist erfasst wird, darf predigen. Das sind so Kernelemente dieser Bewegung. Wie die Täufer zur Kirche stehen, habe ich einmal auch ein Zitat mitgebracht zum Einstieg von einem sehr überzeugten Täufer namens Bernd Rothmann, der wird uns auch noch öfter begegnen. Bernd Rothmann ist nämlich Münsteraner und der schreibt im November 1533, also knappes halbes Jahr, bevor es eskaliert, bevor das Täuferreich seinen Ausgang nimmt. Schreibt er über den Glauben der Täufer. Endlich magst du nun hier verstehen, lieber Christ, wir bitten auch, du wollest mit Fleiß darauf sehen und merken, wozu der gemeine Brauch der Taufe und des Abendmahls dienen soll, denn der rechte Gebrauch würde eines jeden Verstand und Geheimnisse wohl eröffnen. Denn leider, nachdem die Ordnung Gottes gestört ist, Gottes Wort in lügenhafte Fabeln, die Taufe in ein Kinderspiel, das Nachtmahl eine Opfermesser verkehrt sind, ist auch die heilige Kirche verfallen und der rechte Verstand der Taufe und des Nachtmahls nicht allein verdüstert worden. Denn das Erschrecklichste ist, es sind von der heiligen Einsetzung und Befehlen Christi ganz gräulige Abgötereien durch des Teufels List und der Menschen Unachtsamkeit aufgerichtet und noch leider im Schwange, was so klar zu Trage tritt, dass wir es hier nicht weiter zu erwähnen bedürfen. Ja, ich kann auch nicht so viel, dass die so reden.
Daniel
00:18:20
Das ging mir zu schnell.
Solveig
00:18:21
Also es ist im Grunde, das ist das, was wir schon bei der Inquisitionsfolge über die Katara oder was man sagt, dass die Katara gesagt haben sollen, die Kirche ist verkommen, es ist alles furchtbar, es ist alles falsch. Was hat er gesagt? Ja, die Taufe ist ein Kinderspiel, also es geht gar nicht, man tauft Kinder. Das Nachtmahl ist eine Opfermesse, also wir haben diese Transubstationslehre, auch das wird angekreidet, so nach dem Mötterglaube, ihr Hostier verwandelt sich nicht wirklich in Fleisch, ihr seid Trottel, wenn ihr das glaubt. Und es ist alles ganz schlimm und der Teufel hat da und die Unachtsamkeit des Menschen alles.
Daniel
00:18:56
Aber es wirkt jetzt schon als wäre das größtenteils Mainstream in Teilen Europas damals.
Solveig
00:19:04
Zumindest unter den Reformatoren sagen wir es so. Aber er lehnt eben auch vor allem die Taufe ab, das kommt hier nochmal durch. Jetzt hast du schon gesagt, es ist Mainstream in der Zeit, dann haben wir natürlich unseren sehr geschätzten Dr. Martin Luther, der auch Meinungen hat zu den Täufern.
Daniel
00:19:25
Genau, das ist vielleicht nochmal der Anlass, euch daran zu erinnern, dass Solveig hier ein Versprechen gegeben hat. Falls ihr uns bei Instagram noch nicht folgt, solltet ihr das tun. Sie hat die Latte sehr hochgehangen, aber bei 5000 Followern machen wir eine Folge über LUTHER und singen ein Lied aus dem Musical.
Solveig
00:19:41
Das haben wir nie gesagt.
Daniel
00:19:42
Das hast du dir ausgetan. Das haben wir letztes Mal schon. Hast du das schon akzeptiert? Okay, was sagt der Doktor?
Solveig
00:19:48
Genau, ich lese heute einfach die Protestanten und du lest die Katholikin. Oh ja, das ist auch eine gute Verteilung. Dachte ich mir auch, passt ja.
Daniel
00:19:55
Denn ich weiß ja, wer am Ende gewinnt.
Solveig
00:19:59
Luther. Wahr ist, dass man zur Taufe glauben soll. Aber auf den Glauben soll man sich nicht taufen lassen. Es ist ein völlig anderer Ding, den Glauben haben und sich auf den Glauben verlassen und so sich darauf taufen lassen. An der Taufe fehlt nichts. Am Glauben fehlt es immer da. Denn wir haben an dem Glauben unser Leben lang zu lernen. Und er kann fallen, dass man sagt, siehe, da ist Glaube gewesen und ist nicht mehr da. Aber von der Taufe kann man nicht sagen, siehe, da ist Taufe gewesen und nun ist nicht mehr Taufe. Also, wer die Taufe so vom Glauben abhängig macht wie die Wiedertäufer, der muss sich kurz um so lange taufen lassen, bis er nimmermehr fallen oder ohne Glauben sein kann. Also, was ist seine Haltung zu den Wiedertäufern?
Daniel
00:20:37
Ihr müsst es, glaube ich, selber lesen.
Solveig
00:20:41
Es ist auch wirklich kompliziert, selbst wenn man es mehrmals gelesen hat, weil ich kann nichts dafür, dass die so reden. Also er hält nicht viel davon und wenn ich ihn richtig verstanden habe, meint es eben, dass er sagt, es bringt nichts, dich zehnmal taufen zu lassen, das macht dich nicht gläubiger. Die Taufe ist ein Akt und der Glaube ist Arbeit und du musst immer irgendwie deinen Glauben nochmal hinterfragen und du kannst immer mal an deinem Glauben zweifeln und ihn verlieren und ihn wiedergewinnen, aber die Taufe ist nur ein Akt und daran ist nichts festgemacht. Das ist einfach nur einmal Wasser auf den Kopf und das war's. Und er spricht das hier so an, das finde ich ganz interessant, weil, kleiner Spoiler, es gibt ja heute auch noch Täuferbewegungen, gerade in den USA und da kommt das tatsächlich öfter mal vor, dass es dort in gewissen Gemeinden so diese Vorstellung existiert, wenn du als Christ oder als getaufter Christ irgendeine Sünde begehst, auch eine schwerwiegende Sünde. Dann lässt du dich einfach nochmal taufen und dann bist du davon reingewaschen und dann ist alles gut. Und das macht er, kritisiert er glaube ich hier, also wenn ich es richtig verstehe, dass er sagt, dich zehnmal taufen zu lassen ändert nichts an der Festigkeit deines Glaubens. Also man sollte sich da nicht so stark darauf fokussieren, sondern soll besser an seinem Glauben arbeiten. Das heißt also, er hält da nicht so viel von und tatsächlich halten also auch die meisten Menschen nichts davon. Die sagen, ja, eure Vorstellung von der Gewaltlosigkeit ist ja schön und eure Vorstellung, eine Sola Scriptura zu leben ist schön, aber das mit diesen Kindern, tauft doch einfach die Kinder verdammt nochmal. Und das wird dann so weit, dass 1529 der Reichstag sich versammelt in Speyer zu diesem Zeitpunkt und man sagt, so jetzt reicht es. Also es wird das sogenannte Wiedertäufermandat erlassen, heißt so nicht offiziell, aber so wird es dann immer wieder angeführt, damit man weiß, was gemeint ist. Und das wird erlassen von Erzherzog Ferdinand von Österreich, dem Bruder von Karl dem Großen, äh Karl dem Großen, nicht dumm, Karl dem Fünften. Der ist nicht da, warum auch immer, er ist irgendwie anderweitig beschäftigt, aber sein Bruder vertritt ihn eben in Speyer. Und da wird eben auf dem Reichstag entschieden.
Daniel
00:22:54
Dass alle und jede wieder Täufer und wieder getaufte Mann- und Weibspersonen verständiges Alters vom natürlichen Leben zum Tod mit Feuer, Schwert oder dergleichen nach Gelegenheit der Personen und vorhergehend der geistlichen Richterinquisition Gericht und Gebrauchtwerden. Da habe ich aber auch das Gefühl, dass dem die Grammatik so ein bisschen abhandengegangen ist.
Solveig
00:23:13
Ja, ich weiß es auch nicht.
Daniel
00:23:14
Nach Gelegenheit der Personen. Das müsste man nochmal einen Juristen fragen. Aber okay, es scheint jetzt ans Leben zu gehen.
Solveig
00:23:21
Es geht ans Leben und vor allem fände ich auch ganz interessant, wen braucht es nicht? Ohne vorhergehend des geistlichen Richter Inquisition.
Daniel
00:23:27
Ach so, es braucht keine Inquisition.
Solveig
00:23:30
Das läuft hier.
Daniel
00:23:31
Kein Verfahren.
Solveig
00:23:32
Ja, also die Inquisitoren müssen nicht da sein. Das dürfen die Stadtgerichte machen. Weil das hatten wir ja auch mal bei der Inquisition angesprochen, dass die ja zwar die Prozesse führen und die Verurteilung führen, aber das Urteil wird dann ja durch die städtischen Gerichte ausgeführt. Ausgeführt, ist ja dieser Begriff des weltlichen Arms. Und zumindest scheint es so, dass das jetzt, also dass man sagt, nee, auch die Verurteilung, das kann die Stadt selber machen oder die städtischen Gerichte, die weltlichen Gerichte, da brauchen wir jetzt die Inquisitoren gar nicht dafür. Das ist so schwerwiegend, das können wir auch alleine, das erkennen wir ohne Inquisitoren.
Daniel
00:24:05
Ich finde es ein bisschen komisch, ich weiß nicht, ob du das erklären kannst, warum, also ich meine, es ist ja okay, wenn Luther sagt, ja, es bringt dir auch nichts, wenn ich jetzt zehnmal taufe, was ist denn das Problem, wenn ich das machen möchte? Warum kann ich mich nicht irgendwie sagen, oh.
Solveig
00:24:16
Sie taufen die Kinder nicht mehr.
Daniel
00:24:17
Ja, okay. Also das ist der entscheidende Punkt. Ich kann mich von mir aus zehnmal taufen lassen, wenn das unbedingt sein muss. Aber eben bitte schon kurz nach der Geburt, damit das Kind nicht, wenn es plötzlich dann doch sterben sollte, da in den Nimbus oder wo auch immer hinkommt.
Solveig
00:24:32
Also dass sie halt dann auch sagen, nee, unsere Kinder taufen wir nicht mehr. Und dann ist dann halt, ja, aber ihr könnt doch nicht die armen Kinder. Also dass man da eben so aus so einer Schutzhaltung sagt, nee, wir müssen doch die... Die verlassen, die vernachlässigen ihre Kinder, das kann man ja nicht zulassen. Ich glaube so. Und weil man eben sagt, die legen auch einfach den Glauben falsch aus. Das ist einfach in dem Sinne eine heretische Strömung, vor der wir die Welt schützen müssen. Weil sie einfach Schaden anrichten. Und die Menschen verwirren. Und dann glauben die Leute, wir tun das Richtige, weil sie den Täufern glauben, aber in Wirklichkeit tun sie ganz schlimme Dinge. Ich glaube, das ist so dieser, es ist halt wie die Inquisition grundsätzlich, aber arbeitet mit heretischen Bewegungen. Das sind so Bauernfänger, von denen müssen wir die Leute schützen. Und also hier auch nochmal, das wird nämlich gleich auch nochmal wichtig, dass wir das ein bisschen im Kopf behalten, das hat der Reichstag entschieden. Also die weltlichen Gerichte haben das. Natürlich ist es Karl V., der auch antireformatorisch auftritt, der ja dann auch gegen Luther vorgeht, der den schmalkaldischen Bund bekämpft, also die Fürsten, die Protestanten sind und es auch gerne bleiben würden. Also Karl V. ist hier ganz klar auf der katholischen Seite, aber es ist eben nicht der Papst, der hier eingreift. Und es wird auch gesagt, wir brauchen da auch die Inquisition nicht. Also es ist hier die weltliche Seite, die das entscheidet.
Daniel
00:25:51
Und scheinbar auch wahrscheinlich mit die protestantische Seite sogar.
Solveig
00:25:54
Ja, also es geht ja eben nicht gegen den Protestantismus.
Daniel
00:25:57
Also wenn Luther auch sagt, das ist Blödsinn, was die da machen, dann sind hier wahrscheinlich ausnahmsweise bei denen, die sind dann einfach wirklich herätisch.
Solveig
00:26:04
Ja, da ist es einfach zu weit gedacht. So, also das einmal so zu den Täufern. Wo kommen sie her? Was wollen sie? Und wie ist so die Haltung zu denen? Also die sind schon 1529 weitestgehend, werden die... Nicht anerkannt und wie gesagt, die sind problematisch.
Daniel
00:26:22
Haben dann einfach insofern das Pech gehabt, dass kein Landesfürst oder so gesagt hat, oh, das finde ich aber gut, das übernehme ich jetzt für meinen Herrschaftsbereich, ist das jetzt der offizielle Glaube. Also wie bei Luther dann quasi irgendwelche deutschen Fürsten gesagt haben, ja, wir treten jetzt über, wir protestieren.
Solveig
00:26:39
Kommen wir jetzt dazu, aber das ist im Grunde, ja, also in Städten sind sie dann. Wir hatten sie ja in den Niederlanden, sind sie vor allem in Amsterdam auch stark und sie werden jetzt auch in Münster stark. Denn jetzt kommen wir nach Münster, nach Westfalen und auch da hatten wir es schon angesprochen, wir haben nicht nur den Bischof, wie du es so schön erklärt hast, sondern wir haben natürlich ein Stadtbürgertum, das wie auch in anderen Städten, da ist Münster jetzt nichts Besonderes in dem Bereich, einfach politische Mitsprache haben möchten. Es geht da vor allem um Gerichtsbarkeit, wer fällt die Urteile, wer darf überhaupt rechtsprechen. Es geht um Zoll, es geht um Steuern, es geht auch ums Geld, wer kriegt Geld, wenn Handel getrieben wird. Und da ist es eben schon eine Weile immer so ein Hickhack zwischen Bischof und Stadt. Wie gesagt, nichts Spezielles. Wir haben sehr, sehr viele Städte im Reich, die im Reich so unmittelbar werden wollen. Das heißt also, die sagen, wir möchten den Bischof nicht mehr als Zwischenstück zwischen uns und dem Kaiser haben, sondern wir wollen direkt unter dem Kaiser sein. Ist auch so inspiriert aus Italien, da geht das schon im 12. Jahrhundert los, dass die so Kommunen gründen. Hatten wir ja auch schon mal gesprochen mit dem Papst, dass der teilweise in Rom, aus Rom fliehen muss, weil die Kommune Rom mit ihm nicht mehr zusammenarbeiten möchte. Und das kommt dann im 13. Jahrhundert schon im Reich auf. Da haben wir viele Städte, die dann auch Bündnisse schließen etc. Und ihren Bischof raushauen. Köln ist beispielsweise auch ein großes Beispiel dafür. Und das ist jetzt auch in Münster, will man auch mitmachen. Und die haben sich so ein bisschen arrangiert. Also der Bischof hat gewisse Privilegien abgegeben an den Stadtrat. Die dürfen da jetzt mitbestimmen. Das ist dann auch der Grund, warum sie, zumindest wird das immer so erklärt, diesen Prinzipalmarkt bauen. Und zwar an der Stelle, wo er ist. Weil wenn man sich das mal auf der Stadtkarte anguckt, im Zentrum Münsters haben wir ja den Dom mit der Domfreiheit drumherum. Mittlerweile ist da ja kein Parkplatz, aber es war mal eine Zeit lang Parkplatz.
Daniel
00:28:38
Der Markt.
Solveig
00:28:39
Genau, wo der Markt heute stattfindet. Das ist im Grunde so die Domfreiheit, wo der Bischof wirklich in der Zeit zumindest herrscht und das Gebiet drumherum. Und da steht dann der Kontrolle des Stadtrats. Und die Stadtratsherren bauen eben direkt an das Ende, an die Grenze dieser Domfreiheit, bauen sie ihre Prachthäuser, um zu zeigen, so Etchi-Betschi hier.
Daniel
00:29:01
Vom Dom aus drauf gucken muss.
Solveig
00:29:03
Genau, hier sind wir. Und wir haben dann auch ihre eigene Kirche, St. Lamberti. Kommen wir dann zum Schluss auch nochmal drum. Wird nochmal wichtig werden. Das ist die Pfarrkirche des Stadtrats. Die gehen nicht in den Dom sonntags in die Messe, sondern sie haben ihre eigene Kirche namens St. Lamberti. Und was auch noch passiert, wir haben jetzt den Stadtrat und wir haben den Bischof und die haben sich da arrangiert. Was auch passiert, auch ein bisschen spät in Münster, Das passiert so in anderen Städten schon so 150 Jahre früher. Wir haben ja noch andere Gruppen in der Stadt. Wir haben ja nicht nur wohlhabende Kaufleute, die sich dann wunderschöne Häuser in die Stadt bauen lassen. Wir haben ja auch noch andere Leute und das sind vor allem die Handwerker, die sich dann in Gilden oder in Zünften zusammenschließen und die wollen auch mitmachen. Die möchten dann auch in diesen Stadtrat rein, denn du hattest es schon angesprochen, diese Ratsherren stehen sich auch so ein bisschen als Adel, sie stellen sich auch als Adel dar und vor allem vererben sie ihre Ratsposten, also durch Kooptation, das heißt, wenn der Vater Ratsherr ist und stirbt, dann kommt der Sohn nach. Es gibt keine Wahlen in dem Sinn, dass alle mal mitmachen dürfen. Und da sagen dann eben die Handwerksgilden oder Zünfte so nicht, das wie gesagt passiert in anderen Städten auch schon teilweise viel, viel früher in Straßburg oder auch im Südwesten auch teilweise blutig, da kommt es zu richtigen Kriegen. Es ist in Münster nicht ganz so wild, aber wir haben kurz vorher... Den Stadtrat, der sich da neu zusammensetzt. Da sitzen jetzt Handwerker mit drin und es finden auch regelmäßig Wahlen statt, wo dann die Sitze verteilt werden.
Daniel
00:30:41
Aber nur unter den Handwerksleuten oder jetzt dann bei allen?
Solveig
00:30:44
Ich glaube nur bei den Handwerksleuten. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube die Patrizier können weiterhin durch Kooperationen, aber da habe ich jetzt nicht nochmal exakt nachgelesen. Das kann auch falsch sein. Es kann auch sein, dass sie...
Daniel
00:30:54
Zweite Stuhlreihe reingestellt und gesagt, das ist jetzt für die Handwerker, wie ihr die vergebt, könnt ihr alleine entscheiden.
Solveig
00:30:59
Ja, also ich kenne das aus anderen Städten, dass es dann den Großen und den Kleinen Rat gibt. Und im Großen Rat sitzen die Handwerker drin und im Kleinen Rat sitzen die Patrizier drin. Und aus dem Kleinen Rat geht dann auch der...
Daniel
00:31:08
Heben auf, was der Große Rat vorher beschlossen hat.
Solveig
00:31:10
Aus dem Kleinen Rat geht dann der Bürgermeister hervor. Richtig demokratisch ist das auch alles noch nicht. Auf jeden Fall, das ist auch gerade passiert. Und was hier sehr wichtig ist, dass diese Handwerker, zumindest so geht es aus den Quellen hervor, protestantisch sind. Und das scheint, also so lese ich das zumindest, ist auch so ein bisschen so ein Identitätsmerkmal sein. Also die Stadtherren sind katholisch und die Handwerker sind alle, haben den protestantischen Glauben angenommen, um sich vielleicht auch nochmal so ein bisschen zu distanzieren und ihre Eigenheit darzustellen. Und das ist dann auch nochmal so ein Thema, denn da ist ein Prediger ganz beliebt zu dieser Zeit, den habe ich eben schon erwähnt, nämlich dieser Bernd Rothmann, der eben überzeugter Täufer ist und auch täuferisch predigt. Und der ist tatsächlich so einflussreich, beziehungsweise auch der Protestantismus in Münster ist so einflussreich, dass 1532, also zwei Jahre vor dem Täuferreich, bevor das startet, in allen Kirchen in Münster evangelisch gepredigt wird. Und es scheint auch so, ich hatte es schon angesprochen, wir haben gesagt, also seit einer Weile gibt es Wahlen. 1533, so stand es dann da, war der gesamte Stadtrat mit evangelischen Bürgern besetzt. Also... Es kann auch sein, dass Patrizier auch gewechselt sind, also sich dann auch protestantisch wurden. Auf jeden Fall, der gesamte Stadtrat ist protestantisch. Wir haben da keine Katholiken mehr. Also das ist auch für die streng katholische Stadt Münster heutzutage bemerkenswert. Also das auch nochmal, was so in den Köpfen der Stadtbewohner los ist.
Daniel
00:32:46
Ich glaube, in der Anfangsphase war sogar Bayern ziemlich protestantisch durchgesetzt. Also mehr als es von heute in Teilen noch der Fall ist.
Solveig
00:32:55
Ja, ich meine, den Franken sind auch im Heut noch.
Daniel
00:32:58
Ja, das meine ich.
Solveig
00:33:00
Also das auch nochmal, und ich erwähne das auch nochmal, dass man das im Kopf behält, dass das meiner Meinung nach auch so ein Politikum ist. Also man wird protestantisch nicht unbedingt, weil man so fest protestantisch glaubt, bestimmt auch, aber weil man dadurch auch so einen gewissen… Der.
Daniel
00:33:14
Bischof kann mir jetzt wurscht sein.
Solveig
00:33:15
Ja, dass man so eine gewisse Position bekommt. Und es ist eben interessant, also es ist so drin, dieser Glaube in Münster, dass wir tatsächlich 1533 haben wir Syndikus Johann von der Wieck, der Bernd Rothmann aus der Stadt schmeißen möchte. Es ist ja vier Jahre nach dem in Speyer gesagt wurde, die Wiedertäufer sind alle böse und die sollen verbrannt und getötet werden. Und Bernd Rothmann predigt aber noch vier Jahre später immer noch in Münster täuferisches Denken. Und da sagt jetzt eben der Syndikus, also der Rechtspfleger in dem Sinne.
Daniel
00:33:50
Der hat aber einen schweren Stund, wenn jetzt mittlerweile der ganze Rat schon protestantisch ist.
Solveig
00:33:53
Ja, beziehungsweise nicht.
Daniel
00:33:54
Dann kommt er auf die Idee, habt ihr nicht die Zeitung aus Speyer gelesen?
Solveig
00:33:57
Entschuldigung, ich habe auch gar nicht das Schreiben vom Syndikus da, ich habe die Antwort von Herrn Rothmann darauf, weil Johann von der Wieck schreibt ihm so, bitte gehen Sie jetzt, bitte und Bernd Rothmann antwortet dann darauf. Wir hatten nicht erwartet, dass ihr so grausam sein werdet, uns von der Predigt des Evangeliums abzuschrecken und uns befehlen würdet, diese Stadt zu verlassen. Was habt ihr wieder uns, die wir öffentlich bekannt haben, dass die Lehre von der Kindertaufe irrig sei? Wir haben uns entschlossen, nicht gegen die erkannte Wahrheit zu handeln. Wir können es jedoch ertragen, dass andere dies tun, die weniger erleuchtet sind. Bis die Wahrheit offenkundiger ist. Wenn ihr aber, was der allmächtige Verhüte, haltsterig euer Vorhaben erzwingt, so werden wir doch nichtsdestoweniger in Treue zu dem uns von Gott anvertrauten Amt, die Wahrheit vor Gott und der ganzen Welt, selbstunfandender Verlust des Lebens und aller Güter bekennen, da man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen. Euch aber geben wir zu erwägen, wie gefährlich es ist, in das Gericht Gottes einzugreifen. Also, wir gehen nicht.
Daniel
00:35:03
Ist ja auch ein bisschen komisch, wenn der da, der muss ja dann eine Minderheitenposition vertreten mittlerweile.
Solveig
00:35:08
Also er hat auf jeden Fall versucht, die Gesetze durchzusetzen. Bernd Rodemann hat gesagt, nein.
Daniel
00:35:15
Gott möchte etwas anderes.
Solveig
00:35:16
Gott möchte etwas anderes und dass du weniger erleuchtet bist als ich, da kann ich jetzt, das ertrage ich ja, aber denk mal drüber nach.
Daniel
00:35:25
Merkst du selber.
Solveig
00:35:26
Denk mal, schau mal. So und scheinbar, ich weiß nicht wie weit die miteinander in Kontakt standen, ich vermute schon, nachdem der Syndikus sich nicht hat durchsetzen können, greift man jetzt zum größeren Speer im Arsenal und das ist der Bischof. Und der Bischof Franz von Waldeck schreibt dann dem Stadtrat folgendes.
Daniel
00:35:46
Wir möchten euch nicht vorenthalten, da wir in Erfahrung und gewisse Wahrheit gekommen sind, dass etliche Landläufer und irrige, unbekannte Gesellen in unserer Stadt Münster ordentlicher christlicher Weise unberufen selbstwillig eingedrungen sind, mit ihrer verführerischen, aufrührerischen Lehre den gemeinen Mann unruhig gemacht und zuletzt sich vorgenommen haben, die verdammte unleidliche Lehre und Schwärmerei der Wiedertaufe und vom Sakrament des Altars unter eure Gemeinde zu pflanzen und so ein schlimmes, unchristliches Wesen einzurichten, welchen doch durch euch mit zeitiger Ermahnung und Einsehen zuvor gekommen wurde. Dieweil aber die irrelaufenden Verführer und Prädikanten sich noch in unserer Stadt Münster aufhalten und es zu befürchten ist, dass sie mit ihrer giftigen Lehre heimlicherweise den einfältigen Pöbel zu verführen nicht ablassen werden, wollen wir euch hiermit und Kraft der zu Gehorsam und Handhabung verkündigten kaiserlichen majestätischen Edikte und Abschiede des letzten Reichstages ermahnt und ernstlich bewogen haben, denselben Prädikanten, die solcher verdammten Lehre anhängen, bei euch keinen Aufenthalt oder Unterschlupf zu gewähren, sondern unverweilt euch derselben zu entschlagen und aus unserer Stadt zu verweisen, um die Ungnade der kaiserlichen Majestät und des Heiligen Reiches und andere gebührliche Strafen zu vermeiden. Ich glaube, es hat ja schon nicht funktioniert. Hat er ja versucht.
Solveig
00:37:13
Ja, aber es war ja nur der Syndikus. Jetzt kommt nochmal der Bischof. Vielleicht hat der ja ein bisschen mehr.
Daniel
00:37:19
Jetzt denkt doch noch mal richtig nach, was könnte denn als nächstes passieren, wenn ihr immer noch nicht macht, was der Kaiser möchte.
Solveig
00:37:26
Aber auch hier wieder, es wird sich auf den Kaiser beruhen, auf das Weltliche. Der Kaiser hat gesagt, nein, also schmeißt sie raus. Also hier, wer wird angeführt?
Daniel
00:37:34
Und das Heilige Reich.
Solveig
00:37:35
Das Heilige Reich. Aber wie gesagt, das ist die weltliche Macht, die hier angeführt wird. Und vielleicht noch zu Franz von Waldeck dazu. Je nachdem, wie man die Geschichte des Täuferreiches interpretiert, ist er entweder Held oder Bösewicht, der große Schurke.
Daniel
00:37:52
Immer drauf, auf welcher Seite man steht.
Solveig
00:37:53
Genau. Und es ist ganz interessant, auch wenn man die Quellen so liest, dass vornehmlich immer die Täuferseite in der modernen Popkultur eingenommen wird.
Daniel
00:38:05
Achso.
Solveig
00:38:05
Da ist Franz von Waldeck immer der Böse.
Daniel
00:38:07
Okay.
Solveig
00:38:08
Wir schauen mal, wo wir heute enden werden. Und Franz von Waldeck ist Bischof von Münster. Gut, das haben wir jetzt schon öfter erzählt. Das ist aber auch noch gar nicht so lange. Der ist erst 1532 Bischof geworden. Und er ist gleichzeitig auch Bischof von Osnabrück. Also er hat so ein paar Ämter unter seinem Mantel. Gemeinhin so ein, wie Martin Luther es nennen würde, ein Fründenjäger.
Daniel
00:38:33
Aber Köln nicht zufällig, das ist ja öfter auch noch so.
Solveig
00:38:35
Ja, pass auf.
Daniel
00:38:35
Dass eigentlich an erster Spitze Köln steht und dann der ganze Rest so dran hängt.
Solveig
00:38:39
Köln ist dabei. Der Werderherr hat nämlich eine gute Karriere gemacht, beziehungsweise er ist gut ausgestattet mit Fründen, also mit Pfarreien oder auch anderen Ämtern innerhalb der Kirche, wodurch er Geld bekommt. Das ist vielleicht für die, die nicht wissen, was Fründen sind, so jetzt ganz einfach erklärt. Er kommt aus einer regionalen Adelsfamilie, die sind vor Ort damals sehr einflussreich gewesen. Ich glaube von Waldeck ist ansonsten nicht so ein Begriff, aber über die Region hinaus sind sie nicht gekommen, aber vor Ort waren die schon sehr einflussreich. Und als nachgeborener Sohn war für ihn dann natürlich die klerikale Karriere vorgesehen, da er ja nichts angeboten. Aus der Familienbesitz muss er irgendwie anders schauen, wo er bleibt. Und das hat er sehr gut hingekriegt. Denn er ist ohne höhere Wein, das ist auch nochmal wichtig, die hat er noch nicht.
Daniel
00:39:26
Er ist eigentlich gar kein Priester.
Solveig
00:39:28
Genau. Ist er schon mit Anfang 30 Domherr in Köln, Trier, Mainz und Paderborn. Also da hat sich jemand gut um ihn gekümmert. Und ist gleichzeitig in einer Beziehung mit Anna Polmann, die sind nicht verheiratet, aber sie ist dann doch seine langjährige Lebensbegleitung. Sie haben insgesamt acht Kinder miteinander und er hat davor auch schon noch eine Beziehung gehabt und da sind auch noch ein paar Kinder entstanden. Also der hat mindestens zehn Kinder.
Daniel
00:39:54
Oha, aber da müssen ja auch noch alle versorgt werden.
Solveig
00:39:56
Ja, aber er hat ja gut Geld mit seinen Einkommen aus Köln, Trier und Mainz, das übrigens ja auch noch die Kurfürstentümer sind. Also die sind sehr gut aufgestellt.
Daniel
00:40:07
Aber er war jetzt nicht Bischof von Altin.
Solveig
00:40:08
Nee, er ist Domherr. Aber aus dem Domherrenstift wird ja dann der Bischof gewählt. Also da hätte er theoretisch auch noch Chancen gehabt.
Daniel
00:40:15
Das Potenzial da.
Solveig
00:40:16
Das Potenzial da. Ich weiß gar nicht, habe ich es noch erzählt? Genau, also er ist aber 32 Bischof von Münster und Osnabrück und er ist auch noch Administrator des Bistums Minden. Also im Grunde hat er alle westfälische Bistümer in seiner Hand. Und ich vermute mal, wenn wir uns so seinen Lebenslauf anschauen, er ist nicht unbedingt aus seiner spirituellen Überzeugung ins klerikale Amt gegangen, sondern weil er einfach als Adliger diesen Weg für ihn bestimmt worden war. Nicht der Erstgeborene. Genau, nicht der Erstgeborene, sondern eben dann der Sohn, der sich irgendwie anders versorgen muss. Was bei ihm aber interessant ist, dass er gar nicht gegen die Reformation ist, sondern er ist da sehr offen, vielleicht mit seiner Ehe und seinen Kindern auch nicht überraschend, dass er sich denkt, warte mal, Martin Luther sagt, wir brösten den Zölibat gar nicht haben.
Daniel
00:41:04
Ja, und ich bin auch noch gar nicht geweiht, also könnte ich das ja säkularisieren. Quartier und Wetterverherzog oder so.
Solveig
00:41:09
Ja gut, das glaube ich nicht, ob er das gedacht hat. Ich glaube, er wäre da schon mit beigeblieben, aber ich glaube, am Zölibat hatte er ordentlich zu knapsen. Und wenn man dann sagt, braucht es doch gar nicht, war er da vielleicht ein bisschen offener. Er war auch ein Bekannter, beziehungsweise er hatte einen guten Förderer, nämlich Philipp von Hessen. Und die, die sich mit der Reformation auskennen, wissen, dass der Landgraf von Hessen, Philipp von Hessen, einer der wichtigen Vorantreiber der Reformation war. Also wir haben die Herzöge von Sachsen, die sich um Martin Luther kümmern. Wortwörtlich, ihn da in diese Burg bringen. Und Philipp von Hessen ist der zweite Arm, der dann eben auch mit den Herzögen von Sachsen im schmarkaldischen Bund später von Karl V. besiegt wird. Also die sind sich gut. Philipp hat das, glaube ich, auch gefördert, dass er da die Bischöfe, also die Bistümer Münster aus Norbert bekommen hat. Also er hat sich da eingesetzt für ihn. Von daher ist Franz von Waldeck so eine gewisse Ambiguität. Also er ist nicht der böse, katholische, eiferische Bischof, der jetzt die Reformation niederschlagen möchte, Sondern er mag halt die Täufer nicht, aber Protestantismus an sich findet er gar nicht so schlecht. Und das sehen wir auch daran, dass kaum, dass er da in Münster Bischof wurde, im April 1533 den Bürgern die Religionsfreiheit zugestanden hat. Ja, blöd gelaufen.
Daniel
00:42:27
Okay.
Solveig
00:42:28
Hätte er sich vielleicht, hat er glaube ich später bereut, dass er das getan hat. Aber er tut es eben. Also da sieht man, er ist schon überzeugt, findet die Reformation ganz gut und würde die auch unterstützen. Also da dieses Bild von Franz von Waldeck, dieser böse katholische Bischof, der heuchlerisch in einer Beziehung lebt und seine Konkubine hat und seine unehelichen Kinder und nur nach Ämtern strebt, das Bild lässt sich so nicht halten. Also wir haben hier jemanden, der interessiert war.
Daniel
00:42:57
Wir haben natürlich, wenn wir heute darüber nachdenken, immer so das Bild, dass ich mich bewusst entscheide, wegen meiner Spiritualität, wegen meiner religiösen Gefühle. Ich möchte diesen Weg beschreiten und ich entscheide mich dafür als Zölibatär und als Priester oder im Kloster oder was auch immer zu leben. Und dann lerne ich aber doch jemanden kenne und treffe mich heimlich und kriege Kinder. Und dann ist das natürlich alles ganz furchtbar und verwerflich, weil ich habe ja dann mein Ideal verletzt und das, was ich behauptet habe. Aber das gibt es einfach so für die meisten damals nicht. Also gerade nicht, wenn ich aus einer adeligen Familie komme, der zweit-drittgeborene Sohn bin und dann einfach gesagt wird so, du machst jetzt hier den klerikalen Weg und siehst du, dass du ein paar Bistümer kriegst und unsere Familie auf diese Weise noch mehr Einfluss gewinnt. Das ist nicht deine persönliche Entscheidung, diesen Weg zu beschreiten und für Zölibat kann man ja auch quasi noch kurz vor Tod im Zweifel erledigen. Also gut, wenn ich Bischof sein möchte, dann muss ich natürlich schon irgendwann wahrscheinlich dran glauben. Wenn ich die Weihe kriege, dann kommen wir quasi so mit diesen Vorstellungen von heute daran. Das sind aber hier die Kleriker, die in Wahrheit Wein predigen, umgekehrt Wasser predigen, aber Wein trinken. Das ist halt so damals nicht. Also der ist ja eher so pragmatisch und ach guck mal, ja macht doch was ihr wollt. Nehmt den Luther, wenn ihr den besser findet. Mache ich auch ein bisschen mit.
Solveig
00:44:13
Ja, ich erscheine den ja auch gut zu finden in gewissen Bereichen. Und deswegen, also da dachte ich mir, wie gesagt, es ist immer der böse... Missgünstige Bischof, aber das scheint Franz von Waldecke eben nicht gewesen zu sein. Er schreibt dann nochmal, also er hatte ja jetzt schon mal an den Stadtrat geschrieben, Leute, sonst wird der Kaiser böse und dann haben wir alle ein Problem, wenn der Kaiser kommt. Scheinbar hat man sich dann von der Stadt trotzdem gesagt, uns doch egal. Und dann schreibt er am 23. Januar 1534, also wir nähern uns einem großen Wandel in der Stadt, schreibt er nochmal an die Stadt. Bitte beachte doch die Gesetze.
Daniel
00:44:53
Wir, Franz von Gottes Gnaden, Bischof von Münster und Osnabrück, Administrator in Minden etc., tun kund und zu wissen, dass wir zuverlässig in Erfahrung gebracht haben, dass die verdammte, verbotene und aufrührerische Partei und Lehre der Wiedertäufer durch einige Betrüger und nicht ordnungsgemäß berufene Prediger, Bernhard Rothmann etc. Und ihre Spießgesellen verbreitet worden ist und in unserer Stadt Münster mit vielen anderen gefährlichen und aufrührerischen Neuerungen angefangen und Wurzel gefasst hat. Wir haben das mit höchstem Schmerz erfahren, und würden wir dies übel straflos grassieren lassen, so würden wir uns nicht nur die Missbilligung der Kaiserlichen Majestät und des ganzen Reiches zuziehen, sondern auch unser Bistum und unsere Untertanen in ewige Zwietracht und unersetzlichen Schaden, ja ins Verderben stürzen. Wir gebieten also allen und jedem Einzelnen unsere Amtleute, Befehlshabern, Richtern, Dienern und Untertanen, dass sie die genannten Ungehorsamen, Rebellen, Unruhestifter und Aufrührer mit allen ihren Gütern, wo sie sein mögen und gefasst werden können, ergreifen und festhalten und sie dann gefangen der Behörde übergeben, damit sie nach kaiserlichem Edikt und Reichsabschieden mit den gesetzlichen Strafen belegt werden. Jetzt aber Schluss.
Solveig
00:46:16
Jetzt Ruhe im Puff. Ich habe es jetzt klar gesagt, was ihr zu tun habt. Darauf reagiert der Rat jetzt, eine Woche später, sagt der Rat. Der Rat erkannte, dass sein Beschluss, die wieder teuferischen Prediger zu vertreiben, schlimme Unruhe veranlasste, da jene unter dem Schutz ihrer Anhänger sich nicht vertreiben lassen wollen. Um also sich und die Bürger von der täglichen Furcht vor Mord und Totschlag, in der sie ständig schwebten, zu befreien, beriefen sie am 30. Januar die Alder- und Meisterleute und berieten mit ihnen nicht mehr über die Vertreibung der Rotmannisten, sondern über die Erhaltung des Friedens in der Stadt um jeden Preis. Der Glaube sollte frei und für jeden nach seinem Gewissen wählbar sein, bis Gott die Einheit der Religion und des Glaubens durch seinen Heiligen Geist verleihen würde. Die Stadt sagt nein.
Daniel
00:47:02
Der Bischof hat ja auch Religionsfreiheit versprochen.
Solveig
00:47:05
Eben, da beruft man sich jetzt drauf und sagt, nein, nein, nein, wir schmeißen die nicht raus. Sie schieben es dann auch so ein bisschen vor. Das macht ja auch so viel Unruhe.
Daniel
00:47:14
Die haben alle Angst. Das geht schon in Richtung terroristische Akte scheinbar, wenn man so viel Angst hat vor den Rotmanisten. Als Durchschnittsevangelisch-katholischer Bürger, dass wenn ich die jetzt versuche zu vertreiben, vielleicht die nachher sagen, wir wissen, wo dein Auto steht. Oder wo deine Kinder zur Schule gehen, viel schlimmer.
Solveig
00:47:33
Das mag so sein. Jetzt ist natürlich die Sache, dass wieder Ratswahlen sind im Februar. Also weiß ich nicht, eine Woche, zwei Wochen, nachdem das hier erlassen wurde. Und mittlerweile sind jetzt nur noch Täufer im Stadtrat vertreten. Ja.
Daniel
00:47:49
Okay.
Solveig
00:47:49
Also ich glaube nicht, dass das Angst war, sondern dass man gesagt hat, nee, lass die mal machen. Wir finden es schon gut, was hier läuft. Wie weiter die Individuen, das ist natürlich immer schwierig zu sagen, ob da vielleicht doch irgendwie Unruhe war. Aber man sieht so die Mehrheit in der Stadt, zumindest in der Stadtregierung, Und die sind schon überzeugt, dass die Täufer da das wahre predigen.
Daniel
00:48:12
Also immer noch der Rotmann.
Solveig
00:48:13
Genau, Unterführung von Bernd Rotmann. Das finde ich ganz interessant, das habe ich mir jetzt nicht rausgeschrieben. Aber der hat auch noch einen Spitznamen bekommen, dieser Werther, Bernd Rotmann, nämlich Stutenbernd.
Daniel
00:48:23
Wieso das denn?
Solveig
00:48:24
So süß. Weil er Stuten, dieses Hefegebäck, das ist glaube ich Hefe drin, bin mir jetzt gerade nicht unsicher, also statt Hostien ausgegeben hat beim Abendmahl. Das war halt seine Überzeugung, dass das die wahre Leib Christi ist.
Daniel
00:48:40
Mit Rosinen oder auch?
Solveig
00:48:41
Das weiß ich nicht. Und Stutenkerl kenne ich nur.
Daniel
00:48:45
Oder nur diese Tonpfeife noch mit eingebacken.
Solveig
00:48:48
Diese Stutenkerle, muss ich auch immer dran denken, dass er das den so Stutenkerle beim Abend mal ausgeteilt hat. Ich glaube nicht, es war einfach nur dieser Teig, dieser gebackene Teig. Aber das ist dann sein Spitzname auch geworden.
Daniel
00:49:00
Ehrlich gesagt habe ich von diesem Rotmann vorher noch nie gehört. Ich kenne immer nur andere Namen.
Solveig
00:49:04
Ja, da kommen wir auch jetzt nämlich zu. Aber er ist tatsächlich im Grunde der Verursacher von dem ganzen Klumpatsch. Also er war irgendwie da. Ich weiß auch nicht, ob er gebürtig aus Münster ist. Das habe ich jetzt vergessen. Aber er ist auf jeden Fall da. Es wird ja immer von fremden Mächten gesprochen, die in die Stadt gekommen sind. Das kann aber auch Rhetorik sein.
Daniel
00:49:23
Immer diese Holländer.
Solveig
00:49:24
Ja, die sind noch nicht da. Die kommen jetzt. Aber dadurch, dass immer gesagt wird, die Fremden kommen und machen alles kaputt, Kann auch ein Topos sein. Vielleicht meinen sie damit aber auch Bernd Rothmann, der da hingekommen ist. Auf jeden Fall, wie gesagt, wir haben den Bischof, der sagt, schmeiß die endlich raus. Es reicht jetzt. Wir haben den Stadtrat, der sagt, wir mögen die, aber wir finden die gut. Die Mehrheit, also Täufer, haben die Mehrheit im Stadtrat. Und jetzt im Februar bzw. März, das ist nicht so ganz genau klar, an welchem exakten Tag kommt jetzt Jan Mattis nach Münzen. Auch Jan Mattis ist jetzt nicht so, glaube ich, der Name, den man mit den Täufern verbindet. Deswegen erkläre ich einmal, wer Jan Mattis ist. Jan Mattes ist, ich weiß gar nicht, ist ein Holländer, kommt aus Haarlem. Da habe ich jetzt geguckt, ob das Holland ist oder Niederlande.
Daniel
00:50:14
Also Niederland auf jeden Fall.
Solveig
00:50:16
Und der, wie gesagt, kommt aus Haarlem, aus einem relativ armen Verhältnis, einer relativ armen Handwerkersfamilie und wird dann von diesen Ideen der Täufer mitgerissen. Er wird da inspiriert und ist dann sehr, sehr schnell überzeugter Täufer, geht dann nach Amsterdam, schließt sich der dortigen Täuferbewegung an und ist dann auch ganz schnell da führender Mann in dieser Bewegung. Und ich hatte es anfangs gesagt, dass die Täufer eigentlich Gewaltlosigkeit predigen. Sie der Anders. Er ist da ein bisschen anderer Meinung. Gewaltlosigkeit grundsätzlich ja, in einer perfekten Welt und wir miteinander.
Daniel
00:50:53
Also erst, wenn alle Täufer sind.
Solveig
00:50:54
Genau, erst, wenn alle Täufer sind, dann natürlich alles fein. Aber solange wir Feinde haben, die uns ja bekämpfen, müssen wir ja Widerstand leisten. Und im Widerstand ist alles okay. Also andere Täufer finden das auch nicht in Ordnung, was er da sagt. Aber er hat diese Meinung. Das ist nicht nach dem Motto, nur weil er das glaubt, sagen alle Täufer dann. Dann hauen wir halt dann doch Leuten auf die Fresse. Aber Jan Mathis Das ist wichtig, dass er das eben anders sieht oder anders interpretiert, diese Gewaltlosigkeit. Er kommt, wie gesagt, nach Münster, sieht das alles, sagt, es ist richtig toll, das wird unser neues Jerusalem. So wird Münster ab sofort auch genannt. In deren Quellen sprechen sie immer vom neuen Jerusalem. Ich weiß gar nicht, ob ich jetzt einen Auszug dabei habe, wo das vorkommt. Aber wenn man da vielleicht nochmal näher lesen möchte. Ich war am Anfang auch verwirrt. Wieso reden sie denn immer von Jerusalem? Wollen sie jetzt ins Heilige Land ziehen? Ist das ihr Plan, bis ich verstanden habe? Nee, sie sprechen von Münster, wenn sie das neue Jerusalem meinen. Und Jan Mattes kommt auch nicht allein. Zum einen hat er seine Ehefrau dabei, die Dibara. Und er hat noch einen Jungen vorgeschickt. Einen jungen, inspirierten Täufer namens Jan van Leiden.
Daniel
00:52:07
Ah.
Solveig
00:52:08
Das ist ein Name.
Daniel
00:52:09
Den habe ich schon mal gehört.
Solveig
00:52:11
Den man wahrscheinlich schon mal gehört hat. Der scheint auch schon vorher vorgeschickt worden zu sein, so als Bote oder als Kundschafter für Jan Mertes. So, geh da mal hin und schau, was da passiert. Wir haben ja mitgekriegt, die haben da Streit untereinander. Guck mal, wie gut die Täufer da verortet sind. Hilf denen nochmal ein bisschen und wenn du sagst, das ist gut, dann komme ich. Also so ein Abgesandter ist Jan van Leiden. Beziehungsweise Jan van Leiden. Also ich habe es einmal niederländisch ausgesprochen gehört und dann, das fand ich so niedlich, dass ich es dann versuche zu imitieren, dieses Jan van Leiden. Also das wird ein Name, der immer mal wieder vorkommen wird. Was noch passiert ist, dass wir, also Jan Mathis ist jetzt in der Stadt, er ist der große Prophet der Täufer und damit im Grunde auch stadther, also er entscheidet jetzt, was passiert, er trifft, er predigt, er sagt, wie mit den Menschen umzugehen hat, es sind ja nicht nur Täufer in der Stadt. Jan van Leiden ist eben seine rechte Hand in dem Sinne und Und wir haben noch Bernd Knipperdolling.
Daniel
00:53:06
Ja, den habe ich auch schon mal gehört.
Solveig
00:53:08
Das ist so ein Name.
Daniel
00:53:09
Das ist auch so ein Name, den hat mein Großvater gerne mal benutzt für kleinere Menschen. Hat er immer Knipperdolling genannt. Was ist das eigentlich?
Solveig
00:53:18
Ein Knipper-Dorling. Bernd Knipper-Dorling ist ein Münsteraner. Und der ist auch überzeugter Täufer und wird zum Henker.
Daniel
00:53:26
Von Scharfrichter.
Solveig
00:53:27
Also Gewaltlosigkeit, wie gesagt, nur für uns, nicht für die anderen.
Daniel
00:53:31
Ja gut, aber das ist ja rechtmäßig. Henker braucht man ja, wenn man da auch Todesurteile fällt.
Solveig
00:53:35
Aber nicht, wenn du absolute Gewaltlosigkeit predigen. Das ist eigentlich gegen die Todesstrafe.
Daniel
00:53:38
Das ist aber auch schon anspruchsvoll.
Solveig
00:53:41
Ja, ich meine ja nur von wegen, die, die Wein predigen und andersrum. Wasser predigen und Wein trinken. Aber wie gesagt, Gewaltlosigkeit nur für uns, nicht für die anderen. Wir brauchen den Henker als Amtsmann und das ist eben Bernd Knipperdolling. Das ist auch ganz interessant. Knipperdolling kenne ich auch daher, weil das während der Studentenbewegung in den 60ern und 70ern in Münster, ich weiß gar nicht, ob es heute noch, immer noch läuft, auch so eine Studentenzeitung war.
Daniel
00:54:05
Okay.
Solveig
00:54:06
Wie so Widerspruch gegen, das ist tempisch mitgeführt.
Daniel
00:54:09
Ausgerechnet den Namen des Henkers dafür benutzt.
Solveig
00:54:11
Ja, ein Täufer halt. So und jetzt kommen wir zu den Geschehnissen in Münster. Ich bin da immer so ein bisschen vorsichtig. Ich habe zwei Perspektiven mitgebracht und das ist so quellenkritisch sehr schwierig. Ich habe andere auch in Podcasts so reingehört und da haben die das nicht so angesprochen, diese Schwierigkeit. Denn die Quellenberichte, die wir jetzt über dieses Täuferreich haben, wenn wir es so nennen wollen, sind von Personen geschrieben worden, die das im Nachgang aufgeschrieben haben. Wir hatten es schon angesprochen, Münster ist eben knapp anderthalb Jahre in der Herrschaft von diesen Täufern, wird dann aber vom Bischof zurückerobert.
Daniel
00:54:52
Jetzt haben wir alles gesprochen.
Solveig
00:54:53
Ja, gut, jetzt kann man es auch gleich. Hören wir, gehen wir nach. So, und diese Personen haben dann, sind dann festgenommen worden als Täufer und haben dann den bischöflichen Truppen erklärt, wir waren keine, haben aber anderthalb Jahre hier gelebt und haben dann höchstwahrscheinlich auch diese Berichte niedergeschrieben, um zu erklären, dass sie keine Täufer sind. Deswegen bin ich da sehr vorsichtig in Details, die die erzählen, weil ich mir nicht so sicher bin, ob sie hier wirkliche Tatsachenberichte geben oder für ihr Publikum, Publikum schreiben und einmal erzählen, wie schlimm alles war und wie dagegen sie waren und sie konnten sich einfach nicht wehren und es war alles ganz, ganz furchtbar und sie fanden es alles schlimm. Da bin ich so ein bisschen, wäre ich vorsichtig. Ich lese die jetzt trotzdem vor, weil wir einfach nichts anderes haben und diese Quellen dann doch sehr eindrücklich sind. Aber nochmal bei Details, ich bin da vorsichtig.
Daniel
00:55:42
So ein paar Prozentpunkte abziehen.
Solveig
00:55:45
Ja, also es sind jetzt zwei. Der eine ist auch ein bisschen polemischer als der andere. Kommt dann auch nochmal so raus. Das habe ich dir eben auch schon gesagt. Ich habe mir bei dem einen vergessen rauszuschreiben, wie der heißt. Weil in der Quellensammlung, die ich benutzt habe, wurde der immer nur dann, der wurde einmal eingeführt und dann wurde es immer nur Quellenbericht K genannt, weil der Herr mit K anfängt. Und jetzt habe ich vergessen, mir rauszuschreiben, wie der Herr.
Daniel
00:56:09
Moment.
Solveig
00:56:09
Das ist aber nur K.
Daniel
00:56:11
Okay.
Solveig
00:56:12
Also wir haben einmal den Quellenbericht von K. Und einmal den Quellenbericht von Gresbeck. Und Gresbeck ist etwas polemischer als der Herr K. Wie gesagt, wir müssen das nochmal raussuchen.
Daniel
00:56:24
Ist es eine anonyme Quelle? Der Herr möchte nicht erkannt werden.
Solveig
00:56:28
Ja, beziehungsweise. Wir sind einfach vergessen, mir das rauszuschreiben. Ist mir auch eben gerade erst aufgefallen. Naja, der Herr K. Schreibt über die Ereignisse in Münster. Wir sind jetzt so ungefähr im Februar 34 noch, was er hier beschreibt, über den Anfang, die Etablierung. An demselben Tag durchliefen Knipperdolling und Johannes Bockelson, der Prophet von Leiden. Also als Einschub, das sind drei Personen. Weil so wie es geschrieben ist, könnte man meinen, dass Johannes Bockelson der Prophet von Leiden ist. Nee, es ist Knipperdolling, Bockelson und Jan van Leiden. Also es sind drei Herren, Jan van Leiden ist schon dabei. Aber dieser Johannes Bockelson, der taucht auch nie wieder auf. Aber das scheint einer der Münsteraner, die mitmachen wollen. Also diese drei laufen jetzt um drei Uhr nachmittags durch alle Straßen der Stadt und forderten mit kläglichem und fürchterlichem Geschrei Besserung des bisherigen Lebens. Denn mit entblößten Häuptern und zum Himmel gerichteten Augen schrien sie nichts als Buße, Buße, Buße. Einige der Unsringen aber dachten an jenes klägliche Jammergeschrei und jene traurige Stimme, die den Untergang Jerusalems vorhergesagt hatten, und weiß sagten daher weinend auch den Untergang dieser Stadt. Und als einige die ungewohnte Raserei der Korribanden hier und da auf den Gassen verlachten, sagten diese, Wehe, wehe, wehe euch, die ihr uns, die vom göttlichen Geist getrieben sind, verlacht, die ihr der Stimme der heilsamen Buße kein Gehör schenkt, die ihr unseren Bund verachtet. Tut Buße und bekehrt euch, damit ihr euch nicht die Strafe des himmlischen Vaters zuzieht. Als sie dann zum Markt zurückgekommen waren, umarmten und küssten sie sich vor den Augen des Ganztvolkes, das die Neugier aus allen Winkeln der Stadt zusammengeführt hatte. Judokus Karlenberg sprengte von demselben Geist getrieben zu Pferde durch die Gassen, verkündigte den Einsturz des Himmels und schrie, dass er wunderbare Dinge sehe und viele Milliarden Engel erblickte. Dann lief ein Weib von ähnlicher Reiserei entflammt durch alle Straßen der Stadt und forderte alle mit solchem Geschrei zur Bekehrung auf, dass es ganz heiser wurde und kein Laut mehr herausbringen konnte. Damit sie aber der Eingebung ihres Geistes doch nachkäme, befestigte sie eine Schafsglocke hinten an ihrem Gürtel, die durch den zitternden Lauf in Bewegung gesetzt beständig tönte. Und so zog sie doch die Augen des Volkes auf sich und bewirkte durch Gebärden und Zeichen, was ihr mit der Stimme versagt war. Durch diese neue tolle Erfindung wurden viele Bürger erschreckt und zuerst zum Zweifel an ihrem Bekenntnis gebracht und fingen an, im Glauben unsicher zu werden. An diese machte sich Rotmann mit seiner einschmeichelnden Beretsamkeit heran und brachte die schon wankenden Leichtzufall und verführte sie zu seiner Lehre.
Daniel
00:59:00
Das klingt jetzt schon alles aber ziemlich ernst, was da jetzt abgeht.
Solveig
00:59:03
Ja, und ich wäre da ja schon raus.
Daniel
00:59:05
Und wir sind kurz vor dem Weltuntergang gescheitend.
Solveig
00:59:07
Ja, also das auch. Und wenn da Leute durch die Straßen rennen und die ganze Zeit nur Buße brüllen, dann denke ich schon, Leute, geht mir nicht auf den Sack. Ey, ich habe schon gar keinen Bock mehr. Aber gut, die sind hier wild dabei. Und ich habe diese Stelle, die jetzt doch sehr lang war, aber trotzdem mit reingenommen, um dieses Predigen mit so zum Ausdruck zu. Ich finde, das Predigen kommt da sehr gut zum Ausdruck, dass das ja eben dieser Glaube ist, das ja nicht nur bei den Täufern ist, sondern insgesamt bei diesen sehr radikaleren Protestanten, dass alle predigen können, dass man vom Heiligen Geist erfasst wird und dann das Wort Gottes verkündet, dass dieser Geist über jeden kommen kann. Haben wir jetzt hier den Herrn, den Jodokus, Quack, nein, Jodokus Kahlenberg. Und diese Dame, die leider keinen Namen hat scheinbar, werden ja auch von diesen Momenten erfasst und sind dann da in diesem Eifer der Predigt unterwegs. Und auch da ganz interessant, was hier durchkommt, also es sind offensichtlich nicht alle täuferisch überzeugt, aber es kommt hier schon so, dass die einfach alle auch Angst bekommen und sich dadurch beeinflussen lassen.
Daniel
01:00:11
Das ist ja jetzt auch ein bisschen anderer Druck eigentlich, als wenn der Bischof ist nachher gekommen, so der Kaiser hat das gesagt und das Reich hat diesen Abschied getroffen, also bitte haltet euch jetzt mal an Recht und Gesetz und die geben mir jetzt eine ganz andere Nummer vor, die sagen ja, wir müssen uns auf das Ende der Welt vorbereiten und dass das himmlische Jerusalem hier auf Münster quasi niederfährt.
Solveig
01:00:28
Ja und der Himmel fällt uns auf den Kopf.
Daniel
01:00:29
Und ihr müsst jetzt Buße leisten, sonst seid ihr einfach mal verdammt. Also das ist ja jetzt, jetzt wird ja die Gemeinschaft quasi intensiviert.
Solveig
01:00:35
Ja.
Daniel
01:00:35
Jetzt kommt es wirklich drauf an, Himmel oder Hölle.
Solveig
01:00:38
Genau, vor allem zieht es ja auch an, weil jetzt neue Leute da sind. Also dieser Rotmann scheint das vorher irgendwie so ein bisschen entspannter gemacht zu haben und jetzt wird hier aber wirklich Endzeiterwartungen hineingebracht. Und das ist ja auch, was dieses Täuferreich grundsätzlich diese anderthalb Jahre auszeichnet, dass man sich darauf einstellt, jetzt kommt das jüngste Gericht, das Armageddon startet. Und parallel, wo das hier passiert, kommen ja auch schon sehr schnell die Truppen des Bischofs, weil der sagt jetzt, ich habe es euch gesagt, ich habe erklärt im Januar, ihr habt die zu entfernen und er ist ja auch in einer gewissen Bringschuld, es ist ja nun mal seine Stadt. Und wenn der Kaiser mitbekommt, dass in seiner Stadt, wo er die Verantwortung hat, diese Täufer unterwegs sind, dann wird er ja auch abgesetzt. Also es geht ja auch ihm hier jetzt um.
Daniel
01:01:21
Dann wird das mit Köln vergessen.
Solveig
01:01:22
Ja, dann wird das nichts mehr. Er hat doch seit zehn Kindern zu versorgen. Und deswegen hat er da auch einen gewissen Druck und belagert diese Stadt. Also die gesamte Zeit im Grunde haben wir eine belagerte Stadt, wir haben die Truppen, die die Stadt umstellen und man ist dann ja auch in dieser Stadt eingesperrt und dadurch ist man dann vielleicht auch so mehr und mehr in diesem gemeinschaftlichen Denken, was auch so ein bisschen erklärt, warum es dann auch so eskaliert, wie es dann eskalieren wird. Vor allem, wenn dann noch diese Endzeiterwartungen kommen. Also das Heer des Bischofs wird als die Horden der Unterwelt gesehen, die jetzt das Armageddon auslösen. Und da muss man sich jetzt im wahren Glauben zusammentun. Nachdem auf jeden Fall dieses ganze Brimborium hier stattfindet, mit Nachts wird ständig Buße geschrien und du hast irgendwelche Schafsglocken, die die ganze Zeit bimmeln, sagen die überzeugten Katholiken, jetzt reicht es. Also da machen wir nicht mehr mit. Und selbst nicht-täuferische Protestanten sagen, nee, das ist uns jetzt auch zu blöd. Das andere alles sehr, sehr nett und schön, aber das machen wir nicht. Und es verlassen sehr, sehr viele die Stadt, die sich eben auch nicht taufen lassen wollen, weil das wird jetzt angesagt. Ihr müsst euch jetzt alle auf den wahren Glauben bekennen. Und wie tut man das? Ihr werdet jetzt getauft als Erwachsene. Das heißt, sehr, sehr viele gehen. Ein paar bleiben, weil die sich dann auch denken, wahrscheinlich, wo soll ich denn hingehen? Das sind die, die gehen, haben dann eben auch Verwandtschaft im Umland oder können dann irgendwo unterkommen. Aber manche scheinen das eben nicht zu haben. Die bleiben dann da. Manche werden auch überzeugte Täufer gewesen sein, die gesagt haben, jawohl, jetzt müssen wir den letzten Kampf kämpfen und dann. Was auch passiert, also zum einen gehen Katholiken, nicht-teuferische Protestanten. Es finden gleichzeitig Bilderstürmer statt in den Kirchen, die ja dann doch auch einige sind in Münster. Und es finden öffentlich Bücherverbrennungen statt.
Daniel
01:03:20
Das ist immer ein schönes Indiz.
Solveig
01:03:22
Das ist immer ein Hinweis, wie man so eingestellt ist. Und was auch passiert, es gibt ein Frauenkloster in Münster. Und den Damen sagt man dann auch, ihr müsstet dann vielleicht gehen. Das wollen die erst gar nicht, überraschenderweise möchten die ihr Kloster gar nicht verlassen. Es gibt dann auch so einen Brandbrief von der Mutter Oberin, von wegen, die nehmen uns unser Essen weg. Die haben uns unser Kloster weggenommen und jetzt nehmen sie uns unser Essen weg, weil man ist ja belagert. Das heißt, man kann nicht einfach Lebensmittel von außen in die Stadt reinholen. Das heißt, es wird alles erstmal zusammengebracht, was man so an Lebensmitteln hat. Und da werden erstmal die Feinde quasi geplündert. Also man nimmt das an sich, was die Flüchtigen zurückgelassen haben und man nimmt das, was das Kloster hat an sich. Parallel dazu, die, die geblieben sind, ich habe es schon angesprochen, müssen sich taufen lassen. Und da haben wir jetzt den Herrn Griesbeck, der uns darüber was erzählt. Und er schreibt, als das Volk nun so aus der Stadt gezogen ist, entstand in der Stadt Münster ein großes Geschrei von Weibern und Kindern. Alles, was an Männern, Frauen und Mägt in der Stadt geblieben ist, wurde mit Gewalt zur Taufe gezwungen, wie ihr noch im Weiteren hören sollt. So mussten diese Bürger und Frauen, die am Freitag in der Stadt geblieben waren, auf den Markt gehen und sich taufen lassen. Diejenigen, die sich am Freitag auf dem Markt taufen ließen, gingen zu den Prädikanten und ließen sich taufen. So standen auf dem Markt drei oder mehr Prädikanten und tauften die Leute. Da sagten die Prädikanten zu den Leuten, die sie tauften, dass sie das Böse lassen sollten und das Gute tun und hatten einen Eimer mit Wasser vor sich stehen. Und so ließen sich die Leute vor den Prädikanten auf die Knie nieder. Dann taufte der Prädikant die Leute mit drei Handvoll Wasser in dem Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Daniel
01:05:03
Das ist aber doch, da das Wort jetzt nochmal so oft vorkam, aber schon der Bischof es benutzt hat, vielleicht sagen wir es ein Prädikant eigentlich ist.
Solveig
01:05:10
Genau, das sind Prediger.
Daniel
01:05:10
Okay.
Solveig
01:05:11
Das ist einfach nur, das sind halt das meint, dass das die, ich denke mal, die predigenden Anhänger der Täufer sind, die da wirklich auftreten und den Menschen erzählen, sie sollen Buße tun und sich taufen lassen. Genau, also Prädikanten werden ja auch zum Beispiel Dominikaner genannt, weil sie predigen. Also es ist ja auch der Prädikantenorden, ist einfach nur das lateinische Wort für Predigen. Also was hier passiert, sind im Grunde auch Zwangstaufen, zumindest so wie man es hier raus abliest. Also du hast keine Wahl, wenn du in der Stadt bleibst. Dann musst du dich taufen lassen. Und das passiert eben hier. Ich dachte, ich nehme es nochmal mit rein.
Daniel
01:05:49
Sofern der Herr nicht nachher dadurch erklärt hat, wie es dazu kam, dass er jetzt auch da wieder getauft wurde.
Solveig
01:05:55
Genau. Das ist die Frage. Ich habe es einfach noch, weil ich da so die Praxis ganz interessant finde. Also die werden nicht irgendwie untergetaucht in den Becken, sondern sie kriegen es wie die Kinder einfach so ein bisschen.
Daniel
01:06:04
Das hätte ich jetzt anders erwartet.
Solveig
01:06:06
Ich auch.
Daniel
01:06:06
Ich dachte, das würde ich dann sagen. Geh jetzt in den Fluss. Gibt es einen Fluss in Münster?
Solveig
01:06:10
Ja, die A, aber die ist nicht.
Daniel
01:06:12
Nicht so schön.
Solveig
01:06:12
Nein, die ist nicht tief genug. Bis zur Hacke geht das hoch. Bringt nichts, dann nimmt man den Arm immer mit Wasser. Und ich hatte es schon angesprochen, über die Endzeiterwartungen hatten wir gesprochen, weil jetzt eben diese Truppen von Franz von Waldeck die Stadt belagern. und jetzt kommt Ostern. Und das wird so um den 5. April herum gewesen sein. Und Jan Mattis ist ja der große Prophet und wir sind ja in einer Endzeiterwartung. Und er ist jetzt fest davon überzeugt, dass Christus an Ostern nach Münster zurückkehren wird. Und mit der Rückkehr Christi beginnt eben das Armageddon, die letzte Schlacht, dann kommt das Heil. Und um Ostern rum wird Jan Mattes zusammen mit seiner Ehefrau zu einer Hochzeit eingeladen. Ich weiß nicht, wo die da stattfindet, aber er ist dann da.
Daniel
01:07:08
Der Knipper-Dollinger.
Solveig
01:07:12
Und während dieser Hochzeit findet dann jetzt das Beschriebene statt, also von Herrn Gresbeck beschrieben. Woher er das weiß, hat er wahrscheinlich von Freunden gehört, die mit dabei waren. Als man das Gebratene auftragen sollte, da kam über Jan Mattis der Geist des Teufels, saß lange und schlug die Hände zusammen und warf das Haupt auf und nieder und war im großen Seufzen, ganz als wenn er sterben sollte. Die anderen, die bei ihm saßen, schwiegen still und sahen seinem Treiben zu. Zuletzt wurde er wieder wach und sagte mit einem Seufzen, lieber Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst. Und stand auf und gab einem jeden die Hand und küsste einem jeden auf den Mund und sagte, Gottes Friede sei mit euch allen. Am anderen Tage ging derselbe Johann Mattis auf ein Schießgefecht aus der Stadt und nahm mit sich 10 oder 20, die mit ihm gingen. Als Johann Mattis mit seinen Gesellen an den Feind kam, da haben sie ein Schießgefecht gegeneinander gehabt und haben sich zuhauf geschlagen. Johann Mattes wurde mit seinen Gesellen geschlagen. Es waren nicht viele, die da entkamen. Johann Mattes wurde mit einem Spieß durchstochen und da heben ihm die Landsknechte den Kopf ab und schlugen ihn in hundert Stücke und bewarfen sich damit. Das Haupt steckten sie auf einen Zaunpfahl in die Luft. Da riefen die Landsknechte den Wiedertäufeln in der Stadt zu, sie sollten ihren Bürgermeister wiederholen. Die Landsknechte wussten aber nicht, dass er der oberste Prophet in der Stadt war. Das war die Geschichte von Herrn Mattes. Das ist schon vorbei. Da ist es schon vorbei.
Daniel
01:08:37
Ach Mensch.
Solveig
01:08:37
Nach so knapp zwei Monaten.
Daniel
01:08:39
Am Anfang, Entschuldigung, ist mir noch aufgefallen, aber kein Vegetarier offensichtlich.
Solveig
01:08:43
Offensichtlich, ja.
Daniel
01:08:44
Weil das hatten wir ja schon mal bei den Inspirierten, dass das irgendwie Teil ist, wie man eine andere Lebensführung dann auch deutlich macht.
Solveig
01:08:52
Das stimmt.
Daniel
01:08:52
Aber das scheint hier keine Rolle zu spielen.
Solveig
01:08:54
Aber wie gesagt, die Gewaltlosigkeit wird ja auch nur für sich selbst in Anspruch genommen. Gewalt gegen Feinde und vielleicht auch Tiere.
Daniel
01:09:01
Wie jetzt beim Schießgefecht.
Solveig
01:09:02
Genau, es ist dann in Ordnung. Ist für ihn nicht gut ausgegangen. Es wird sehr grafisch beschrieben, was mit ihm passiert. Ich vermute, dadurch, dass die Landsknechte ihn ja scheinbar erkannt haben, haben sie ihn deswegen auch so blutrünstig hingerichtet. Vierteilen ist nun mal bei Verrat auch eine gängige Praxis. Das haben die Landsknechte schon mal übernommen. Und auch das Verhöhlen des Feindes in diesem Zusammenhang. Ich finde es auch ganz spannend, diese Stelle, wie gesagt, ich glaube nicht, dass das wirklich so passiert ist, weil woher soll der Griesberg wissen, was bei den Täufern im inneren Zirkel bei einer Hochzeit passiert ist. Aber diese Gleichsetzung so ein bisschen mit Jesu und dem letzten, nicht dem letzten Gericht, dem letzten Amtmal, dieses Vater, ich begebe mich in deine Hände nicht wie ich will, sondern wie du willst.
Daniel
01:09:53
Ich kann mir schon vorstellen, dass man wahrscheinlich gar nicht dabei sein musste, weil wenn es klar ist, dass er so, er musste an dem Tag entscheiden, wir kämpfen morgen, dass die das halt auch in dieser Art dann einfach verbreitet haben in der Stadt.
Solveig
01:10:03
Das kann gut sein.
Daniel
01:10:04
Dass er das wahrscheinlich dann vielleicht nicht selber da am Tisch gesessen hat, aber dass das halt so die Geschichte war, so Gott wollte es und dann ist er losgezogen.
Solveig
01:10:11
Er hat allen nochmal den Bruderkuss gegeben und dann hat er sich geopfert. War scheinbar nicht so erfolgreich, was Gott da für ihn geplant hat, aber... Man weiß ja, die Wege des Herrn sind unergründlich.
Daniel
01:10:23
Die sind vor die Stadt gezogen, um diese Belagerung letztlich zu beenden.
Solveig
01:10:27
Also es gibt immer mal wieder so Ausfälle aus der Stadt raus, dass man das versucht. Es gibt auch so eine Dame, die, ich weiß nicht, vielleicht von der Bibel inspiriert, Judith oder Esther spielen möchte, die eben dann in das Lager des Bischofs hineingehen möchte und ihn dann töten will, wie Judith Holofernes im Schlaf getötet hat. Sie hat da keinen Erfolg mit, sie wird dann entdeckt und verhaftet und auch hingerichtet. Aber es gibt immer mal so Versuche, in so kleineren Truppen den Bischof irgendwie auszuschalten und wahrscheinlich war das hier auch der Gedanke.
Daniel
01:11:04
Das heißt nur umgekehrt auch, bis jetzt sind die nicht in die Stadt gekommen. Die sind da mit so einer Handvoll Leute raus und haben versucht, da irgendwie durchzukommen und irgendwo Essen zu besorgen vielleicht. Und wurden dann halt da aufgespießt oder jedenfalls der Jan. Aber es ist jetzt keiner, der Bischof ist nicht wieder in die Stadt gelangt.
Solveig
01:11:22
Genau, also es ist bei den Belagern, die Stadt hält aber, die Tore und die Mauern halten, aber es wird natürlich von Tag zu Tag wirklich auch schwieriger, weil irgendwann ist das Essen halt auch, also man hat alles zusammengebracht, man versucht es zu verteilen, man hat auch die Besitztümer zusammengebracht, beziehungsweise ist man jetzt dabei, weil Jan Mattes ist jetzt nicht mehr, er ist zum Herrn gegangen und die Nachfolge übernimmt natürlich seine rechte Hand. Jan van Leiden. Und das mag ja auch vielleicht sein, Jan musste sterben, damit Jan herrschen kann. Vielleicht war das ja der Plan grundsätzlich, was Gott sich so gedacht hat. Nämlich, dass nicht Jan Mattes die Erlösung bringen wird, sondern Jan van Leiden.
Daniel
01:12:09
Denkt Jan van Leiden.
Solveig
01:12:10
Ja, vielleicht. Also zu der Zeit sind es, glaube ich, auch andere, die davon überzeugt sind. Wir haben es schon ein bisschen angesprochen. Jan van Leiden wird jetzt auch eine große Rolle einnehmen. Er ist tatsächlich auch was Täufer angeht, eine sehr berüchtigte Person aus Gründen, die wir jetzt noch näher besprechen werden. Und unter ihm radikalisiert sich diese Bewegung, die ja eh schon sehr radikal ist, das muss man ja dazu sagen. Aber unter ihm nimmt das nochmal Formen an, wo man denkt, also so hat es sich glaube ich auch der Jan Mattes nicht vorgestellt. Wir schauen mal. Zunächst mal wird ein Rat der Ältesten eingeführt. Die zwölf Weisen, die zwölf Ältesten der Stadt sollen jetzt Recht und Gesetz in die Hand nehmen. Das ist natürlich schon sehr alttestamentarisch. Das klingt ja irgendwie schon mal gut. Die Ältesten sollen bestimmen, was so läuft. Und es wird die Güter.
Daniel
01:12:58
Zwölf ist auch immer gut.
Solveig
01:12:58
Zwölf ist eine super Zahl. Und es wird auch die Gütergemeinschaft eingeführt. Also Kommunisten sind es auch noch.
Daniel
01:13:04
Wie die Urgemeinde.
Solveig
01:13:06
Genau. Und da wird jetzt eben allen Bürgern und Bewohnern gesagt, die noch da sind, also euren ganzen Besitz, eure Lebensmittel, euer Geld. Silber, eure kostbaren Gegenstände, die müsst ihr jetzt alle ins Rathaus bringen und dann wird das verteilt. Man fragt sich natürlich.
Daniel
01:13:26
Was sollen wir damit.
Solveig
01:13:27
Weil wir sind belagert, wir können das nicht ausgeben. Aber das ist die Ansage. Also ihr bringt alles, was ihr habt und was man irgendwie gebrauchen kann, bringt ihr. Und wir verteilen es dann fair unter den Bedürftigen.
Daniel
01:13:39
Soweit so schön.
Solveig
01:13:39
Soweit so schön. Leider gilt unter Jan von Leiden, zumindest so, wie es die Quellen uns erzählen, der gleiche Gedanke wie bei Farben der Tiere. Alle Menschen sind gleich und manche Menschen sind gleicher. Das heißt, er und seine zwölf Freunde kriegen ein bisschen mehr vom Kuchen als alle anderen. Aber sie haben ja auch wichtige Funktionen. Sie müssen sich ja auch kümmern. Deswegen kriegen sie auch einfach viel mehr Essen, weil geistige Leistung braucht auch Kalorien. Wir haben schon darüber gesprochen, dass ja der Knipper-Dolling ist Scharfrichter in der Stadt. Also ist er für die Todesurteile verantwortlich. Jetzt ist natürlich die Frage, wir sind doch alles Täufer jetzt. Wer muss denn da jetzt hier noch hingerichtet werden? Weil es galt doch unter Jan Mattis nur Gewalt für unsere Feinde, aber untereinander sind wir lieb. Ja, scheinbar, die sind zwar alle getauft, aber sie sind nicht alle wirklich Täufer. Es ist ja wie immer. Die fahrenden Feinde sind weiterhin unter uns. Und die müssen wir ausfindig machen. Und da ist Jan van Leiden auch sehr entschieden, dass er das übernimmt. Er ist tatsächlich häufiger dabei, wenn Todesurteile verhängt werden, dass er sie dann auch wirklich durchführt. Also da ist er scheinbar sehr enthusiastisch mit dabei. Zumindest, wie gesagt, erzählen uns das die Quellen. Und im Juli 1934, also Jan van Leyen ist jetzt so knapp zweieinhalb Monate, drei Monate führende Person in dieser ganzen Geschichte, wird das eingeführt, wofür die Täufer mit bekannt sind, nämlich die Vielweiberei oder die Polygamie, wie es auch genannt wird. Da haben wir den Griesbeck, der uns wieder darüber berichtet. Es war auch Johann von Leiden der Erste und hat noch eine Frau zu seiner Ersten genommen. Man sagt auch, dass Johann von Leiden noch eine Frau hatte in Leiden in Holland. Und es hat Johann von Leiden jeden Tag mehr Frauen genommen, sodass er zuletzt 15 Frauen hatte. So haben die Holländer, Friesen und alle rechten Wiedertäufe auch mehr Frauen genommen zu ihren ersten Frauen. Sie haben ihre erste Frau dazu gezwungen, dass sie gehen musste und ihren Mann eine andere Frau holen. Da hat der Teufel gelacht. Da haben sie ihren Willen gehabt, die da alte Frauen hatten und junge Frauen nehmen wollten. Etem, sagten die Propheten, Prädikanten und die zwölf Ältesten auch, ein Mann, der eine junge und eine alte Frau hat, die nicht fruchtbar ist, das wäre Gottes Wille, dass er eine andere nehmen sollte, die fruchtbar sei. Würde dieselbe dann fruchtbar, so sollte der Mann mit der Frau nichts mehr zu schaffen haben, ehe sie entbunden habe. Kann es der Mann nicht aushalten ohne Frau die Zeit über, da seine Frau mit dem Kinde geht, so mag er eine andere nehmen. Nimmt der Mann dann eine andere Frau, wird die dann auch fruchtbar, so soll er die dann auch sitzen lassen. Kann sich der Mann dann wieder nicht der Frauensleute enthalten, so mag er noch eine andere nehmen. So viele Frauen, als er haben will, auf dass sie die Welt vermehren mögen. So schliefen sie zuerst bei der einen Frau und dann bei der anderen. Das taten sie alle mit einem heiligen Schein, auf dass sie die Welt vermehren sollten.
Daniel
01:16:34
Klingt jetzt aber doch nach katholischer Propaganda.
Solveig
01:16:37
Nun, wir haben ja noch andere Quellen, die das erzählen. Und jetzt ist das ja so, dass wir, wie gesagt, auch heutzutage noch sehr radikale Protestanten haben in den USA. Unter anderem zähle ich da jetzt vielleicht auch die Heiligen der letzten Tage hin dazu, besser bekannt als Mormonen. Auch da haben wir die Vielweiberei, die Polygamie, die dort gepredigt wird. Und auch in anderen Bewegungen, die jetzt nicht offiziell von der mormonischen Kirche anerkannt werden, aber so in diesem Geiste mitschweben, haben wir das sehr, sehr oft. Dass wir da die Herren haben, die sagen, nee, nee, wir dürfen die Frauen alle haben und auch jüngere Frauen.
Daniel
01:17:13
Mormonen ist ja nochmal so ein extra Zweig, meine ich, die ja nochmal ihre eigene Offenbarung ja letztlich auch hatten. Wie ist denn das bei denen, die sich heute noch Täufer nennen?
Solveig
01:17:23
Bei den Baptisten also? Da bin ich mir nicht sicher. Ich glaube, die haben das nicht. Das sind, glaube ich, nur diese wirklich sehr, also ich hatte, das ärgert mich jetzt auch, das wollte ich auch nochmal nachgucken. Ich hatte vor einer Weile diese Doku bei Netflix geguckt. Wie heißt die denn auf Deutsch? Irgendwie Be Sweet war der englische Titel. Und auf Deutsch war es irgendwie Sei lieb, bete und gehorche. Ich weiß nicht, ob du die...
Daniel
01:17:47
Hatte ich mir eigentlich vorgenommen, habe ich jetzt aber nicht geschafft. Ich bin stattdessen gestern an der anderen Doku hängen geblieben, nämlich wie man ein Sektenführer wird.
Solveig
01:17:53
Ah ja, das ist doch auch.
Daniel
01:17:54
Da dachte ich, das passt vielleicht auch. Können wir nachher im Nachklapp nochmal drüber reden.
Solveig
01:17:58
Sehr gerne.
Daniel
01:18:00
Hat Jan van Leiden erklärt, warum das jetzt sein muss? Ich meine, da werden sich auch einige gewundert haben. Das hatten wir ja bis jetzt nicht, viel Weiberei.
Solveig
01:18:07
Genau, da kommen wir jetzt zu dieser Erklärung, auch wie das in der Literatur so erklärt wird. Ich wollte jetzt nur darauf eingehen, dass das eben auch in anderen, dieser radikal-protestantischen Gruppen heute auch noch passiert und noch existiert. Diese Schwesterfrau, also die Sisterwives nennen die sich dann im Englischen untereinander, wo dann der eine Mann eben 10, 20 Frauen teilweise hat. Also von daher, das ist nicht nur, das ist durchaus nachvollziehbar, dass das wirklich passiert ist.
Daniel
01:18:34
Sagen wir es so.
Solveig
01:18:34
Weil das Teil eben dieser Bewegung ist. Das liegt auch sicherlich daran, wenn man das Alte Testament hier mit reinnimmt, da ist ja auch Polygamie erlaubt, wenn man sich um die Frauen kümmern kann. Also das scheint hier dann den Gesetzen Gottes auch entsprochen zu haben. Warum das so passiert, da gibt es eben verschiedene Deutungen. Er lässt es hier, also er ist ja sehr polemisch da drin, also er macht sich da ja schon sehr drüber lustig.
Daniel
01:18:57
Wer ist denn das jetzt her?
Solveig
01:18:58
Das ist dieser Gräsebeck.
Daniel
01:18:59
Okay.
Solveig
01:19:00
Und, also ich gehe da mit ihm mit, wie er das beschreibt, ich bin da auch der Meinung, dass das nichts Religiöses hat, aber sie erklären es damit, naja, der Gott hat doch gesagt, geht hinaus in die Welt und mehret euch und so wird es dann auch in der Literatur immer erklärt, dass dadurch, dass ja so viele Leute gegangen sind, dass es scheinbar einen sehr hohen Anteil an Frauen in der Stadt gab. Und wenn man so extrem den Glauben lebt und in der Zeit ist es eh auch gängige Praxis, dass unverheiratete Frauen ja nicht alleine existieren dürfen. Das heißt, wir haben sehr, sehr viele unverheiratete Frauen, die keinen Mann haben können, weil es nicht genug Männer gibt. Weshalb man dann sagt, naja, damit die irgendwie versorgt sind und damit die Rechtsbeistand haben und sicher sind vor Übergriffen, heiratet halt ein Mann mehrere Frauen, damit das aufkommt.
Daniel
01:19:51
Auch die Nonnen aus dem Kloster?
Solveig
01:19:52
Auch die Nonnen aus dem Kloster, da kommen wir jetzt nämlich gleich zu. Ich bin da nicht so überzeugt, dass das zum Schutz der Frauen diente. Und da kommen wir auch nochmal zu diesen Gruppen heutzutage mit den vielen Frauen und den einzelnen Männern, weil ich mir da auch nicht so sicher bin, ob das wirklich nur religiös gedacht ist oder nicht doch da auch ein gewisser Fetisch hinter steht. Aber kann man ja nochmal im Nachklapp oder drüber sprechen. Oder in den Kommentaren könnt ihr gerne sagen, was ihr davon haltet. Für mich ist das ein Fetischding. Als möglichst viele Frauen schwängern.
Daniel
01:20:25
Wenn wir unsere Gruppe vergrößern müssen.
Solveig
01:20:28
Ja. Wir kommen jetzt nämlich zu der anderen Perspektive.
Daniel
01:20:32
Wir haben doch noch nie mal was zu essen.
Solveig
01:20:34
Ja, eben. Und Frauen sind keine Gegenstände, die man einfach einsammeln kann und schwängern kann. Denn wir haben K. Der sich äußert, auch zu diesem Geschehnissen. Da also niemand mehr widersprach, wurde die Vielweiberei in der Stadt öffentlich zur Geltung gebracht. Der Prophet wurde sofort der Gemahl dreier Frauen, zu denen die Vara gehörte, die Frau des Propheten Mattes, der im Kampf mit den Feinden getötet und zerstückelt worden war. Sie wurde später die oberste Königin. Dem Beispiel des heiligen Mannes folgten die übrigen Prädikanten und die meisten Einwohner. Auch viele Jungfrauen aus den verschiedenen Klöstern, Adelige wie Nichtadelige, benutzten diese Gelegenheit zu ihrem Verderben und verloren ihre Jungfernschaft und Schamhaftigkeit, indem sie die schlimmsten Geigenstricke zuließen, während sie sonst, eingeschlossen und von ihren Oberen sorgsam bewacht, erbar geliebt. Welche unzeitige Liebe sie mit zarten kleinen Mädchen, die kaum das 11., 12. oder 13. Jahr überschritten hatten, in ihrer Raserei übten, zeigte die unheilbare Krankheit oder der plötzliche Tod vieler Mädchen. Viele von ihnen wurden von der Knuppers, die als Ärztin tätig war, durch besondere Kunst, schließlich zwar nicht die Jungfernschaft, aber doch die Gesundheit wiedergegeben. Die Frauen, die den Männern nicht auf ihren Wink gehorchten, wurden als Gefangene in das Rosenthal-Kloster gebracht und eingesperrt, bis sie Buße taten. Die aber in der Widerspenstigkeit gegen ihren Männer verharrten, wurden enthauptet, was vier Weibern auf einmal passierte.
Daniel
01:22:02
Oha.
Solveig
01:22:03
Also das ist dann nicht mehr nur hui hui hui und ein Mann hat viele Frauen, sondern ich habe es nochmal mit reingenommen, da überraschenderweise diese Quelle immer nicht mitbeachtet wird, wenn es um die Vielweiberei geht. Weiß nicht woran das liegen könnte. Dass die werten Herrenhistoriker das nicht mitbedenken. Auf jeden Fall also hier nochmal auch diese Perspektive, dass das wirklich auch Gewalt nach sich zieht, Gewalt an Frauen und auch an jungen, sehr jungen Frauen, die hier mit sexualisiert werden. Du hattest schon das angesprochen mit den Nonnen. Das finde ich auch ganz bemerkenswert. Wem hier die Schuld daran gegeben wird von Herrn K. Denn hier sagt er, dass die Nonnen das quasi freiwillig gemacht haben. Dass sie das genutzt haben, um ihre Schamhaftigkeit zu verlieren. Ich bin mir da nicht so sicher.
Daniel
01:22:53
Frau Luther ist ja da auch freiwillig aus ihrem Kloster raus. Hat gesagt, ach Mensch, es gibt doch mal einen anderen Weg.
Solveig
01:22:57
Ja.
Daniel
01:22:58
Vielleicht gab es da schon Nonnen, die gesagt haben, die dann als kleine Mädchen schon ins Kloster gekommen gesagt haben, so, jetzt ist aber ja mal vorbei, jetzt kann ich mal was anderes ausprobieren.
Solveig
01:23:07
Ja, aber gerade die Damen, die ja schon als Mädchen ins Kloster gekommen sind, erfahrungsgemäß bleiben die gerne im Kloster, weil sie ja diesen anderen Welt nicht unbedingt kennen. Und da wird es bestimmt einzelne Frauen gegeben haben, die gedacht haben, ja okay, warum nicht. Aber ich denke mir so die Mehrheit, weil das ist eigentlich auch das, was man in den Quellen immer wieder findet, hatten wir ja auch schon in der Nonnenfolge darüber gesprochen, dass die Frauen gerne in ihren Klöstern bleiben und auch in ihren weiblichen Gemeinschaften bleiben.
Daniel
01:23:34
Selbstbestimmte Frau in einer Frauenwelt.
Solveig
01:23:36
Ja, und das ist definitiv keine Selbstbestimmte Frauenwelt. Das ist eine ganz klar männlich dominierte Welt, wo Frauen eben scheinbar auch zu Besitz herabgestuft werden, noch stärker als das eh in der Zeit der Fall ist. Und ich würde mal behaupten, ich stelle mir das so vor, du bist in diesem Kloster, die Täufer kommen eh ständig und nehmen dir dein Essen weg. Und jetzt stehen sie vor der Tür und sagen so, übrigens euer Laden ist jetzt hier zu Ende und ihr heiratet jetzt, sonst setzt was. Ja, was willst du machen? Wo willst du hin? Wenn das einzige Leben, das du kennst, das Kloster ist und da kannst du jetzt nicht mehr drin leben, kann man das ja nachvollziehen, dass die dann sagen, ja gut, dann beugen wir uns dem. Also finde ich da ein bisschen schwierig von Herrn K., dass er da jetzt die Frauen... Zu Tätern macht quasi. Also haben wir so eine gewisse Täter-Opfer-Umkehr. Aber auf jeden Fall, diesen Bericht fand ich dann doch sehr eindrücklich. Wie gesagt, ich muss selbst auch mich an das halten, was ich selber predige. Es ist nicht so klar nachweisbar durch eine andere Quelle, ob das wirklich so passiert ist, wie er es hier beschreibt oder ob das eben doch auch wieder eine Darstellung ist, um zu übertreiben, um zu zeigen, wie schlimm die Täufer waren. Aber wie gesagt, da wir ja diese Vergleiche haben mit diesen Sekten in den USA, die eben auch diese Vielehe haben, wo auch teilweise eben Zwölfjährige verheiratet werden, ist es zumindest nicht abwegig, dass das hier so auch passiert sein könnte, sagen wir es mal so. So, jetzt ist es schon angesprochen worden von Herrn K., dass die Vara später Königin wird als Ehefrau von Jan van Leiden. Damit das passiert, muss natürlich was passieren?
Daniel
01:25:14
Dass er König wird.
Solveig
01:25:16
Genau, dafür muss er ja König werden, damit sie Königin werden kann.
Daniel
01:25:20
Lässt er sich krönen.
Solveig
01:25:21
Lässt er sich krönen, weil, so schreibt es zumindest Herr Griesbeck, er hatte eine Offenbarung. So hat Johann von Leiden die Offenbarung verkündigt, dem gemeinen Volk, dass ihm Gott so geoffenbart habe, dass er ein König der Gerechten sei und die Ungerechtigkeit in der Welt strafen und nachichs Gott sein solle. Das gemeine Volk hat stillgeschwiegen in der Stadt. Der eine hat das mit der Offenbarung geglaubt und der andere nicht. So hat Johann von Leiden des Weiteren gesagt, nun hat mich Gott zum König gewählt über die ganze Welt. Aber ich sage euch, liebe Brüder und Schwestern, ich wollte lieber ein Schweinehirt sein und wollte viel lieber den Flug halten oder graben, als dass ich König sein soll. Was ich tue, das muss ich tun, wenn mich Gott dazu auserkoren hat. Liebe Brüder und Schwestern, das lasst uns Gott danken. Ja, der Arme, er wäre so gern Schweinehirt. Er wäre so gerne ein einfacher Mensch.
Daniel
01:26:15
Aber jetzt muss er leider diese Position einnehmen.
Solveig
01:26:18
Gott, lass diesen Kelch an mir vorüberziehen. Auch hier, ob er das wirklich so gesagt hat, Heimal dahingestellt. Aber er ist jetzt auf jeden Fall König. Dazu hat er sich gemacht. Und es scheint, also wir sehen hier so ein bisschen auch, wie es eskaliert. Wir haben Jan Mattes, der das alles irgendwie so ein bisschen im Rahmen hält. Jetzt ist Jan Mattes tot und Jan van Leiden zieht einfach immer mehr Macht, zumindest wenn wir es so aus den Quellen lesen, immer mehr Macht an sich und wird dadurch immer autokratischer und tyrannischer. Und da habe ich nochmal die Geschichte um den Tod von Elisabeth Wandscherer mitgebracht. Der soll Ende Mai, Anfang Juni 1935 stattgefunden haben, also kurz vor... Die Stadt dann durch den Bischof wieder erobert wird. Und diese Geschichte finde ich ganz interessant. Wir gehen einmal darauf ein, ist jetzt wieder von Herrn K. beschrieben. Elisabeth Wandscherer fand also Gnade in den Augen des Königs und wurde nicht Wäscherin oder Zofe, sondern königliche Gemahlin und galt fast sechs Monate als solche. Als aber Elisabeth die Gottlosigkeit, die Schlemmerei und die schrankenlose Wollust des Königs, in der er sich ohne Maß erhitzte und dagegen die Klagen und Tränen des vor Hunger untergehenden Volkes sah, begann ihr die Sache zu missfallen. Deshalb gab sie die Ringe und den übrigen ihr geschenkten Schmuck zurück und bat wie andere fußfällig, um die Erlaubnis, die Stadt verlassen zu dürfen. Aber der König fuhr sie an, nun kommt endlich deine Betrügerei und Hinterlist, dein Leichtsinn und Ungehorsam und deine Auflehnung an den Tag. Er zog sie am 12. Juni mit eigenen Händen auf den Markt, schlug ihr in Gegenwart des ganzen Volkes und aller Kebsweiber den Kopf ab, trat ihre Leiche mit Füßen. Nach dieser unmenschlichen Hinrichtung trillerten die übrigen Kebsweiber den Hymnus Allein Gott in der Höhle sei er. Dann hielten der König mit seinen Hofleuten auf offene Markte recht üppige Tänze und entschuldigte seine Untat mit der Gottlosigkeit des enthaupteten Mädchens. Sie war eine Hure, sagte er, und immer zur Widersetzlichkeit geneigt. Deshalb hat der Vater befohlen, sie aus dem Weg zu räumen. Also das ist schon übliche Tyrannendarstellung, sagen wir es mal so. Und wie weit es diese Elisabeth Wandscherer wirklich gegeben hat, ist so ein bisschen fraglich. Und ob sie wirklich öffentlich hingerichtet wurde, ist auch nicht ganz so klar.
Daniel
01:28:38
Wieso?
Solveig
01:28:39
Weil man das halt einfach nicht nachweisen kann. Weil wie gesagt, mit den Quellen, das ist alles so ein bisschen schwierig. Und da kommen wir später auch nochmal zu, es passt auch so ein bisschen in diese Darstellung Jan van Leidens als dieses sich immer weiter radikalisierendes Monster hinein, dass er jetzt einfach seine Frau umbringt, weil sie ihm widerspricht, weil sie gehen will. Dann heißt sie auch noch Elisabeth, wie die große Heilige, die eben in Verzicht sich um die Armen gekümmert hat. Und hier sie auch aus dem Prunk dieses Königtums Jan van Leidens sieht den Hunger der einfachen Bürger, weil es ist jetzt mittlerweile eine massive Hungersnot ausgebrochen. Sie haben nicht mehr, sie haben alles Essen aufgegessen, sie kriegen nichts Neues essen nach. Und Jan van Leyen hat eben weiterhin Essen, soll auch in den größten Banketten schwelgen, während eben die einfachen Münsteraner draußen hungern und vor Hunger weinen. Und sie hat eben dieses Mitleid, ist quasi so eine typische Tyrannendarstellung. Er hat jeglichen Bezug zur Realität verloren und die Menschen, die ihn daran erinnern, werden jetzt von ihm getötet. Und dann tanzt er dann auch noch lustig auf deren Leichen. Also das ist so, Das ist eine große Mutation Jan van Leidens. Am 25. Juni, also ein paar Wochen später, 35, können schließlich die bischöflichen Truppen die Stadt erobern. Also es ist scheinbar diesen klagenden, hungrigen Menschen dann doch jetzt zu viel.
Daniel
01:30:08
Da ist doch jemand die Tür aufgenommen.
Solveig
01:30:10
Ja, ganz genau. Es waren nämlich drei.
Daniel
01:30:11
Okay.
Solveig
01:30:13
Die haben gesagt, jetzt reicht es. Und ich glaube, der Griesbeck soll auch dazugehört haben, wenn ich mich jetzt richtig erinnere. Und die sind dann eben durch kleinere Türen raus und haben dann Truppen vom Bischof reingeholt und haben ihnen dann gezeigt, wie die großen Türen aufgehen. Und dann sind eben die Truppen des Bischofs in die Stadt hinein. Da haben die, nennen wir sie mal die Prädikanten, die hier immer bezeichnet wurden, also die gläubigen Täufer verhaftet. Die Vara und andere Täufer sind dann auch sehr zeitnah hingerichtet worden. Also das finde ich auch interessant, dass man die Vara nochmal per Namen sagt, sie ist die Ehefrau von Jan Mattis und dann auch die Ehefrau von Jan van Leiden. Die kommt hier in diesen Erzählungen nicht vor, aber scheint höchstwahrscheinlich dann auch noch einen gewissen Einfluss gehabt zu haben. Und wenn es nur darin war, dass sie dadurch, dass sie ja die Frau von Jan Mattes war, durch die Heirat mit Jan van Leiden so eine gewisse Autorität an ihn weitergegeben hat. Die drei großen Führer der Täufer, nennen wir sie jetzt mal so, Jan van Leiden, Bernd Knipper-Dolling und Bernd Krechting, der in dieser Geschichte auch nicht vorgekommen ist, aber Münsteraner und überzeugter Täufer und auch mit dabei involviert, werden noch ein halbes Jahr verhört und dabei auch gefoltert.
Daniel
01:31:25
Das waren doch zwölf eigentlich.
Solveig
01:31:26
Ja, die sind schon alle tot.
Daniel
01:31:28
Okay.
Solveig
01:31:28
Also dieser, ja, und wie weit diese zwölf Ältesten, nachdem Jan van Leiden da sich zum König gemacht hat, noch irgendwas mit zu sagen hatten, ist dann auch die Frage. Aber wie gesagt, es wird ja so die, Die Führungsriege wird ja hingerichtet, aber die drei wesentlichen Männer, die werden nochmal ein halbes Jahr befragt. Ich weiß jetzt nicht, was man genau ein halbes Jahr die fragen musste, aber sie werden dann am 6. Januar, am Dreikönigstag, unsere drei Pseudokönige dann hingerichtet. Und da haben wir dann auch nochmal von Herrn K. Die Erzählung oder den Bericht. Am folgenden Tage also wurden sie der Reihe nach zum Richterstuhle geführt und angeklagt. Den König klagte man zuerst an. Man warf ihm die größten Laster und Verbrechen vor und diese ließen auf keine Weise den Stand des Leugnens zu, wie sie ja ganz Deutschland bekannt waren. Wenn er etwa zur Verzweiflung getrieben oder durch die Schrecken des Todes außer sich sei. Er gab zur Antwort, gegen die Obrigkeit habe er gefehlt, aber nicht gegen Gott. Gleichsam, als wenn nicht auf dieselbe Weise gegen Gott und Gottes Ordnung gesündigt würde. Als von allen zuerst der König zum Richtplatz geführt wurde, der etwas über den Boden erhöht war, sprach er kniend und mit gefalteten Händen nur dieses. Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist. Er wurde an einen Pfahl gebunden und nachher mit feurigen und glühenden Zangen gematert und getötet. Gewiss unter großem Beifall und Freude der Priester, an denen Münster immer sehr reich gewesen ist. Als der König gestorben war, wurde Knipperdolling zur selben Strafe geführt. Ich weiß nicht, ob er an den Pfahl gebunden irgendetwas gesprochen hat. Zuletzt starb Krächting durch dieselbe Art Strafe, welchen wir bei der Anwendung der Zangen zweimal ausrufen hörten, O Vater, O Vater. Es waren hier viele zu sehen, denen nicht angenehmer begegnen konnte als dieser Anblick. Als die verdiente Strafe an den verbrecherischen Menschen verübt war, wurden sie endlich eingeschlossen, einzeln in Körbe von Eisen- und Gitterförmig, sodass sie von Weitem gesehen und erkannt werden konnten. und nachher hoch an den Turm von St. Clamberti befestigt. Nicht bloß darum, dass ein fortdauerndes Andenken hieran sein sollte, sondern auch, dass sie allen unruhigen Geistern zur Warnung und Schrecken dienten, dass sie nicht etwas Ähnliches in Zukunft versuchten und wagten. Dieses war der schlimme Ausgang dieser bösen Tragödie.
Daniel
01:33:46
Und da sie da immer noch hängen, scheinen sie ihre Wirkung nach wie vor zu entfalten. Es ist nie wieder passiert. Aber ich meine, eigentlich muss man sich ja vorstellen, was das für ein krasses kollektives Trauma ist, was dann diese Stadt durchlebt hat. Die sind ja jetzt nicht alle weg, die Leute, sondern die müssen ja jetzt irgendwie wieder klarkommen damit, mit dem, was passiert ist und sich das irgendwie versuchen zu erklären oder eben auch nicht mehr drüber zu reden oder irgendwie wieder zurück zur Normalität zu finden. Kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Nach dem, was da passiert ist, unter dieser Belagerung und mit und ohne Nonnen und alles drumherum, wie komme ich da wieder zu einem normalen Alltag zurück?
Solveig
01:34:24
Ja, ich glaube, da liegt die Erklärung drin, warum Jan van Leiden hier dieses Monster wird in der Geschichte. Weil... Es ist ja auffällig. Wir haben es angesprochen, der Stadtrat hat die Mehrheit von Täufern. Die haben die hergeholt, die wollten die haben. Wir haben diesen Rat der Zwölf, die da mitmachen. Wir haben Bernd Krechting, wir haben Bernd Knipperdolling, wir haben hier Judokus Karlsberg oder wie auch immer er hieß. Aber nur Jan van Leiden hat hier zum Schluss irgendwie die Fäden in der Hand. Er ist das Monster, er entscheidet alles, er bringt die Menschen um, er plündert sie aus. Also ich habe den Eindruck, wenn man das so liest, dass sie hier den Schuldigen haben. So er hat uns alles, nur er, er war schuld und wir konnten ja nicht, wir konnten uns nicht wehren. Nur er und seine und die beiden anderen haben uns dazu gezwungen.
Daniel
01:35:12
Das hilft dann, da wieder rauszufinden manchen, die dann doch ein bisschen mehr involviert waren.
Solveig
01:35:17
Wir wussten doch nichts, wir haben doch nichts gewusst.
Daniel
01:35:19
Oder der Vielwahlbereich vielleicht gar nicht so schlecht fanden.
Solveig
01:35:22
Also ich meine, es sind ja nicht nur, nicht nur Jan van Leiden hat Frauen umbringen lassen, die nicht gehorcht haben. Und es gibt dann auch später noch Akten, wo dann auch drinsteht, dass da Menschen enteignet wurden, dass ihnen ihre Häuser weggenommen wurden, weil sie die Täufer unterstützt haben. Also ich glaube, dass man da ganz schnell in dieser Darstellung, dass einfach alles auf Jan van Leiden projiziert. Der war schuld, der ist eskaliert, der hat sich radikalisiert, er ist ein Tyrann geworden. Und wir waren Opfer. Wir waren genauso Opfer wie alle anderen auch. Das ist ja auch immer die Geschichte der deutschen Mentalität heraus. Und das glaube ich hängt deswegen, es ist auch immer so schwierig mit diesen Quellen. Wie gesagt, wir haben hier Personen, die sich ganz klar stellen, sagen wir waren es nicht, wir waren überhaupt gar nicht überzeugt. Wir schreiben euch Texte und erzählen euch, wie es war und wie schlimm es war und wie schlimm Jan van Leiden war. Aber deswegen ist es da immer so ein bisschen, bin ich da vorsichtig, was so Details angeht. Die Körbe, lass uns doch nochmal über die Körbe reden. Denn du sagtest schon.
Daniel
01:36:22
Die hängen da immer noch an St.
Solveig
01:36:24
Lamberti. Ich finde, wir fangen vielleicht erstmal an mit, warum hängen die in St. Lamberti?
Daniel
01:36:29
Du kannst erst mal sagen, warum man nicht Käfige dazu sagt.
Solveig
01:36:32
Weil die nicht wieder aufgehen. Käfige kann man wieder öffnen und Körbe nicht.
Daniel
01:36:38
Okay, das musste ich nämlich selber lernen. Deswegen wollte ich das nochmal kurz anbringen hier.
Solveig
01:36:42
Da bin ich sehr streng.
Daniel
01:36:43
Dass ich mir auch angewöhnen musste, Körbe zu sagen.
Solveig
01:36:46
Das sind keine Käfige. Und da ist eben der Punkt, weil eigentlich hat der Bischof, auf dessen Befehl das ja passiert, keine Amtsgewalt über St. Lamberti. Wie gesagt, das ist die Pfarrkirche der Stadtbürger. Er darf nur entscheiden, was am Dom passiert. Also eigentlich hätte er das ja dann an den Dom hängen müssen.
Daniel
01:37:03
Ja, aber an seiner Stelle hätte ich ja mal alle Privilegien dann erstmal gestrichen. Und gesagt, von alten Bürgersfreiheiten könnt ihr jetzt mal vergessen und eure Selbstverwaltung hier. Ich übernehme mal wieder die ganze Stadt.
Solveig
01:37:14
Ich weiß gar nicht, es sind auf jeden Fall Privilegien gestrichen worden. Wie gesagt, es sind auch Personen aus ihren Ämtern entfernt worden. Es ist ihnen Besitz konfisziert worden. Haben die dann ausgetauscht worden mit katholischen Bürgern? Ich weiß es nicht. Aber es findet auf jeden Fall auch da so eine Säuberung statt. Hier unser Herr K. erzählt es ja sogar, warum es eben an St. Lamberti gehangen wird. Und ein paar haben vielleicht, erinnern sich noch daran, was ich gesagt habe, es ist die Pfarrkirche der Stadtbürger. Das heißt, jeden Sonntag, wenn die da zur Messe gehen, müssen sie das sehen. Jedes Mal, wenn die Glocken von St. Lamberti läuten und man hochguckt.
Daniel
01:37:50
Klappern die Körbe.
Solveig
01:37:53
Das jetzt nicht, aber man sieht sie. Immer wenn man da hinguckt und es ist natürlich auch so eine Machtdemonstration, der Bischof tut unserer Kirche quasi was an. Der Bischof darf jetzt, greift hier an unsere Kirche ein. Also das ist schon nochmal klar, so Leute, jetzt reicht es. Also das mit Religionsfreiheit, das überlegen wir uns nochmal. Und ob ihr hier euren Stadtrat weiterhin noch so führen könnt wie vorher, das überlegen wir uns jetzt auch nochmal. Also er greift dann da schon stark durch und das ist eben dieses Symbol, dass er quasi als Bischof auf die Pfarrkirche, die ja die bürgerliche Freiheit repräsentiert, auch nochmal sagt so. Jetzt reicht es. Und wie gesagt, scheint ja geholfen zu haben, es sind nie wieder Täufer nach Münster gekommen.
Daniel
01:38:33
Es gibt keine evangelisch-freikirchliche Baptistische Kirche in Münster.
Solveig
01:38:37
Ich weiß tatsächlich, es hat lange gedauert, bis Protestanten in Münster wieder Fuß gefasst haben. Das war tatsächlich nicht mehr so geduldet.
Daniel
01:38:45
Das würde ich mir sagen, es gibt doch garantiert auch die modernen Baptisten in Münster, die sich wohl fühlen, wenn sie über den Prinzipalmarkt spazieren und diese Körbe erblicken.
Solveig
01:38:53
Ich meine, ich habe am Bahnhof ein Büro der Heiligen der letzten Tage gesehen.
Daniel
01:38:58
Ja, also die nehme ich da jetzt nicht so mit rein, aber die, die was quasi im Namen tragen, müssen sich ja schon irgendwie angesprochen fühlen.
Solveig
01:39:05
Aber da kommen wir, dann bleiben wir nochmal bei den Körben. Also warum sie bei St. Lamberti hängen, was damit auch zum Ausdruck kommt, dass der Bischof jetzt wirklich die Schnauze voll hat, haben wir jetzt einmal gesprochen. Aber sind es denn wirklich die echten Körbe? Das ist ja auch immer die große Geschichte.
Daniel
01:39:20
Echt schon, aber nicht original.
Solveig
01:39:24
Das sind nämlich auch gerne so Geschichten, die man dann auch so bei Stadtführungen hört. Je nachdem, ob man Glück hat mit den Guides oder nicht, kommt man dann auch darauf an, was sie einem so erzählen. Was man sagen muss, es hängen immer noch Körbe da und ich finde das sehr, sehr interessant, wie diese Körbe auch einfach uminterpretiert wurden durch die Geschichte hindurch, dass man sie auch einfach drangelassen hat.
Daniel
01:39:46
Das ist das Freiheitssymbol.
Solveig
01:39:48
Sie sind mittlerweile ein Freiheitssymbol, das ist ein Erkennungsmerkmal und ein Werbe auch im Stadtmarketing in der Stadt Münster.
Daniel
01:39:54
Mit der Blumenkörbe jetzt drin.
Solveig
01:39:57
Nee, es sind so Lampen drin.
Daniel
01:39:58
Achso, echt?
Solveig
01:39:59
Bei den Skulpturprojekten, ich weiß nicht welches Jahr, das findet ja alle sieben Jahre oder zehn Jahre in Münster statt. Da hat eine Künstlerin so eine Lampe in jeden Korb hineingedacht.
Daniel
01:40:09
Sie leuchten auch noch nachts.
Solveig
01:40:11
Ja, man sieht es jetzt nicht mehr, weil ja jetzt diese Leiter da ist und das ganze Licht da heller ist. Eine andere Lichtskulptur. Eine andere Lichtskulptur, genau. Die Himmelsleiter.
Daniel
01:40:20
Die überstrahlt die Körper.
Solveig
01:40:21
Überstrahlt die Körper ein bisschen. Aber wenn man nachts da dran geht und weiß, dass diese Lampen da sind, sieht man das. Und dass die Seelen der drei, die dort zu Tode gebracht wurden, rechtmäßig oder unrechtmäßig, liegt dann wohl auch im Auge der Künstlerin. Und diese Körbe sind immer noch da. Sie sind mittlerweile Teil der städtischen Identität Münsters. Und sie waren ja eigentlich mal ein Mahnmal an die Stadt Münster. Ihr habt ja eure Rechte verloren. Ihr seid hier ein bisschen stark eskaliert. Ich als Bischof mache das mal wieder alleine, für eine Weile zumindest. Und damit ihr immer eure Demütigung vor Augen habt, hänge ich die euch dahin. Aber man hat das irgendwie umgedeutet für sich selbst. Und jetzt ist, sagen wir mal, Glamberti als Kirche ja auch schon eine Weile alt. Und die wird baufällig. Dieser Turm wird in den 1880ern, sagt man, hat man Angst, dass der einstürzt, also wird dieser Turm neu gemacht. Und jetzt sind wir ja in den 1880ern. Wilhelm II. ist Kaiser eines Vereinten Deutschen Reiches. Die Gotik bzw. Die Neugotik ist der neue Schick. Und man entscheidet sich dazu, den Turm anders aufzubauen als er eigentlich war.
Daniel
01:41:29
Ach nein.
Solveig
01:41:30
Also dieser schöne gotische Spitzturm, wie man ihn jetzt heutzutage sieht bei St. Klammerle, ist nicht der originale Turm.
Daniel
01:41:37
Eigentlich war es ein Zwiebelturm.
Solveig
01:41:39
Ja, so ein viereckiger Turm mit so einer Zwiebelkuppel drauf. Also auch die Körbe hingen nie so, wie sie jetzt dort hängen. Und man entscheidet sich in den 1880ern dazu, wir machen jetzt hier so einen neugotischen Turm in der Mode. Sieht so ein bisschen aus wie der Kölner, also die Türme des Kölner Doms, die da jetzt auch gerade wieder gebaut wurden. Aber was machen wir denn jetzt mit den Körben? Die hängen da ja jetzt auch schon 300 Jahre. Hängen wir sie wieder dran? Die sind schon durchgerostet. Hängen, nehmen wir sie ab? Was machen wir? Also ist ja auch nichts mehr drin. Mittlerweile alles rausgefallen. Was machen wir denn damit? Und dann entscheidet sich die Stadt, die sind ja jetzt 300 Jahre alt, das muss in ein Museum. Die sind empfindlich, das können wir nicht nochmal wieder dranhängen. Und das muss erhalten bleiben, wir können die auch nicht wegschmeißen. Das ist ja Teil unserer Münsterer schon Identität. Also werden Kopien angefertigt. Und diese Kopien sollen dann wieder dran. Auch an andere Stellen als vorher, weil man kann sie ja nicht mehr dahin hängen.
Daniel
01:42:37
Wo sie treuern.
Solveig
01:42:39
Aber die müssen wieder dran. Wir müssen diese Körbe, die jetzt neu gemacht wurden.
Daniel
01:42:44
Wo nie ein Päufer drin war.
Solveig
01:42:47
Müssen da dran. Wir sind auch alle mittlerweile….
Daniel
01:42:50
Gleich als wenn man eine Originalskulptur ins Museum holt und eine Kopie da draußen stellt.
Solveig
01:42:54
Ja, aber es geht mir ja, warum hat man das Bedürfnis, diese Körbe wieder drin zu machen?
Daniel
01:42:58
Ja, weil es zu der Geschichte von Münster gehört. Das ist das Einzige, was alle Leute kennen.
Solveig
01:43:01
Es ist ein Schandmal für die Bürger. Ja.
Daniel
01:43:05
Mit 300 Jahren Distanz wird es vielleicht nicht mehr so empfunden.
Solveig
01:43:10
Ja, scheinbar. Darum geht es mir. Das ist ja eben unbedingt. Jetzt wird dieser Turm fertiggestellt und man denkt sich, der ist jetzt auch schade drum und so. Kaputt sind die alten Körbe gar nicht. Die sind auch gut. Die kann man wieder dranhängen. Also werden diese Körbe wieder drangehangen. Jetzt hat man ja diese Kopien rumstehen. Was sollen wir jetzt damit machen? Und da kommt ein findiger Professor auf den Plan, nämlich Professor Landois, der eh so eine ganz besondere Person gewesen ist. Eigentlich Zoologe und war irgendwie auch so ein Paradiesvogel, würde man es vielleicht sagen. Immer mit so einem kleinen Äffchen unterwegs. Hat dann auch den Zoo begründet in Münster. Und der hat sich so eine kleine Rumpelburg gebaut. So eine mittelalterliche Burg, die aber schon als Ruine quasi angedacht war. So ein bisschen zumindest. Aber er konnte noch drin wohnen. Seine Tuckesburg, direkt neben dem Zoo. Und er kommt jetzt und sagt, Leute, ich weiß, was ich mit diesen Körben mache, gebt sie mir. Und er kauft der Stadt diese kopierten Körbe ab.
Daniel
01:44:10
Hä, wenn sie die doch in Auftrag gegeben haben als Kopien, dann wollten sie die doch da oben an den Turm hängen?
Solveig
01:44:15
Nein, ja, aber sie haben es sich mittlerweile anders entschieden. Sie haben ja die Originale an den Turm gehangen.
Daniel
01:44:19
Ach so.
Solveig
01:44:19
Ja.
Daniel
01:44:20
Das habe ich gerade irgendwie nicht mitgekriegt in dem Eifer des Gefechts. Okay.
Solveig
01:44:24
Das sind wieder die, die hat man gereinigt und festgestellt, die sind gar nicht so schlimm.
Daniel
01:44:29
Solide gebaut.
Solveig
01:44:30
Solide gebaut. Gute, münsterische Schweißarbeit aus dem 16. Jahrhundert. Das machen wir da oben wieder dran. Jetzt hat man eben diese Kopie. Die kommen jetzt im Zoo. Und da sagt jetzt der Landois, die nehme ich. Und dann hängt er sich die an seiner Tuckesburg. Und das reicht ihm noch nicht. Er hat dann auch noch Strohpuppen, die er da reinstellt. Und dann hat er da seinen Knipperdolling und seinen Krächtling und seinen Jan van Leiden. Und hat dann Gäste und erzählt ihnen, er hat die echten Körbe. So, das sind die Kopien an der Kirche, er hat die echten. Und jetzt ist irgendwann der Herr Landois gestorben und sein Besitz ist dann aufgeteilt worden und irgendwann, als dann das Stadtmuseum Münster gegründet wurde, sind diese drei kopierten Körbe in den Besitz des Stadtmuseums gekommen.
Daniel
01:45:18
Die echten oder als Kopien?
Solveig
01:45:19
Also das Stadtmuseum wusste, dass das Kopien sind.
Daniel
01:45:24
Ich muss vorstellen, dass da 20 Jahre lang dran sind. Wie sagst du denn, die Orgien?
Solveig
01:45:26
Nee, nee, nee, das nicht. Aber dadurch scheinbar ist diese Geschichte von Herrn Landois so überzeugend gewesen mit seinen Strohpuppen, dass das so im kollektiven Gedächtnis der Stadt geblieben ist, dass es wirklich bis heute Leute gibt, die sagen, ja, nee, nee, nee, das sind ja Kopien da am Turm.
Daniel
01:45:39
Ja, aber ehrlich gesagt, da wäre ich jetzt einfach von ausgegangen, ohne dass ich die Strohpuppengeschichte dazu kenne, würde ich einfach davon ausgehen, dass wenn drei Körbe an der Kirche hängen und drei Körbe im Museum stehen, dass wahrscheinlich die im Museum die Originalkörbe sind. Ach krass.
Solveig
01:45:55
Das sind die Körbe von Herrn Landois.
Daniel
01:45:57
Okay. Und ich habe tatsächlich so ehrfürchtig vor diesen Körben gestanden. Unglaublich.
Solveig
01:46:03
Nee, das waren Landois-Körbe. Entschuldigung, ich stelle mal schon falsch. Also das, auch nochmal diese Geschichte zu diesen Körben und zur Rezeption der Täufer, weil das finde ich eben auch so spannend, dass auch die Wahrnehmung dieser Täufer in der Geschichte doch auch nochmal eine Wandlung durchfahren hat. dass diese Körbe eben dann wieder drangehangen werden. Eventuell hat das auch damit zu tun, dass wir in dem Ende des 19. Jahrhunderts in einem katholisch-protestantischen Kulturkampf uns befanden. Wie weit da jetzt die Münsterische Stadt, der Stadtrat damals oder der Bürgermeister da involviert war, das weiß ich jetzt leider nicht. Aber möglicherweise hat das auch dazu beigetragen, dass diese Täuferbewegung nochmal umgedeutet wird.
Daniel
01:46:43
Wahrscheinlich hat der Bischof zwischendurch nochmal angerufen und gesagt, es wäre doch schön, wenn wir mal die Originale da wieder hinhängen, Damit der Geist sich entsprechend verbreiten kann.
Solveig
01:46:51
Ja, das mag auch sein. Aber tatsächlich, die Täufer selbst werden ja nicht mehr als böse Fanatiker gesehen, die Frauen zu Objekten machen. Sondern sie sind ja, wenn man so gemeinhin fragt, bei den meisten Menschen.
Daniel
01:47:05
In Münster auf der Straße.
Solveig
01:47:06
In Münster auf der Straße und auch so gemeinhin. Dass Freiheitskämpfer einfach für ihren Glauben eingestanden sind, die einfach nur anders leben wollte, als die katholische Kirche es zugelassen hat. Und die böse katholische Kirche konnte Menschen, die ihnen widersprechen, nicht dulden.
Daniel
01:47:24
Der Herr von Waldeck, der ihnen gesagt hat, mach doch Religionsfreiheit, das stört mich nicht.
Solveig
01:47:28
Aber das ist ja, wenn man sie dann, das wissen ja die meisten nicht, die sagen dann ja, der böse, verkommene Bischof, der ja selbst in wilder Ehe gelebt hat. Und das ist dann doch immer interessant, wie schnell Menschen einfach aus ihrem Antikatholizismus so radikale Fanatiker entschuldigen. Das waren nur Widerstandskämpfer für den freien Geist. Die katholische Kirche hat keine Meinungsfreiheit zugelassen. Ja, deswegen habe ich am Anfang so darauf bestanden, dass das der Kaiser war, der das verboten hat. Nicht die katholische Kirche, sondern der katholische Kaiser hat gesagt, die nicht.
Daniel
01:48:03
Und Luther.
Solveig
01:48:04
Und Luther. Der auch noch. Also von daher ist vielleicht schon durchgekommen, ich bin nicht der Meinung, dass das einfach nur Menschen waren, die anders leben wollten als andere, sondern das waren schon radikale Fanatiker. Die wollten, dass alle anderen so leben wie sie. Und wenn die das nicht getan haben, wurde auch mit dem Schwert bekehrt.
Daniel
01:48:27
Oder wenn man nicht die fünfte Frau eines Münsteraner Bürgers sein wollte.
Solveig
01:48:32
Geschwängert werden wollte. Also das dazu, ich finde das eben sehr, sehr schwierig, wie das teilweise eben runtergebrochen wird, antikatholizistisch einfach nur gelesen wird, weil diese Ideen, zumindest wie Jan van Leiden sie scheinbar gelebt hat, hat für mich jetzt auch nichts mit Glauben und Religionsfreiheit zu tun. Aber gut, wir hatten es jetzt schon angesprochen.
Daniel
01:48:53
Klingt auch jetzt nicht nach so einer erstrebenswerten Lebensform, vor allem unter der Belagerung und Hungersnot und dann zwangsweise Steilschlaf ausüben zu müssen, um mehr Kinder zu zeugen und so.
Solveig
01:49:04
Es gibt ja Täufer heute noch in der Welt, wir haben es jetzt mehrmals angesprochen, die Mennoniten sind da so die größte Gruppe in den USA. Ja, tatsächlich weitestgehend, wenn ich mich jetzt nicht komplett irre, gibt es eigentlich auch nur in den USA Täufergruppen noch, die zumindest an diese Erwachsenentaufe glauben, beziehungsweise weil die dann durch diese starke Verfolgung im 16. Jahrhundert in Europa alle in die USA gegangen sind. Es kann natürlich sein, dass dann von den USA aus wieder Täuferbewegungen in die restliche Welt zurückgekommen sind. Die Amisch beispielsweise sind auch Täuferisch bewegt, das war mir gar nicht so bewusst. Ich dachte nur, die leben halt einfach in ihrer Zeitblase.
Daniel
01:49:41
Aber dass sie dann sich… Gibt es noch einen Süddeutschen?
Solveig
01:49:44
Die Amisch?
Daniel
01:49:44
Nee, jetzt überlege ich gerade, wie die heißen. Ich glaube, Hutterer oder so.
Solveig
01:49:47
Die Hutterer, ja.
Daniel
01:49:48
Hutterer, genau. Die sind auch ausgewandert nachher in die USA. Kanada, hatte ich so eine Reportage gehört, kürzlich noch. Wo die dann auch so dieses altertümliche, schöne Deutsch pflegen.
Solveig
01:49:58
Dieses Pennsylvania Dutch, also die Amisch sprechen ja auch noch dieses Deutschartige. Wobei ich jetzt nicht verstehe, was sie redet. Und dann gibt es die Baptisten in den USA. Auch die Baptistengemeinde haben wir vor allem im Süden, finde ich auch eben ganz interessant. Und was mich da überrascht hat, weil ja, also man hat ja verschiedene freikirchliche Bewegungen in den USA, die dann hier in Europa verfolgt wurden. Da haben wir ja auch zum Beispiel die Quaker und die Shaker, heißen halt so. Und die fallen dann dadurch auf in den USA, dass sie die Sklaverei ablehnen und dass sie auch antirassistisch auftreten. Das ist bei den Baptisten scheinbar nicht so gewesen. Die sind eben im Süden verbreitet und tatsächlich sind auch innerhalb der schwarzen Bevölkerung in den USA Baptisten, also am meisten vertreten irgendwie. Also Afroamerikaner, die meisten von denen sind Baptisten, so rumgesagt. Aber die waren bis in den 60ern auch noch rassisch getrennt. Also da gibt es die schwarzen Baptisten gemeint und es gibt die weißen Baptisten gemeint. Und das hat mich dann doch irgendwie überrascht, weil ich so dachte, hä? Sind die nicht eigentlich für, wir sind alle gleich und wir sind Brüder und Schwestern im Geist, aber...
Daniel
01:51:06
Es gibt halt die Zwölf.
Solveig
01:51:07
Ja, das hat da scheinbar nicht so gehalten. Aber das ist eben ganz interessant, wie das dann eben in den USA nochmal so seine eigene Entwicklung genommen hat. Darüber reden wir nicht, weil es sollte ja jetzt nur über das Täuferreich in Münster gehen. Aber wie gesagt, es ist in Münster sonst gescheitert, aber...
Daniel
01:51:25
Wie wird denn in Münster an dieses Ereignis heute erinnert? Gibt es da einen Gedenktag, ein Stadtfest, dass der Bischof mal eine Prozession macht und noch mal dankt Gott für die Befreiung von den Täufern?
Solveig
01:51:36
Ich glaube, das ist halt so ein Ding für die Touristen geworden.
Daniel
01:51:40
Man hat ja die Körbe heruntergelassen und jemand setzt sich rein und darf dann da reenacten. Die gehen nicht auf. Kann man von oben da rein?
Solveig
01:51:48
Nein.
Daniel
01:51:48
In einen Korb kann man da von oben rein?
Solveig
01:51:50
Das ist ja auch oben zu.
Daniel
01:51:50
Achso.
Solveig
01:51:51
Nein.
Daniel
01:51:52
Okay.
Solveig
01:51:52
Also es wird so daran erinnern, wie ich es eben gesagt habe, dass man das eben für sich deutet und viele antikirchlich, antiklerikal das für sich deuten und in den Täufern Freiheitskämpfer sehen für Glaubensfreiheit und Meinungsfreiheit. Ich sehe das schwierig, das in denen zu sehen. Es gibt teilweise, es gibt noch so einen Täufer-Schnaps irgendwie, aber wie gesagt, es ist wahnsinnig touristisch einfach aufgeladen. Irgendwann in den 80ern, glaube ich, gab es nochmal so einen Schundroman, wo die Täufer irgendwie als untote Vampire wiederkommen und Menschen töten. Auch ganz interessant, aber.
Daniel
01:52:27
Aber es gab auch, jetzt habe ich aber den Namen des Autors vergessen und auch wie der genaue Titel des Buches war. 1937 hat jemand noch ein Buch geschrieben über diese ganze Täufergeschichte und das zwar so als Analogie zum Aufstieg des NS, zur Radikalisierung. Ist aber offenbar der Zensur im NS nicht aufgefallen. Also es gab wohl sogar positive Rezensionen über dieses Buch. Da musste ich natürlich jetzt auch nochmal dran denken, als wir das vorhin nochmal so reflektiert haben, wie jetzt die Münsteraner Gesellschaft dann wieder in den Alltag zurückfindet. Und wer jetzt, wem die Verantwortung dann zuschiebt, so kann man natürlich auch dann irgendwie sagen. Es ist ja dieser eine Fanatiker an der Spitze gewesen und wir haben ja nichts. Also wir mussten ja nur.
Solveig
01:53:09
Er und seine Clique.
Daniel
01:53:10
Wir wussten von nichts.
Solveig
01:53:11
Wir wussten von nichts und wir waren auch Opfer. Aber das ist, wie gesagt, das wird sehr touristisch aufgenommen. Es gab ja Jubiläum, das muss man zurückrechnen, in den 80ern muss es gewesen sein. Schon nochmal Jubiläum Täuferherrschaft.
Daniel
01:53:24
Das steuern wir ja jetzt. Da ist schon der Anfang, glaube ich, jetzt erfolgt.
Solveig
01:53:29
Ja, also 2035, 2035 ist dann 500 Jahre Teufelherrschaft. Da werden wahrscheinlich Dinge geplant werden, ob man die Körbe runterlässt, was Leute reißen, das weiß ich jetzt nicht. Aber man hat auf jeden Fall auch große Ausstellungen.
Daniel
01:53:44
Aber die Behauptungen nachstellen.
Solveig
01:53:46
Die wurden ja... Mit Eisen zu Tode gefoltert. Auch das wird dann kritisiert, wie man mit diesen Freiheitskämpfern so grausam umgehen kann. Nee, aber es gab große Ausstellungen auch damals zu den Täufern und es gab dann auch noch eine Oper zu diesem einen Jubiläum. Haben sie noch mal eine Oper geschrieben, die hieß dann irgendwie die Vara, Wasser und keine Ahnung was. Das war sehr kitschig, das habe ich mir jetzt nicht nochmal ausgeschrieben. Aber wie gesagt, es wird viel verklärt, es wird viel verkitscht und das finde ich eben sehr schwierig, wenn man diese Texte liest. Und ja, die Quellen sind schwierig und ja, die Quellen sind ideologisch aufgeladen, aber wenn das nur in etwa passiert ist, was sie da erzählen, ist das nicht bewundernswert, meiner Meinung nach.
Daniel
01:54:23
Ich bin jetzt auch ein bisschen enttäuscht. Ich dachte, ich kriege jetzt nochmal einen großen Text, wo ich als Bischof jetzt nochmal meinen Sieg feiern darf oder dem Kaiser mitteile, es ist jetzt endlich geschafft. Na, okay. Dann müssen wir das Ganze hier so zu Ende gehen lassen und im Nachklapp werde ich Solveig nochmal mehr zu ihrer Zeit vor Ort befragen und wie sie sich gefühlt hat unter diesen Körben und vor ihnen, je nachdem welche Version zu stehen. Und möchte mich natürlich nochmal bedanken bei allen, die uns regelmäßig oder auch eben einmal bei Kofi unterstützen und damit es möglich machen, dass wir uns hier Zeit nehmen und recherchieren und vielleicht in Zukunft sogar Solveig und mir ermöglichen, nicht die spärliche Freizeit neben den üblichen Broterwerbstätigkeiten aufbringen zu müssen, sondern vielleicht einfach einen Teil unserer offiziellen, gewerblichen Tätigkeit einzustellen. Und ganz diesem Podcast widmen zu können. Das ermöglichen bislang Christina Steffi, Sophie Christoph, Tobias Beate, Sarah Solveig, Noemi, Henrike, Stefan, Aisha, Isabella, Silvia, Emma Kuffi, Maike, Marte, Jojo, Cornelia, Anne, Vera, Dennis, Eva, Roland und Caroline. Vielen Dank euch und den dazu gestoßenen Matthias, Kerstin, Bettina. Klaus, Sascha, Vivien, Florian, Philipp und auch Stefan. Vielen Dank euch dafür. Und alle, die es jetzt wieder vergessen haben, möchte ich nochmal einladen, uns doch eine Bewertung zu geben und möglichst viele Sterne leuchten zu lassen oder einen kleinen Kommentar zu schreiben, auch wenn ihr aus Münster seid und eine andere Sicht habt auf diesen Teil der Stadtgeschichte oder sonst irgendetwas gerne mitteilen möchtet. Dann tut das doch in den Kommentaren, entweder direkt bei Spotify oder auf unserer Website, Vielen Dank, Solveig.
Solveig
01:56:12
Gerne.
Daniel
01:56:12
Für den kurzen Ausflug in unsere gemeinsame westfälische Heimat. Und da sich draußen immer noch nichts tut, werden wir jetzt einfach irgendwie Glocken läuten.
Solveig
01:56:20
Selber. Kannst du ja so einspielen.
Daniel
01:56:23
Und ein bisschen Wasser über unsere Hauptgießen.
Solveig
01:56:26
Meine Haare sind extra gelegt worden.
Daniel
01:56:28
Dann lassen wir das. Wir wünschen euch alles Gute.
Solveig
01:56:31
Dankeschön.
Daniel
01:56:32
Bis dann. Ciao.
Solveig
01:56:36
Oder möchtest du das sein? Möchtest du das reich sein?
Daniel
01:56:39
Okay, ich bin das reich. Das gleiche ist katholisch.
Solveig
01:56:41
Ja eben, deswegen fiel mir gerade ein. Das ist ja der Knipper-Dolling. Entschuldigung, dieser Name. Das ist nicht lustig.